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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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eingebüßt hatte, kehrte er nach Kopenhagen zurück, geistig und körperlich ein
gebrochener Mann, indolenter und lebensmüder als je, bereit, sich jedem Willen
zu beugen, der sich energisch und gewandt geltend zu machen wußte.

Hier war Struensee am Platze, und der junge Arzt ganz der Mann dazu,
Alles daran zu setzen, um diese Stelle einzunehmen und so das glänzende Ziel
seines Ehrgeizes zu erreichen: den König von sich abhängig zu machen, die
Leitung des gescunmten Staates an sich zu reißen und die doktrinären Anschau¬
ungen, die er aus den Schriften der französischen Aufklärer gewonnen, in That
und Wahrheit umzusetzen. Das Schicksal bahnte ihm zunächst selbst den Weg.
Der Monarch, der während der Reise zu dem freimüthigen Berather großes
Zutrauen gefaßt hatte, machte ihn nach seiner Rückkunft im Januar 1769 zu
seinem beständigen Leibarzte, und nur wenige Monate später verlieh er ihm den
Titel eines Wirklichen Etatrathes. Damit hatte Struensee festen Fuß am Hofe
gefaßt; er trat als berechtigtes Mitglied in die Kreise der höchsten Gesellschaft.
Aber wie nun weiter? Wie sollte er die Mauer von Günstlingen, Höflingen,
Ministern durchbrechen, die sich zwischen ihn und die höchste Gewalt stellten?
Wunderbare Fügung des Geschicks, daß der König es selbst sein mußte, der ihm
hilfreich hierzu die Hand bot! Christian empfahl der Königin, die sich leidend
fühlte, seinen Leibarzt zu konsultiren, und als sie sich weigerte, befahl er es ihr.
So trafen Struensee und Karoline Mathilde, die sich bis dahin ganz fern ge¬
standen hatten, zusammen: der entscheidende Schritt war gethan.

Der armen Königin hatten die ersten drei Jahre ihrer Ehe herbe Ent¬
täuschungen gebracht; ihre sonst so strahlenden blauen Augen wußten genug von
Thränen zu erzählen. Eine Fremde am dänischen Hofe, ohne irgend welchen
sicheren Schutz und Anhalt, gleichgiltig oder spöttisch zurückgewiesen von ihrem
elenden Gemahl, an dem selbst die Geburt eines Thronerben ohne Eindruck
vorübergegangen war, verurtheilt, täglich zu sehen, wie ein so nichtswürdiger
Geselle wie Graf Hotel triumphirend seine unheilvolle Macht über den König
zur Schau trug, führte sie ein beklagenswerthes Dasein. Sie hatte es endlich
aufgegeben, noch einen Einfluß auf ihn auszuüben. Tiefverletzt und gebeugt
von Harm und Kummer, hielt sie sich in sast feindlicher Zurückgezogenheit. Wie
hätte sie ahnen können, daß sie in kürzester Frist ihrer trübseligen Lage ent¬
rissen werden würde, und zwar dnrch den Mann, den sie nur mit Widerwillen
bei sich empfing, fest überzeugt, derselbe stehe auf gleicher Linie mit den von
ihr mit Recht gehaßten und verachteten Günstlingen!

Struensee hatte wirkliches Mitgefühl mit ihrem Schicksal. Sein Wunsch
war, die unnatürliche Entfremdung zwischeu den beiden Gatten aufzuheben, der
Königin zu der ihr gebührenden Stellung zu verhelfen, dann aber mit ihr und
durch sie den Monarchen zu beherrschen. Zunächst galt es, die Königin zu ge-


eingebüßt hatte, kehrte er nach Kopenhagen zurück, geistig und körperlich ein
gebrochener Mann, indolenter und lebensmüder als je, bereit, sich jedem Willen
zu beugen, der sich energisch und gewandt geltend zu machen wußte.

Hier war Struensee am Platze, und der junge Arzt ganz der Mann dazu,
Alles daran zu setzen, um diese Stelle einzunehmen und so das glänzende Ziel
seines Ehrgeizes zu erreichen: den König von sich abhängig zu machen, die
Leitung des gescunmten Staates an sich zu reißen und die doktrinären Anschau¬
ungen, die er aus den Schriften der französischen Aufklärer gewonnen, in That
und Wahrheit umzusetzen. Das Schicksal bahnte ihm zunächst selbst den Weg.
Der Monarch, der während der Reise zu dem freimüthigen Berather großes
Zutrauen gefaßt hatte, machte ihn nach seiner Rückkunft im Januar 1769 zu
seinem beständigen Leibarzte, und nur wenige Monate später verlieh er ihm den
Titel eines Wirklichen Etatrathes. Damit hatte Struensee festen Fuß am Hofe
gefaßt; er trat als berechtigtes Mitglied in die Kreise der höchsten Gesellschaft.
Aber wie nun weiter? Wie sollte er die Mauer von Günstlingen, Höflingen,
Ministern durchbrechen, die sich zwischen ihn und die höchste Gewalt stellten?
Wunderbare Fügung des Geschicks, daß der König es selbst sein mußte, der ihm
hilfreich hierzu die Hand bot! Christian empfahl der Königin, die sich leidend
fühlte, seinen Leibarzt zu konsultiren, und als sie sich weigerte, befahl er es ihr.
So trafen Struensee und Karoline Mathilde, die sich bis dahin ganz fern ge¬
standen hatten, zusammen: der entscheidende Schritt war gethan.

Der armen Königin hatten die ersten drei Jahre ihrer Ehe herbe Ent¬
täuschungen gebracht; ihre sonst so strahlenden blauen Augen wußten genug von
Thränen zu erzählen. Eine Fremde am dänischen Hofe, ohne irgend welchen
sicheren Schutz und Anhalt, gleichgiltig oder spöttisch zurückgewiesen von ihrem
elenden Gemahl, an dem selbst die Geburt eines Thronerben ohne Eindruck
vorübergegangen war, verurtheilt, täglich zu sehen, wie ein so nichtswürdiger
Geselle wie Graf Hotel triumphirend seine unheilvolle Macht über den König
zur Schau trug, führte sie ein beklagenswerthes Dasein. Sie hatte es endlich
aufgegeben, noch einen Einfluß auf ihn auszuüben. Tiefverletzt und gebeugt
von Harm und Kummer, hielt sie sich in sast feindlicher Zurückgezogenheit. Wie
hätte sie ahnen können, daß sie in kürzester Frist ihrer trübseligen Lage ent¬
rissen werden würde, und zwar dnrch den Mann, den sie nur mit Widerwillen
bei sich empfing, fest überzeugt, derselbe stehe auf gleicher Linie mit den von
ihr mit Recht gehaßten und verachteten Günstlingen!

Struensee hatte wirkliches Mitgefühl mit ihrem Schicksal. Sein Wunsch
war, die unnatürliche Entfremdung zwischeu den beiden Gatten aufzuheben, der
Königin zu der ihr gebührenden Stellung zu verhelfen, dann aber mit ihr und
durch sie den Monarchen zu beherrschen. Zunächst galt es, die Königin zu ge-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/66>, abgerufen am 27.11.2024.