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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal.

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gab es nicht weniger als 160 Verbrechen, die mit dem Tode bestraft wurden,
und es war etwas ganz Gewöhnliches, daß zehn oder zwölf Personen auf ein¬
mal hingerichtet und daß vierzig oder fünfzig Angeklagte in einer Session zum
Tode verurtheilt wurden. 1732 geschah dies in Old-Bailey mit siebzig Personen,
und in demselben Jahre erlitten in der mittelgroßen Stadt Cork achtzehn Ver¬
brecher den Tod am Galgen. Die armen Sünder wurden vor ihrer Hinrich¬
tung von den Schließern für Geld gezeigt, und es sollen auf diese Weise nicht
weniger als 200 Pfund eingekommen sein, als der berüchtigte Jack Sheppard
in Newgate gefangen saß. Das öffentliche Auspeitschen von Frauen wurde
in England erst 1817, das nicht öffentliche erst 1820 abgeschafft. Die Strafe
des Prangers, die sehr oft vollstreckt wurde, war besonders geeignet, die Roh¬
heit des Volkes, dem die Betreffenden dabei bis zu einem gewissen Grade
preisgegeben waren, zu ermuthigen, und in manchen Fällen wurden die Schul¬
digen dabei todtgesteinigt. Frauen, die der Ermordung ihrer Männer oder
sonst eines unter den Begriff trss-son fallenden Verbrechens überwiesen waren,
wurden nach einem Gesetze, welches erst 1790 außer Kraft gesetzt wurde, zum
Galgen geschleift und dort lebendig verbrannt. Ein Pfahl von 10 bis 12 Fuß
Höhe wurde aufgerichtet, ein eiserner Ring an seinem oberen Ende befestigt
und an diesem die Schuldigen ausgehängt, während unter ihren Füßen Scheite
aufgeschichtet und angezündet wurden. Das Gesetz verlangte, daß sie lebendig
verbrannt würden, in der Praxis aber wurde der Spruch gewöhnlich gemildert,
so daß sie erdrosselt wurden, ehe das Feuer ihren Körper berührte. Indeß
kam 1726 bei der Hinrichtung der Mörderin Katherina Hayes ein schrecklicher
Fall vor. Da das Feuer dem Henker die Hände versengte, so ließ er den
Strick los, noch ehe die Hayes erwürgt war, und obgleich eiligst frische Scheite
aufgehäuft wurden, verging doch geraume Zeit, ehe ihr Todeskampf ein Ende
nahm. Das Gesetz, welches einen des Hochverraths Ueberwiesenen verurtheilte,
wenn er zur Hälfte gehenkt war, abgeschnitten und dann aufgeschnitten zu
werden, um die darauf folgende Verbrennung seiner Eingeweide noch mit an¬
zusehen, wurde noch nach der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts mit grä߬
licher Genauigkeit vollzogen. 1746 wurden acht Offiziere, die im Heere des
Prätendenten gedient, auf Kenniugton Common in dieser Weise hingerichtet.
Wieder ein anderes Gesetz verfügte, daß ein Gefangener, der auf Leib und
Leben angeklagt war und sich weigerte, dem Richter die verlangte Auskunft zu
geben, nackt in einem dunkeln Raum auf den Rücken gelegt und auf der Brust
mit Gewichten von Stein oder Eisen beschwert werde. Diese Gewichte wurden
nach und nach vermehrt, bis der betreffende gestand oder todt gedrückt war.
Darnach wurde noch 1741 verfahren, und die Abschaffung dieser Art von Folter
erfolgte erst dreißig Jahre später.


gab es nicht weniger als 160 Verbrechen, die mit dem Tode bestraft wurden,
und es war etwas ganz Gewöhnliches, daß zehn oder zwölf Personen auf ein¬
mal hingerichtet und daß vierzig oder fünfzig Angeklagte in einer Session zum
Tode verurtheilt wurden. 1732 geschah dies in Old-Bailey mit siebzig Personen,
und in demselben Jahre erlitten in der mittelgroßen Stadt Cork achtzehn Ver¬
brecher den Tod am Galgen. Die armen Sünder wurden vor ihrer Hinrich¬
tung von den Schließern für Geld gezeigt, und es sollen auf diese Weise nicht
weniger als 200 Pfund eingekommen sein, als der berüchtigte Jack Sheppard
in Newgate gefangen saß. Das öffentliche Auspeitschen von Frauen wurde
in England erst 1817, das nicht öffentliche erst 1820 abgeschafft. Die Strafe
des Prangers, die sehr oft vollstreckt wurde, war besonders geeignet, die Roh¬
heit des Volkes, dem die Betreffenden dabei bis zu einem gewissen Grade
preisgegeben waren, zu ermuthigen, und in manchen Fällen wurden die Schul¬
digen dabei todtgesteinigt. Frauen, die der Ermordung ihrer Männer oder
sonst eines unter den Begriff trss-son fallenden Verbrechens überwiesen waren,
wurden nach einem Gesetze, welches erst 1790 außer Kraft gesetzt wurde, zum
Galgen geschleift und dort lebendig verbrannt. Ein Pfahl von 10 bis 12 Fuß
Höhe wurde aufgerichtet, ein eiserner Ring an seinem oberen Ende befestigt
und an diesem die Schuldigen ausgehängt, während unter ihren Füßen Scheite
aufgeschichtet und angezündet wurden. Das Gesetz verlangte, daß sie lebendig
verbrannt würden, in der Praxis aber wurde der Spruch gewöhnlich gemildert,
so daß sie erdrosselt wurden, ehe das Feuer ihren Körper berührte. Indeß
kam 1726 bei der Hinrichtung der Mörderin Katherina Hayes ein schrecklicher
Fall vor. Da das Feuer dem Henker die Hände versengte, so ließ er den
Strick los, noch ehe die Hayes erwürgt war, und obgleich eiligst frische Scheite
aufgehäuft wurden, verging doch geraume Zeit, ehe ihr Todeskampf ein Ende
nahm. Das Gesetz, welches einen des Hochverraths Ueberwiesenen verurtheilte,
wenn er zur Hälfte gehenkt war, abgeschnitten und dann aufgeschnitten zu
werden, um die darauf folgende Verbrennung seiner Eingeweide noch mit an¬
zusehen, wurde noch nach der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts mit grä߬
licher Genauigkeit vollzogen. 1746 wurden acht Offiziere, die im Heere des
Prätendenten gedient, auf Kenniugton Common in dieser Weise hingerichtet.
Wieder ein anderes Gesetz verfügte, daß ein Gefangener, der auf Leib und
Leben angeklagt war und sich weigerte, dem Richter die verlangte Auskunft zu
geben, nackt in einem dunkeln Raum auf den Rücken gelegt und auf der Brust
mit Gewichten von Stein oder Eisen beschwert werde. Diese Gewichte wurden
nach und nach vermehrt, bis der betreffende gestand oder todt gedrückt war.
Darnach wurde noch 1741 verfahren, und die Abschaffung dieser Art von Folter
erfolgte erst dreißig Jahre später.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157675/157>, abgerufen am 28.07.2024.