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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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hauptung der Negative; das alles, weil die Schwarzseherei und das ihr ent¬
sprungene Hetzsystem in der Presse sich bis zum Verluste jeder objektiven Urtheils¬
fähigkeit gesteigert hat. Denn es genügt ja heute nicht mehr, daß etwas wirk¬
lich in die Erscheinung tritt; wenn es auch nur geschehen könnte, dann wird,
wie es bei dem Frankenstein'schen Antrage der Fall war, wo schließlich die
Glockenträgerin der Heerde selbst eingesteht, der Reichskanzler habe doch wohl
von diesem Antrage keine Ahnung gehabt, dieses möglicherweise Geschehende als
ein Geschehenes besprochen, bemäkelt, ausgebeutet, als wäre bereits das Sturm¬
zeichen gegeben zum Brande des Weltalls! Freilich, man soll dem Geschehen
vorzubeugen suchen. soll nicht warten, bis es zu spät ist, bis man vor vollen¬
deten Thatsachen steht, und "späte Klagen" nichts mehr nützen. Durch diesen
Pessimismus aber, diese Schwarzseherei um jeden Preis schafft man gerade die
Thatsachen, die zu verhindern man eifrig bestrebt sein sollte. Wenn wir heute
den Anbruch einer "reaktionären Aera" erlebten, die Macher derselben wären
allein diejenigen, welche sie durch ihre Unkenrufe heraufbeschwöre" haben.

Je mehr aber -- und hier stimmen wir vollständig mit der "Provinzial-
Korrespondenz" überein, mit deren eigenen Worten wir unsere Betrachtung
schließen -- "je mehr zu wünschen und zu hoffen ist, daß die große Zahl
wahrhaft patriotischer Elemente, welche sich der nationalen Führung mit dem
entschiedenen Willen einer ernsten Unterstützung der Regierung angeschlossen
haben, auch fernerhin einen lebendigen und wirksamen Antheil an der positiven
politischen Arbeit für das Reich nehmen, um fo dringender muß der Ruf an
die besonnenen Männer der liberalen Partei ergehen, sich endlich offen und be¬
stimmt von einer agitatorischen Oppositionshaltung loszusagen, welche die Partei
zu jeder praktischen Betheiligung an der weiteren Gestaltung der nationalen
Aufgaben unfähig macht."




Struensee.

Die moderne deutsche Geschichtsforschung und Geschichtschreibung hat
wiederum einen schönen Erfolg zu verzeichnen. In einem kürzlich unter dem
Titel "Struensee" erschienenen Werke (Veit K Co.) hat der durch mannigfache
wissenschaftliche Arbeiten rühmlich bekannte Historiker Karl Wittich die
Resultate ausgebreiteter Studien über den despotischen Aufklärungsminister
Christian's VII., dessen "Glück und Ende" einst ganz Europa in Aufregung
versetzte, niedergelegt, und man darf wohl sagen, daß uns in seinem Buche


hauptung der Negative; das alles, weil die Schwarzseherei und das ihr ent¬
sprungene Hetzsystem in der Presse sich bis zum Verluste jeder objektiven Urtheils¬
fähigkeit gesteigert hat. Denn es genügt ja heute nicht mehr, daß etwas wirk¬
lich in die Erscheinung tritt; wenn es auch nur geschehen könnte, dann wird,
wie es bei dem Frankenstein'schen Antrage der Fall war, wo schließlich die
Glockenträgerin der Heerde selbst eingesteht, der Reichskanzler habe doch wohl
von diesem Antrage keine Ahnung gehabt, dieses möglicherweise Geschehende als
ein Geschehenes besprochen, bemäkelt, ausgebeutet, als wäre bereits das Sturm¬
zeichen gegeben zum Brande des Weltalls! Freilich, man soll dem Geschehen
vorzubeugen suchen. soll nicht warten, bis es zu spät ist, bis man vor vollen¬
deten Thatsachen steht, und „späte Klagen" nichts mehr nützen. Durch diesen
Pessimismus aber, diese Schwarzseherei um jeden Preis schafft man gerade die
Thatsachen, die zu verhindern man eifrig bestrebt sein sollte. Wenn wir heute
den Anbruch einer „reaktionären Aera" erlebten, die Macher derselben wären
allein diejenigen, welche sie durch ihre Unkenrufe heraufbeschwöre» haben.

Je mehr aber — und hier stimmen wir vollständig mit der „Provinzial-
Korrespondenz" überein, mit deren eigenen Worten wir unsere Betrachtung
schließen — „je mehr zu wünschen und zu hoffen ist, daß die große Zahl
wahrhaft patriotischer Elemente, welche sich der nationalen Führung mit dem
entschiedenen Willen einer ernsten Unterstützung der Regierung angeschlossen
haben, auch fernerhin einen lebendigen und wirksamen Antheil an der positiven
politischen Arbeit für das Reich nehmen, um fo dringender muß der Ruf an
die besonnenen Männer der liberalen Partei ergehen, sich endlich offen und be¬
stimmt von einer agitatorischen Oppositionshaltung loszusagen, welche die Partei
zu jeder praktischen Betheiligung an der weiteren Gestaltung der nationalen
Aufgaben unfähig macht."




Struensee.

Die moderne deutsche Geschichtsforschung und Geschichtschreibung hat
wiederum einen schönen Erfolg zu verzeichnen. In einem kürzlich unter dem
Titel „Struensee" erschienenen Werke (Veit K Co.) hat der durch mannigfache
wissenschaftliche Arbeiten rühmlich bekannte Historiker Karl Wittich die
Resultate ausgebreiteter Studien über den despotischen Aufklärungsminister
Christian's VII., dessen „Glück und Ende" einst ganz Europa in Aufregung
versetzte, niedergelegt, und man darf wohl sagen, daß uns in seinem Buche


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[0059] hauptung der Negative; das alles, weil die Schwarzseherei und das ihr ent¬ sprungene Hetzsystem in der Presse sich bis zum Verluste jeder objektiven Urtheils¬ fähigkeit gesteigert hat. Denn es genügt ja heute nicht mehr, daß etwas wirk¬ lich in die Erscheinung tritt; wenn es auch nur geschehen könnte, dann wird, wie es bei dem Frankenstein'schen Antrage der Fall war, wo schließlich die Glockenträgerin der Heerde selbst eingesteht, der Reichskanzler habe doch wohl von diesem Antrage keine Ahnung gehabt, dieses möglicherweise Geschehende als ein Geschehenes besprochen, bemäkelt, ausgebeutet, als wäre bereits das Sturm¬ zeichen gegeben zum Brande des Weltalls! Freilich, man soll dem Geschehen vorzubeugen suchen. soll nicht warten, bis es zu spät ist, bis man vor vollen¬ deten Thatsachen steht, und „späte Klagen" nichts mehr nützen. Durch diesen Pessimismus aber, diese Schwarzseherei um jeden Preis schafft man gerade die Thatsachen, die zu verhindern man eifrig bestrebt sein sollte. Wenn wir heute den Anbruch einer „reaktionären Aera" erlebten, die Macher derselben wären allein diejenigen, welche sie durch ihre Unkenrufe heraufbeschwöre» haben. Je mehr aber — und hier stimmen wir vollständig mit der „Provinzial- Korrespondenz" überein, mit deren eigenen Worten wir unsere Betrachtung schließen — „je mehr zu wünschen und zu hoffen ist, daß die große Zahl wahrhaft patriotischer Elemente, welche sich der nationalen Führung mit dem entschiedenen Willen einer ernsten Unterstützung der Regierung angeschlossen haben, auch fernerhin einen lebendigen und wirksamen Antheil an der positiven politischen Arbeit für das Reich nehmen, um fo dringender muß der Ruf an die besonnenen Männer der liberalen Partei ergehen, sich endlich offen und be¬ stimmt von einer agitatorischen Oppositionshaltung loszusagen, welche die Partei zu jeder praktischen Betheiligung an der weiteren Gestaltung der nationalen Aufgaben unfähig macht." Struensee. Die moderne deutsche Geschichtsforschung und Geschichtschreibung hat wiederum einen schönen Erfolg zu verzeichnen. In einem kürzlich unter dem Titel „Struensee" erschienenen Werke (Veit K Co.) hat der durch mannigfache wissenschaftliche Arbeiten rühmlich bekannte Historiker Karl Wittich die Resultate ausgebreiteter Studien über den despotischen Aufklärungsminister Christian's VII., dessen „Glück und Ende" einst ganz Europa in Aufregung versetzte, niedergelegt, und man darf wohl sagen, daß uns in seinem Buche

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/59>, abgerufen am 09.11.2024.