Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.wirren, eine Aufgabe, die dem feinen Herzenskenner und erfahrenen Frauen- Es wäre unrecht, wollte man behaupten, daß Struensee diese Liebe nicht wirren, eine Aufgabe, die dem feinen Herzenskenner und erfahrenen Frauen- Es wäre unrecht, wollte man behaupten, daß Struensee diese Liebe nicht <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0067" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/142564"/> <p xml:id="ID_189" prev="#ID_188"> wirren, eine Aufgabe, die dem feinen Herzenskenner und erfahrenen Frauen-<lb/> besteger nicht schwer siel. Mathilde faßte bald ein ähnliches Zutrauen zu ihm<lb/> wie ihr Gemahl, uicht blos wegen seiner ärztlichen Rathschläge, sondern wegen<lb/> der Theilnahme, die er ihr offen entgegenbrachte, wegen des zarten Verständ¬<lb/> nisses, das er für ihre Lage zeigte, wegen der Aussichten, die er ihr hinsichtlich<lb/> einer Besserung ihres Verhältnisses zum Könige eröffnete. Sie kam von ihrem<lb/> früheren Irrthume vollständig zurück und fand immer größeres Vergnügen an<lb/> der Unterhaltung des geistvollen, hochgebildeten, liebenswürdigen und offen¬<lb/> herzigen Arztes. Und als uun vollends das Unglaubliche geschah, als Christian,<lb/> den Vorstellungen Struensee's nachgebend, sich seiner Gemahlin wieder näherte,<lb/> ja noch mehr, in seiner gänzlichen Haltlosigkeit sich gefügig ihrem festen Willen<lb/> unterzuordnen begann, ihr eine bisher noch nie geübte Macht über sich einräumte<lb/> — da fühlte Mathilde sich durch tausend Bande der Dankbarkeit an den treuen<lb/> Freund und Berather gefesselt. Ihr warmes Herz, das kein Gefühl mehr haben<lb/> konnte für den unwürdigen, stumpfsinnigen Gatten, schlug dem entgegen, der sie<lb/> in die Sphäre der Freiheit und des Glückes emporgehoben hatte. Ihre Liebe,<lb/> ihre Leidenschaft wuchs, je öfter sich die ungestörten Zusammenkünfte, und zwar<lb/> vom König selbst direkt veranlaßt, wiederholten. Sie vergaß, was Alles trennend<lb/> zwischen ihnen stand; ihr königlicher Rang, ihre Würde als Frau und Mutter,<lb/> Alles ging unter in dem Strome der leidenschaftlichsten, zärtlichsten Liebe: sie<lb/> sah die Welt nur noch in ihm.</p><lb/> <p xml:id="ID_190" next="#ID_191"> Es wäre unrecht, wollte man behaupten, daß Struensee diese Liebe nicht<lb/> in seiner Weise erwiedert habe. Allein sein Gefühl stand tief unter der echten,<lb/> selbstlosen, hingebenden Neigung, die Mathilde ihm entgegenbrachte. Für ihn<lb/> bedeutete der Sieg über die Königin einen Triumph seiner Sinnlichkeit, seiner<lb/> Eitelkeit, vor allem aber seines Ehrgeizes. Die treu verbundene Fürstin zur<lb/> Seite, die kein Bedenken trug, aller Welt zum Trotz sich zu ihm zu bekennen,<lb/> mußte er im Stande sein, seine kühnsten Träume von Herrschaft und Macht zu<lb/> verwirklichen, mußte er gewappnet sein gegen alle Angriffe, die ihm, dem bürger¬<lb/> lichen Usurpator, von allen Seiten drohten. Und eine Theilung der Macht<lb/> hatte er nicht zu befürchten. Mathilde hatte keinen Sinn für Geschäfte. Sie<lb/> war befriedigt, wenn sie seine Autorität erhöhen konnte, da sie damit zugleich<lb/> ihre eigene erhöhte. Sie wollte ihre Unterthanen glücklich wissen; sie glaubte<lb/> Struensee, wenn er von der Nothwendigkeit sprach, den Staat von Grund aus<lb/> zu reformiren, und war überzeugt, daß niemand mehr dazu berufen sei, Glück¬<lb/> seligkeit im Lande zu verbreiten, als er. — Und der König? Natürlich blieb ihm<lb/> nicht verborgen, was alle Welt sah, und was vor ihn: sich abspielte. Vorsicht<lb/> lag nicht in dem lebhaften, leicht erregbaren Naturell der Königin. Sie erschien<lb/> wie verwandelt. Eine sonnige Heiterkeit verklärte ihr ganzes Wesen. Sie war</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0067]
wirren, eine Aufgabe, die dem feinen Herzenskenner und erfahrenen Frauen-
besteger nicht schwer siel. Mathilde faßte bald ein ähnliches Zutrauen zu ihm
wie ihr Gemahl, uicht blos wegen seiner ärztlichen Rathschläge, sondern wegen
der Theilnahme, die er ihr offen entgegenbrachte, wegen des zarten Verständ¬
nisses, das er für ihre Lage zeigte, wegen der Aussichten, die er ihr hinsichtlich
einer Besserung ihres Verhältnisses zum Könige eröffnete. Sie kam von ihrem
früheren Irrthume vollständig zurück und fand immer größeres Vergnügen an
der Unterhaltung des geistvollen, hochgebildeten, liebenswürdigen und offen¬
herzigen Arztes. Und als uun vollends das Unglaubliche geschah, als Christian,
den Vorstellungen Struensee's nachgebend, sich seiner Gemahlin wieder näherte,
ja noch mehr, in seiner gänzlichen Haltlosigkeit sich gefügig ihrem festen Willen
unterzuordnen begann, ihr eine bisher noch nie geübte Macht über sich einräumte
— da fühlte Mathilde sich durch tausend Bande der Dankbarkeit an den treuen
Freund und Berather gefesselt. Ihr warmes Herz, das kein Gefühl mehr haben
konnte für den unwürdigen, stumpfsinnigen Gatten, schlug dem entgegen, der sie
in die Sphäre der Freiheit und des Glückes emporgehoben hatte. Ihre Liebe,
ihre Leidenschaft wuchs, je öfter sich die ungestörten Zusammenkünfte, und zwar
vom König selbst direkt veranlaßt, wiederholten. Sie vergaß, was Alles trennend
zwischen ihnen stand; ihr königlicher Rang, ihre Würde als Frau und Mutter,
Alles ging unter in dem Strome der leidenschaftlichsten, zärtlichsten Liebe: sie
sah die Welt nur noch in ihm.
Es wäre unrecht, wollte man behaupten, daß Struensee diese Liebe nicht
in seiner Weise erwiedert habe. Allein sein Gefühl stand tief unter der echten,
selbstlosen, hingebenden Neigung, die Mathilde ihm entgegenbrachte. Für ihn
bedeutete der Sieg über die Königin einen Triumph seiner Sinnlichkeit, seiner
Eitelkeit, vor allem aber seines Ehrgeizes. Die treu verbundene Fürstin zur
Seite, die kein Bedenken trug, aller Welt zum Trotz sich zu ihm zu bekennen,
mußte er im Stande sein, seine kühnsten Träume von Herrschaft und Macht zu
verwirklichen, mußte er gewappnet sein gegen alle Angriffe, die ihm, dem bürger¬
lichen Usurpator, von allen Seiten drohten. Und eine Theilung der Macht
hatte er nicht zu befürchten. Mathilde hatte keinen Sinn für Geschäfte. Sie
war befriedigt, wenn sie seine Autorität erhöhen konnte, da sie damit zugleich
ihre eigene erhöhte. Sie wollte ihre Unterthanen glücklich wissen; sie glaubte
Struensee, wenn er von der Nothwendigkeit sprach, den Staat von Grund aus
zu reformiren, und war überzeugt, daß niemand mehr dazu berufen sei, Glück¬
seligkeit im Lande zu verbreiten, als er. — Und der König? Natürlich blieb ihm
nicht verborgen, was alle Welt sah, und was vor ihn: sich abspielte. Vorsicht
lag nicht in dem lebhaften, leicht erregbaren Naturell der Königin. Sie erschien
wie verwandelt. Eine sonnige Heiterkeit verklärte ihr ganzes Wesen. Sie war
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