Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite

leisen Humor dazu ausersehen hat, um seine koloristische Virtuosität an ihr zu
erproben. Man kennt die bewunderungswürdige Skala von Purpurtönen,
welche der Schöpfer von "Tanhäuser und Venus" beherrscht. Auf der Stola
des Pfaffen, der mit schlecht verhehlter Entrüstung auf den Widersacher seiner
Partei vernichtende Blicke schleudert, hat Knille den vollsten Glanz seiner Kolo-
ristik entfaltet, als wollte er den bornirten Fanatiker für seinen sonstigen Defekt
entschädigen. Hinter dem streitenden Dominikaner zur Linken des Königs, auf
dem der sinnende Blick des letzteren haftet, erscheint bereits die Morgenröthe
einer neuen Kultur: Dante, das Universalgenie des Mittelalters, der schon
den Uebergang von der scholastischen Philosophie zur mittelalterlichen Weisheit
vermittelt. Der Anachronismus, der in der Verbindung Dante's (geb. 1265)
mit Ludwig dem Heiligen (gestorben 1270) liegt, wirkt deshalb nicht störend,
weil statt der realistischen Ausfassung des Geschichtsbildes eine mehr symbo¬
lisch-typische gewählt ist. Das hat den Künstler jedoch nicht verhindert, die
Köpfe mit feinen charakteristischen Zügen auszustatten und je nach seinen In¬
tentionen sie geistig zu beleben oder sie zum Reflexspiegel eines sinnlosen
Fanatismus zu machen. Niemals hat er jedoch vergessen, daß die Würde des
monumentalen Stils auch bei den niedrigsten Objekten Adel der Formengebung
und Vornehmheit des Tons verlangt, und so vereinigen sich alle maßgebenden
Faktoren zu einer großartigen, imponirenden Gesammtwirkung, welche das Ge¬
mälde zu einer der besten historischen Schöpfungen der Neuzeit macht.

Freilich bin ich überzeugt, daß auch dieses Werk vor den Augen der "Ver¬
bindung für historische Kunst", welche seit 25 Jahren verzweifelte, aber vergeb¬
liche Anstrengungen macht, die Historienmalerei in Deutschland zu heben, keine
Gnade gefunden hätte, wie alle übrigen, welche Ende August vor der hoch¬
würdigen Körperschaft zu geneigter Prüfung versammelt waren. Seit zwei
Menschenaltern plagt man sich in Deutschland mit einem aesthetischen Paragraphen
herum, der in den Augen aller Vorurtheilsfreien Leute längst seine Geltung ver¬
loren hat. Man gibt sich die erdenklichste Mühe vor der Welt, die akademischen
Zöpfe abzuschneiden; aber an dem dicksten Zopf, daß die Historienmalerei das
^ und ^ der Kunst sei, gehen die Herren blind vorüber. So fristet, von
veralteten und im Prinzip verkehrten Statuten eingezwängt, die "Verbindung
für historische Kunst" ein klägliches Dasein und, statt gute Bilder zu Prämiiren
und anzukaufen, welches Thema sie auch behandeln mögen, wird Jahr aus
Jahr ein irgend ein mühsam zusammengeqnältes Bild mit bunt maskirten
Figuren, die sich unter irgend einem historischen Vorwand auf einer Leinwand
versammelt haben, aus Vereinsmitteln angekauft und dem deutschen Volke als
die "Blüthe seiner Historienmalerei" präsentirt. Wir wollen den ehrenwerthen
Mitgliedern dieser Verbindung nicht zu nahe treten, aber die letzte von ihnen


leisen Humor dazu ausersehen hat, um seine koloristische Virtuosität an ihr zu
erproben. Man kennt die bewunderungswürdige Skala von Purpurtönen,
welche der Schöpfer von „Tanhäuser und Venus" beherrscht. Auf der Stola
des Pfaffen, der mit schlecht verhehlter Entrüstung auf den Widersacher seiner
Partei vernichtende Blicke schleudert, hat Knille den vollsten Glanz seiner Kolo-
ristik entfaltet, als wollte er den bornirten Fanatiker für seinen sonstigen Defekt
entschädigen. Hinter dem streitenden Dominikaner zur Linken des Königs, auf
dem der sinnende Blick des letzteren haftet, erscheint bereits die Morgenröthe
einer neuen Kultur: Dante, das Universalgenie des Mittelalters, der schon
den Uebergang von der scholastischen Philosophie zur mittelalterlichen Weisheit
vermittelt. Der Anachronismus, der in der Verbindung Dante's (geb. 1265)
mit Ludwig dem Heiligen (gestorben 1270) liegt, wirkt deshalb nicht störend,
weil statt der realistischen Ausfassung des Geschichtsbildes eine mehr symbo¬
lisch-typische gewählt ist. Das hat den Künstler jedoch nicht verhindert, die
Köpfe mit feinen charakteristischen Zügen auszustatten und je nach seinen In¬
tentionen sie geistig zu beleben oder sie zum Reflexspiegel eines sinnlosen
Fanatismus zu machen. Niemals hat er jedoch vergessen, daß die Würde des
monumentalen Stils auch bei den niedrigsten Objekten Adel der Formengebung
und Vornehmheit des Tons verlangt, und so vereinigen sich alle maßgebenden
Faktoren zu einer großartigen, imponirenden Gesammtwirkung, welche das Ge¬
mälde zu einer der besten historischen Schöpfungen der Neuzeit macht.

Freilich bin ich überzeugt, daß auch dieses Werk vor den Augen der „Ver¬
bindung für historische Kunst", welche seit 25 Jahren verzweifelte, aber vergeb¬
liche Anstrengungen macht, die Historienmalerei in Deutschland zu heben, keine
Gnade gefunden hätte, wie alle übrigen, welche Ende August vor der hoch¬
würdigen Körperschaft zu geneigter Prüfung versammelt waren. Seit zwei
Menschenaltern plagt man sich in Deutschland mit einem aesthetischen Paragraphen
herum, der in den Augen aller Vorurtheilsfreien Leute längst seine Geltung ver¬
loren hat. Man gibt sich die erdenklichste Mühe vor der Welt, die akademischen
Zöpfe abzuschneiden; aber an dem dicksten Zopf, daß die Historienmalerei das
^ und ^ der Kunst sei, gehen die Herren blind vorüber. So fristet, von
veralteten und im Prinzip verkehrten Statuten eingezwängt, die „Verbindung
für historische Kunst" ein klägliches Dasein und, statt gute Bilder zu Prämiiren
und anzukaufen, welches Thema sie auch behandeln mögen, wird Jahr aus
Jahr ein irgend ein mühsam zusammengeqnältes Bild mit bunt maskirten
Figuren, die sich unter irgend einem historischen Vorwand auf einer Leinwand
versammelt haben, aus Vereinsmitteln angekauft und dem deutschen Volke als
die „Blüthe seiner Historienmalerei" präsentirt. Wir wollen den ehrenwerthen
Mitgliedern dieser Verbindung nicht zu nahe treten, aber die letzte von ihnen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0462" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/142959"/>
          <p xml:id="ID_1365" prev="#ID_1364"> leisen Humor dazu ausersehen hat, um seine koloristische Virtuosität an ihr zu<lb/>
erproben. Man kennt die bewunderungswürdige Skala von Purpurtönen,<lb/>
welche der Schöpfer von &#x201E;Tanhäuser und Venus" beherrscht. Auf der Stola<lb/>
des Pfaffen, der mit schlecht verhehlter Entrüstung auf den Widersacher seiner<lb/>
Partei vernichtende Blicke schleudert, hat Knille den vollsten Glanz seiner Kolo-<lb/>
ristik entfaltet, als wollte er den bornirten Fanatiker für seinen sonstigen Defekt<lb/>
entschädigen. Hinter dem streitenden Dominikaner zur Linken des Königs, auf<lb/>
dem der sinnende Blick des letzteren haftet, erscheint bereits die Morgenröthe<lb/>
einer neuen Kultur: Dante, das Universalgenie des Mittelalters, der schon<lb/>
den Uebergang von der scholastischen Philosophie zur mittelalterlichen Weisheit<lb/>
vermittelt. Der Anachronismus, der in der Verbindung Dante's (geb. 1265)<lb/>
mit Ludwig dem Heiligen (gestorben 1270) liegt, wirkt deshalb nicht störend,<lb/>
weil statt der realistischen Ausfassung des Geschichtsbildes eine mehr symbo¬<lb/>
lisch-typische gewählt ist. Das hat den Künstler jedoch nicht verhindert, die<lb/>
Köpfe mit feinen charakteristischen Zügen auszustatten und je nach seinen In¬<lb/>
tentionen sie geistig zu beleben oder sie zum Reflexspiegel eines sinnlosen<lb/>
Fanatismus zu machen. Niemals hat er jedoch vergessen, daß die Würde des<lb/>
monumentalen Stils auch bei den niedrigsten Objekten Adel der Formengebung<lb/>
und Vornehmheit des Tons verlangt, und so vereinigen sich alle maßgebenden<lb/>
Faktoren zu einer großartigen, imponirenden Gesammtwirkung, welche das Ge¬<lb/>
mälde zu einer der besten historischen Schöpfungen der Neuzeit macht.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1366" next="#ID_1367"> Freilich bin ich überzeugt, daß auch dieses Werk vor den Augen der &#x201E;Ver¬<lb/>
bindung für historische Kunst", welche seit 25 Jahren verzweifelte, aber vergeb¬<lb/>
liche Anstrengungen macht, die Historienmalerei in Deutschland zu heben, keine<lb/>
Gnade gefunden hätte, wie alle übrigen, welche Ende August vor der hoch¬<lb/>
würdigen Körperschaft zu geneigter Prüfung versammelt waren. Seit zwei<lb/>
Menschenaltern plagt man sich in Deutschland mit einem aesthetischen Paragraphen<lb/>
herum, der in den Augen aller Vorurtheilsfreien Leute längst seine Geltung ver¬<lb/>
loren hat. Man gibt sich die erdenklichste Mühe vor der Welt, die akademischen<lb/>
Zöpfe abzuschneiden; aber an dem dicksten Zopf, daß die Historienmalerei das<lb/>
^ und ^ der Kunst sei, gehen die Herren blind vorüber. So fristet, von<lb/>
veralteten und im Prinzip verkehrten Statuten eingezwängt, die &#x201E;Verbindung<lb/>
für historische Kunst" ein klägliches Dasein und, statt gute Bilder zu Prämiiren<lb/>
und anzukaufen, welches Thema sie auch behandeln mögen, wird Jahr aus<lb/>
Jahr ein irgend ein mühsam zusammengeqnältes Bild mit bunt maskirten<lb/>
Figuren, die sich unter irgend einem historischen Vorwand auf einer Leinwand<lb/>
versammelt haben, aus Vereinsmitteln angekauft und dem deutschen Volke als<lb/>
die &#x201E;Blüthe seiner Historienmalerei" präsentirt. Wir wollen den ehrenwerthen<lb/>
Mitgliedern dieser Verbindung nicht zu nahe treten, aber die letzte von ihnen</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0462] leisen Humor dazu ausersehen hat, um seine koloristische Virtuosität an ihr zu erproben. Man kennt die bewunderungswürdige Skala von Purpurtönen, welche der Schöpfer von „Tanhäuser und Venus" beherrscht. Auf der Stola des Pfaffen, der mit schlecht verhehlter Entrüstung auf den Widersacher seiner Partei vernichtende Blicke schleudert, hat Knille den vollsten Glanz seiner Kolo- ristik entfaltet, als wollte er den bornirten Fanatiker für seinen sonstigen Defekt entschädigen. Hinter dem streitenden Dominikaner zur Linken des Königs, auf dem der sinnende Blick des letzteren haftet, erscheint bereits die Morgenröthe einer neuen Kultur: Dante, das Universalgenie des Mittelalters, der schon den Uebergang von der scholastischen Philosophie zur mittelalterlichen Weisheit vermittelt. Der Anachronismus, der in der Verbindung Dante's (geb. 1265) mit Ludwig dem Heiligen (gestorben 1270) liegt, wirkt deshalb nicht störend, weil statt der realistischen Ausfassung des Geschichtsbildes eine mehr symbo¬ lisch-typische gewählt ist. Das hat den Künstler jedoch nicht verhindert, die Köpfe mit feinen charakteristischen Zügen auszustatten und je nach seinen In¬ tentionen sie geistig zu beleben oder sie zum Reflexspiegel eines sinnlosen Fanatismus zu machen. Niemals hat er jedoch vergessen, daß die Würde des monumentalen Stils auch bei den niedrigsten Objekten Adel der Formengebung und Vornehmheit des Tons verlangt, und so vereinigen sich alle maßgebenden Faktoren zu einer großartigen, imponirenden Gesammtwirkung, welche das Ge¬ mälde zu einer der besten historischen Schöpfungen der Neuzeit macht. Freilich bin ich überzeugt, daß auch dieses Werk vor den Augen der „Ver¬ bindung für historische Kunst", welche seit 25 Jahren verzweifelte, aber vergeb¬ liche Anstrengungen macht, die Historienmalerei in Deutschland zu heben, keine Gnade gefunden hätte, wie alle übrigen, welche Ende August vor der hoch¬ würdigen Körperschaft zu geneigter Prüfung versammelt waren. Seit zwei Menschenaltern plagt man sich in Deutschland mit einem aesthetischen Paragraphen herum, der in den Augen aller Vorurtheilsfreien Leute längst seine Geltung ver¬ loren hat. Man gibt sich die erdenklichste Mühe vor der Welt, die akademischen Zöpfe abzuschneiden; aber an dem dicksten Zopf, daß die Historienmalerei das ^ und ^ der Kunst sei, gehen die Herren blind vorüber. So fristet, von veralteten und im Prinzip verkehrten Statuten eingezwängt, die „Verbindung für historische Kunst" ein klägliches Dasein und, statt gute Bilder zu Prämiiren und anzukaufen, welches Thema sie auch behandeln mögen, wird Jahr aus Jahr ein irgend ein mühsam zusammengeqnältes Bild mit bunt maskirten Figuren, die sich unter irgend einem historischen Vorwand auf einer Leinwand versammelt haben, aus Vereinsmitteln angekauft und dem deutschen Volke als die „Blüthe seiner Historienmalerei" präsentirt. Wir wollen den ehrenwerthen Mitgliedern dieser Verbindung nicht zu nahe treten, aber die letzte von ihnen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/462
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/462>, abgerufen am 27.07.2024.