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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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Alle Welt weiß, wie gründlich sie sich blcimirt haben. Wenn die Kunstgeschichte
so ersprießliche Lehren zu ertheilen vermag, sollte man sie nicht in vornehmer
Geringschätzung in den Wind schlagen.

Eine geschickte Mache reicht zur Lösung der höchsten Aufgaben nicht hin,
wenn sie nicht von einer starken geistigen Kraft belebt wird. Man kann sich
keinen schärferen Gegensatz zu Werner's Bild denken, als wenn man ihm die
neueste Schöpfung Otto Knille's, auch eines Akademielehrers, der jedoch nur
die Antikenklasse leitet, gegenüberstellt. Knille hat, Dank der Fürsorge, welche
die preußische Staatsregierung neuerdings der Pflege der monumentalen und
dekorativen Kunst widmet, den Auftrag erhalten, in einem großen friesartigen
Gemälde die geistigen Kulturen des Alterthums, des Mittelalters, des Refor¬
mationszeitalters und der Neuzeit in Athen, Paris, Wittenberg und Berlin
zu versinnbildlichen. 1876 erschien der erste Theil dieses Cyclus auf der
Ausstellung, nicht zum Vortheil des Gesammteindrucks in zwei Hälften
getheilt, da die gymnastische und geistige Bildung, nach den Begriffen der
Alten von einander unzertrennlich, zur Darstellung gelangen mußte. In
dem zweiten jetzt vollendeten Gemälde, welches eine Disputation von Lehrern
der Sorbonne vor Ludwig dem Heiligen darstellt, wird die Komposition durch
diesen immerhin mißlichen Umstand in ihrer Wirkung nicht beeinträchtigt.
Mit feinstem Verständniß ist der Künstler in die Bedingungen und in die
Gesetze des monumentalen Stils eingedrungen, mit feinstem Takt hat er das
richtige Verhältniß zwischen Farbe und Zeichnung getroffen und in den Um¬
rißlinien der sich vom Goldgrund abhebenden Komposition ein Gefühl für monu¬
mentale Würde bekundet, welches A. v. Werner, wie z. B. feine Entwürfe für
den Rathhaussaal von Saarbrücken und selbst seine Dekorationen für die Sieges¬
säule beweisen, fast gänzlich abgeht. In der Mitte, hinter dem Throne des
aufmerksam dem Wortgefechte lauschenden Königs, ist der Goldgrund dnrch
einen herabhängenden Teppich unterbrochen, wodurch dem Zentrum der Kom¬
position auch in der koloristischen Haltung eine größere Ruhe gewahrt wird,
während die unruhig glänzende, goldene Fläche auf beiden Seiten für die in
Hitze gerathenen disputirenden Dominikaner einen passenden Hintergrund ab¬
gibt. Rechts 'vom Könige scheinen die Vertreter starrer Dogmatik ihren Platz
zu haben. Vor dem kunstvoll ausgelegten Katheder des Disputanten, dem auf
der anderen Seite in streng symmetrischer Anordnung das des Gegners ent¬
spricht, sitzt ein Bischof in prachtvollsten Ornat, ein aufgeschlagenes Buch auf
den Knieen haltend, ein Prototyp pfäffischer Bornirtheit, ein warm kolorirter
Schädel, mit dem man Mauern einrennen könnte. Wenn sich das Auge mit
Verachtung von diesem wohlbeleibten Fanatiker abwendet, haftet es mit desto
größerem Vergnügen auf seiner Gewandung, welche der Meister nicht ohne


Alle Welt weiß, wie gründlich sie sich blcimirt haben. Wenn die Kunstgeschichte
so ersprießliche Lehren zu ertheilen vermag, sollte man sie nicht in vornehmer
Geringschätzung in den Wind schlagen.

Eine geschickte Mache reicht zur Lösung der höchsten Aufgaben nicht hin,
wenn sie nicht von einer starken geistigen Kraft belebt wird. Man kann sich
keinen schärferen Gegensatz zu Werner's Bild denken, als wenn man ihm die
neueste Schöpfung Otto Knille's, auch eines Akademielehrers, der jedoch nur
die Antikenklasse leitet, gegenüberstellt. Knille hat, Dank der Fürsorge, welche
die preußische Staatsregierung neuerdings der Pflege der monumentalen und
dekorativen Kunst widmet, den Auftrag erhalten, in einem großen friesartigen
Gemälde die geistigen Kulturen des Alterthums, des Mittelalters, des Refor¬
mationszeitalters und der Neuzeit in Athen, Paris, Wittenberg und Berlin
zu versinnbildlichen. 1876 erschien der erste Theil dieses Cyclus auf der
Ausstellung, nicht zum Vortheil des Gesammteindrucks in zwei Hälften
getheilt, da die gymnastische und geistige Bildung, nach den Begriffen der
Alten von einander unzertrennlich, zur Darstellung gelangen mußte. In
dem zweiten jetzt vollendeten Gemälde, welches eine Disputation von Lehrern
der Sorbonne vor Ludwig dem Heiligen darstellt, wird die Komposition durch
diesen immerhin mißlichen Umstand in ihrer Wirkung nicht beeinträchtigt.
Mit feinstem Verständniß ist der Künstler in die Bedingungen und in die
Gesetze des monumentalen Stils eingedrungen, mit feinstem Takt hat er das
richtige Verhältniß zwischen Farbe und Zeichnung getroffen und in den Um¬
rißlinien der sich vom Goldgrund abhebenden Komposition ein Gefühl für monu¬
mentale Würde bekundet, welches A. v. Werner, wie z. B. feine Entwürfe für
den Rathhaussaal von Saarbrücken und selbst seine Dekorationen für die Sieges¬
säule beweisen, fast gänzlich abgeht. In der Mitte, hinter dem Throne des
aufmerksam dem Wortgefechte lauschenden Königs, ist der Goldgrund dnrch
einen herabhängenden Teppich unterbrochen, wodurch dem Zentrum der Kom¬
position auch in der koloristischen Haltung eine größere Ruhe gewahrt wird,
während die unruhig glänzende, goldene Fläche auf beiden Seiten für die in
Hitze gerathenen disputirenden Dominikaner einen passenden Hintergrund ab¬
gibt. Rechts 'vom Könige scheinen die Vertreter starrer Dogmatik ihren Platz
zu haben. Vor dem kunstvoll ausgelegten Katheder des Disputanten, dem auf
der anderen Seite in streng symmetrischer Anordnung das des Gegners ent¬
spricht, sitzt ein Bischof in prachtvollsten Ornat, ein aufgeschlagenes Buch auf
den Knieen haltend, ein Prototyp pfäffischer Bornirtheit, ein warm kolorirter
Schädel, mit dem man Mauern einrennen könnte. Wenn sich das Auge mit
Verachtung von diesem wohlbeleibten Fanatiker abwendet, haftet es mit desto
größerem Vergnügen auf seiner Gewandung, welche der Meister nicht ohne


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/461>, abgerufen am 27.11.2024.