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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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österreichischen Volkes an seinen guten und gerechten Landesvater vor aller
Welt kundzuthun und in den Herzen aller guten Oesterreicher jenen edlen
Nationalstolz zu wecken, der zur energischen Ausführung jeder von dem Landes-
fürsten als nützlich erkannten Maßregel unentbehrlich sei". Er wandte sich
dann "an ihren unsterblichen Landsmann Haydn, den er allein fähig hielt,
etwas zu machen, das dem englischen 6va savs ins KinZ gleich komme".

In der That, weit über seine beschränkte Absicht hinaus hat der Meister
hier den edelsten deutschen Volksgeist geweckt und in einem schönen Gefäße
gesammelt. Haydn hatte auch die englische Nationalhymne in London gesetzt:
es war ihm mehr als einmal bei öffentlichen Festen Gelegenheit geworden, die
tiefe Anhänglichkeit der Engländer an ihr Königshaus in schönster Weise kennen
zu lernen. Er selbst hatte seine Treue gegen das Vaterland in mancher
scharfen Prüfung bewähren müssen. Der wiederholte lange Aufenthalt in der
Fremde war gleichfalls nur geeignet, ihm zum Bewußtsein zu bringen, was
seine österreichische Heimat, was Deutschland ihm waren. Dazu bildete die
Musik nicht blos seine eigene, sondern auch seines Volkes ureigenste Sprache,
und er, der schon in der Kindheit vom Volke selbst das Lied gelernt hatte,
war auch der erste gewesen, der es in würdigster und erfreuendster Weise in ti^
Kunstmusik einführte. So war, wenn jemals, sein volles Herz bei dieser Kom¬
position, und der Auftrag dazu kam ihm ja sozusagen unmittelbar von seinem
Kaiser! Noch weit über das 6ock sg,of elf KiriA hinaus ist daher auch das
"Gott erhalte Franz den Kaiser" der volle Ausbruch des gesammten Volks¬
empfindens. Und wie nicht "Heil Dir im Siegerkranz" oder sonst irgend ein parti¬
kuläres Vaterlandslied die deutsche Volkshymne werden konnte, sondern that¬
sächlich zunächst das Lied "Deutschland, Deutschland über alles" es geworden
ist, so ist auch dieses letztere zu Haydn's Melodie gedichtet und ohne Zweifel
vor allem dadurch so rasch und allgemein als deutsche Volkshymne an- und
aufgenommen worden. Das deutsche Volk empfindet hier ein Stück seines
Wesens, ja dieses ist in seinem innersten Kern ausgesprochen, so wie es einzig
die Musik vermag. Es gibt keine reichere und empfindunggesättigtere Volks¬
hymne als diese. Das an sich so schöne (-lock savs tus NuA, von dem Beethoven
schrieb, er müsse den Engländern einmal zeigen, was für ein Segen in dieser
Melodie sei, erscheint arm und mager gegenüber der Fülle und Mannigfaltigkeit
melodisch-rhythmischer Gestaltung in dem Haydn'schen Liede. Gleich im zweiten
Verse spricht die Melodie in schönster Erathmung jene wunderbare Erhebung
aus, die das Herz ergreift, wenn es sich eins weiß mit dem besten Herzschläge
seines Volkes, und die korrespondirende Stelle des zweiten Theils, der Gipfel¬
punkt des Ganzen, läßt eben dieses erhebende Gefühl wie mit tausend und
abertausend Sinnen zum Dank des Ewigen emporschwellen. Der Bau der


österreichischen Volkes an seinen guten und gerechten Landesvater vor aller
Welt kundzuthun und in den Herzen aller guten Oesterreicher jenen edlen
Nationalstolz zu wecken, der zur energischen Ausführung jeder von dem Landes-
fürsten als nützlich erkannten Maßregel unentbehrlich sei". Er wandte sich
dann „an ihren unsterblichen Landsmann Haydn, den er allein fähig hielt,
etwas zu machen, das dem englischen 6va savs ins KinZ gleich komme".

In der That, weit über seine beschränkte Absicht hinaus hat der Meister
hier den edelsten deutschen Volksgeist geweckt und in einem schönen Gefäße
gesammelt. Haydn hatte auch die englische Nationalhymne in London gesetzt:
es war ihm mehr als einmal bei öffentlichen Festen Gelegenheit geworden, die
tiefe Anhänglichkeit der Engländer an ihr Königshaus in schönster Weise kennen
zu lernen. Er selbst hatte seine Treue gegen das Vaterland in mancher
scharfen Prüfung bewähren müssen. Der wiederholte lange Aufenthalt in der
Fremde war gleichfalls nur geeignet, ihm zum Bewußtsein zu bringen, was
seine österreichische Heimat, was Deutschland ihm waren. Dazu bildete die
Musik nicht blos seine eigene, sondern auch seines Volkes ureigenste Sprache,
und er, der schon in der Kindheit vom Volke selbst das Lied gelernt hatte,
war auch der erste gewesen, der es in würdigster und erfreuendster Weise in ti^
Kunstmusik einführte. So war, wenn jemals, sein volles Herz bei dieser Kom¬
position, und der Auftrag dazu kam ihm ja sozusagen unmittelbar von seinem
Kaiser! Noch weit über das 6ock sg,of elf KiriA hinaus ist daher auch das
„Gott erhalte Franz den Kaiser" der volle Ausbruch des gesammten Volks¬
empfindens. Und wie nicht „Heil Dir im Siegerkranz" oder sonst irgend ein parti¬
kuläres Vaterlandslied die deutsche Volkshymne werden konnte, sondern that¬
sächlich zunächst das Lied „Deutschland, Deutschland über alles" es geworden
ist, so ist auch dieses letztere zu Haydn's Melodie gedichtet und ohne Zweifel
vor allem dadurch so rasch und allgemein als deutsche Volkshymne an- und
aufgenommen worden. Das deutsche Volk empfindet hier ein Stück seines
Wesens, ja dieses ist in seinem innersten Kern ausgesprochen, so wie es einzig
die Musik vermag. Es gibt keine reichere und empfindunggesättigtere Volks¬
hymne als diese. Das an sich so schöne (-lock savs tus NuA, von dem Beethoven
schrieb, er müsse den Engländern einmal zeigen, was für ein Segen in dieser
Melodie sei, erscheint arm und mager gegenüber der Fülle und Mannigfaltigkeit
melodisch-rhythmischer Gestaltung in dem Haydn'schen Liede. Gleich im zweiten
Verse spricht die Melodie in schönster Erathmung jene wunderbare Erhebung
aus, die das Herz ergreift, wenn es sich eins weiß mit dem besten Herzschläge
seines Volkes, und die korrespondirende Stelle des zweiten Theils, der Gipfel¬
punkt des Ganzen, läßt eben dieses erhebende Gefühl wie mit tausend und
abertausend Sinnen zum Dank des Ewigen emporschwellen. Der Bau der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/451>, abgerufen am 27.11.2024.