Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.oft fröhlich bis zur Ausgelassenheit und erlaubte sich Extravaganzen, die die Damit stand Struensee, durch ein beispielloses Glück emporgetragen, gleich¬ oft fröhlich bis zur Ausgelassenheit und erlaubte sich Extravaganzen, die die Damit stand Struensee, durch ein beispielloses Glück emporgetragen, gleich¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0068" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/142565"/> <p xml:id="ID_191" prev="#ID_190"> oft fröhlich bis zur Ausgelassenheit und erlaubte sich Extravaganzen, die die<lb/> Grenzlinie des ewig Weiblichen mitunter überschritten. Struensee war ihr<lb/> steter Gesellschafter. Er allein durfte sie bei ihren Ausflügen und Jagdritten<lb/> begleiten. Sie zeichnete ihn sichtbar aus, wo und wie sie nur konnte. Und<lb/> dem entsprach der freie, legere Ton, den er gegen sie anschlug. Seine Sicher¬<lb/> heit und Keckheit verriethen dentlich, daß er ihrer Gunst unwandelbar vertrauen<lb/> durfte. Bei alledem verhielt sich Christian seinem indolenten Charakter gemäß<lb/> vollständig passiv. Er wußte, daß Struensee der Geliebte seiner Gemahlin war,<lb/> er sprach es auch aus, aber er fand nichts dagegen zu erinnern. Eifersucht<lb/> hatte er nie gekannt, und, wenn wir aus einer Aeußerung schließen dürfen, die<lb/> er schon als Knabe von dreizehn Jahren that, so war es geradezu sein Grund¬<lb/> satz, daß seine Frau berechtigt sei, die gleiche Freiheit zu genießen, die er<lb/> selbst sich genommen hatte. Zudem war sein Zutrauen zu Struensee immer<lb/> mehr gewachsen. Er dankte es ihm, daß die Königin ihre abwehrende Haltung<lb/> gegen ihn aufgegeben und so freundlich und zuvorkommend gegen ihn war, er<lb/> sympathisirte mit ihm in der Neigung, die steife Hofetikette, gegen die er stets<lb/> Widerwillen gehabt, über Bord zu werfen, vor allem aber, er empfand einen<lb/> unbegrenzten Respekt vor Struensee's Geist und Fähigkeiten. Er nannte ihn<lb/> sogar manchmal den „König von Preußen", und das wollte viel sagen, denn<lb/> sein großer Zeitgenosse Friedrich II. erschien ihm als eine Art von Ideal, dem nach¬<lb/> eifern zu können, er sich gelegentlich einbildete. Er wies daher Struensee auch<lb/> äußerlich einen Platz am Hose an, der diesem den persönlichen intimen Verkehr<lb/> mit beiden Majestäten zur Pflicht machte. Er ernannte ihn (im Frühjahr 1770)<lb/> zu seinem Vorleser, sowie zum Kabinetssekretär der Königin, und bald darauf<lb/> erhob er ihn zu dem Range eines Konferenzrathes.</p><lb/> <p xml:id="ID_192" next="#ID_193"> Damit stand Struensee, durch ein beispielloses Glück emporgetragen, gleich¬<lb/> sam in der nächsten Nähe des Thrones. Gestützt auf die liebende Hingebung<lb/> der Königin und die absolute Fügsamkeit des Königs, beherrschte er den Hof.<lb/> Es galt nun, auch das Letzte und Höchste zu erreichen: die Alleinherrschaft im<lb/> Staate. Bereits im Sommer 1770 machte er sich an's Werk. Der erste vor¬<lb/> bereitende Schritt war die Berufung zweier Männer, die er sich als Helfer<lb/> ausersehen hatte, und die ihm in verschiedener Weise von Nutzen sein sollten.<lb/> Es waren dies zwei seiner intimsten Freunde aus der Altonaer Zeit, die beide<lb/> schon einmal am Hofe eine Rolle gespielt hatten, dann aber ungnädig verab¬<lb/> schiedet worden waren und daher den Augenblick herbeisehnten, wo sie ihre alte<lb/> Stellung wieder einnehmen könnten. Der Eine von ihnen, ein dänischer Edel¬<lb/> mann, Enevold v. Brandt, nur wenig jünger als Struensee, hatte früher die<lb/> Stelle eines Kammerjunkers und Assessors des höchsten Gerichtshofes in Kopen¬<lb/> hagen bekleidet, war aber in demselben Jahre, in welchem Struensee zum Reisearzt</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0068]
oft fröhlich bis zur Ausgelassenheit und erlaubte sich Extravaganzen, die die
Grenzlinie des ewig Weiblichen mitunter überschritten. Struensee war ihr
steter Gesellschafter. Er allein durfte sie bei ihren Ausflügen und Jagdritten
begleiten. Sie zeichnete ihn sichtbar aus, wo und wie sie nur konnte. Und
dem entsprach der freie, legere Ton, den er gegen sie anschlug. Seine Sicher¬
heit und Keckheit verriethen dentlich, daß er ihrer Gunst unwandelbar vertrauen
durfte. Bei alledem verhielt sich Christian seinem indolenten Charakter gemäß
vollständig passiv. Er wußte, daß Struensee der Geliebte seiner Gemahlin war,
er sprach es auch aus, aber er fand nichts dagegen zu erinnern. Eifersucht
hatte er nie gekannt, und, wenn wir aus einer Aeußerung schließen dürfen, die
er schon als Knabe von dreizehn Jahren that, so war es geradezu sein Grund¬
satz, daß seine Frau berechtigt sei, die gleiche Freiheit zu genießen, die er
selbst sich genommen hatte. Zudem war sein Zutrauen zu Struensee immer
mehr gewachsen. Er dankte es ihm, daß die Königin ihre abwehrende Haltung
gegen ihn aufgegeben und so freundlich und zuvorkommend gegen ihn war, er
sympathisirte mit ihm in der Neigung, die steife Hofetikette, gegen die er stets
Widerwillen gehabt, über Bord zu werfen, vor allem aber, er empfand einen
unbegrenzten Respekt vor Struensee's Geist und Fähigkeiten. Er nannte ihn
sogar manchmal den „König von Preußen", und das wollte viel sagen, denn
sein großer Zeitgenosse Friedrich II. erschien ihm als eine Art von Ideal, dem nach¬
eifern zu können, er sich gelegentlich einbildete. Er wies daher Struensee auch
äußerlich einen Platz am Hose an, der diesem den persönlichen intimen Verkehr
mit beiden Majestäten zur Pflicht machte. Er ernannte ihn (im Frühjahr 1770)
zu seinem Vorleser, sowie zum Kabinetssekretär der Königin, und bald darauf
erhob er ihn zu dem Range eines Konferenzrathes.
Damit stand Struensee, durch ein beispielloses Glück emporgetragen, gleich¬
sam in der nächsten Nähe des Thrones. Gestützt auf die liebende Hingebung
der Königin und die absolute Fügsamkeit des Königs, beherrschte er den Hof.
Es galt nun, auch das Letzte und Höchste zu erreichen: die Alleinherrschaft im
Staate. Bereits im Sommer 1770 machte er sich an's Werk. Der erste vor¬
bereitende Schritt war die Berufung zweier Männer, die er sich als Helfer
ausersehen hatte, und die ihm in verschiedener Weise von Nutzen sein sollten.
Es waren dies zwei seiner intimsten Freunde aus der Altonaer Zeit, die beide
schon einmal am Hofe eine Rolle gespielt hatten, dann aber ungnädig verab¬
schiedet worden waren und daher den Augenblick herbeisehnten, wo sie ihre alte
Stellung wieder einnehmen könnten. Der Eine von ihnen, ein dänischer Edel¬
mann, Enevold v. Brandt, nur wenig jünger als Struensee, hatte früher die
Stelle eines Kammerjunkers und Assessors des höchsten Gerichtshofes in Kopen¬
hagen bekleidet, war aber in demselben Jahre, in welchem Struensee zum Reisearzt
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