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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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"Wir möchten nun doch auch ein Oratorium von Ihnen hören, lieber
Haydn", sagte dann eines Tages der aus Mozart's und Beethoven's Leben
bekannte Baron van Smieten, der auch ihm schon lange Zeit bekannt war.
"Er unterstützte mich zuweilen mit ein paar Ducaten und schenkte mir auch
einen bequemen Reisewagen zur zweiten Reise nach England", hat Haydn selbst
erzählt. Der kaiserliche Bibliotheksdirektor van Swieten aber war zugleich
Sekretär einer Adelsgesellschaft, deren Theilhaber den vollen Klang jener Namen
zeigen, die den allermusikalischsten Adel Europa's ausmachten, jener Esterhazy,
Lobkowitz, Kinsky, Lichnowsky, Schwarzenberg, Auersperg, Trautmannsdorf
und anderer. Seit Jahren pflegten diese in dem schönen Bibliothekssaale der
kaiserlichen Burg größere Gesangswerke aufzuführen. Händel war der bevorzugte
Liebling, Mozart hatte für ihre Konzerte "Acis und Galathea", die "Cäcilien-Ode",
den "Messias" und das "Alexanderfest" bearbeitet. Man besaß damals oder
kannte doch nichts Aehnliches für Deutschland. Sebastian Bach war, namentlich
für Wien, noch nicht entdeckt, Haydn's "Rückkehr des Tobias" wie Mozart's
og,viääs xeriiwQts in einem Stile geschrieben, den man schon in der Oper
besaß, und das "Requiem" war zwar schon vorhanden, auch aufgeführt, stand
aber eben einzig in seiner Art da. Dagegen zog die "Zauberflöte" jahraus
jahrein Tausende ins Theater. Warum konnte man nicht ähnliche rein
deutsche Musik auch im Konzertsaale hören? War doch in diesem Werke eben¬
falls ein Stück Schöpfung mit allerhand Gethier und Wesen, mit dem Paradies
und dem feierlich geprüfte" Liebespaare Pamina und Tamino gegeben, und wie
viel mannigfaltiger erschienen die Lebensbilder in dem Schöpfungsgedichte
Lidley's selbst, das Haydn in den Händen und van Swieten bereits gezeigt
hatte! Die Gesellschaft bot ihm also ohne Zweifel auf van Swieten's Anregung
ein Honorar von 500 Dukaten, und dieser selbst machte sich an die Bearbei¬
tung des englischen Textes. Drei Jahre später war das volksthümlichste aller
Oratorienwerke, die "Schöpfung", vollendet.

Dazwischen aber fällt -- abgesehen von der 1796 entstandenen Messe in
tsiuxors KÄU (in Kriegszeiten), deren ^.KQU3 am mit Pauken einsetzt, als höre
man den Feind schon in der Ferne kommen -- ein künstlerisches Ereigniß,
das wenn auch keineswegs entscheidend für die Tonkunst als solche, doch ihren
hehren Beruf, die Vorstellungen und Empfindungen ganzer Zeiten und Völker
zusammenzufassen und auf ein hohes Gesammtziel zu lenken, in der schönsten
Weise erfüllt: die Komposition von "Gott erhalte Franz den Kaiser".

Das weltberühmte, unvergleichlich schöne Lied hat seinen Entstehungsgrund
in den von Frankreich herüberdrängenden revolutionären Bewegungen jener
Jahre, die 1796 den k. k. Oberstkanzler Grafen Saurau bestimmten, ein Natio¬
nallied dichten zu lassen, das geeignet wäre, "die treue Anhänglichkeit des


„Wir möchten nun doch auch ein Oratorium von Ihnen hören, lieber
Haydn", sagte dann eines Tages der aus Mozart's und Beethoven's Leben
bekannte Baron van Smieten, der auch ihm schon lange Zeit bekannt war.
„Er unterstützte mich zuweilen mit ein paar Ducaten und schenkte mir auch
einen bequemen Reisewagen zur zweiten Reise nach England", hat Haydn selbst
erzählt. Der kaiserliche Bibliotheksdirektor van Swieten aber war zugleich
Sekretär einer Adelsgesellschaft, deren Theilhaber den vollen Klang jener Namen
zeigen, die den allermusikalischsten Adel Europa's ausmachten, jener Esterhazy,
Lobkowitz, Kinsky, Lichnowsky, Schwarzenberg, Auersperg, Trautmannsdorf
und anderer. Seit Jahren pflegten diese in dem schönen Bibliothekssaale der
kaiserlichen Burg größere Gesangswerke aufzuführen. Händel war der bevorzugte
Liebling, Mozart hatte für ihre Konzerte „Acis und Galathea", die „Cäcilien-Ode",
den „Messias" und das „Alexanderfest" bearbeitet. Man besaß damals oder
kannte doch nichts Aehnliches für Deutschland. Sebastian Bach war, namentlich
für Wien, noch nicht entdeckt, Haydn's „Rückkehr des Tobias" wie Mozart's
og,viääs xeriiwQts in einem Stile geschrieben, den man schon in der Oper
besaß, und das „Requiem" war zwar schon vorhanden, auch aufgeführt, stand
aber eben einzig in seiner Art da. Dagegen zog die „Zauberflöte" jahraus
jahrein Tausende ins Theater. Warum konnte man nicht ähnliche rein
deutsche Musik auch im Konzertsaale hören? War doch in diesem Werke eben¬
falls ein Stück Schöpfung mit allerhand Gethier und Wesen, mit dem Paradies
und dem feierlich geprüfte« Liebespaare Pamina und Tamino gegeben, und wie
viel mannigfaltiger erschienen die Lebensbilder in dem Schöpfungsgedichte
Lidley's selbst, das Haydn in den Händen und van Swieten bereits gezeigt
hatte! Die Gesellschaft bot ihm also ohne Zweifel auf van Swieten's Anregung
ein Honorar von 500 Dukaten, und dieser selbst machte sich an die Bearbei¬
tung des englischen Textes. Drei Jahre später war das volksthümlichste aller
Oratorienwerke, die „Schöpfung", vollendet.

Dazwischen aber fällt — abgesehen von der 1796 entstandenen Messe in
tsiuxors KÄU (in Kriegszeiten), deren ^.KQU3 am mit Pauken einsetzt, als höre
man den Feind schon in der Ferne kommen — ein künstlerisches Ereigniß,
das wenn auch keineswegs entscheidend für die Tonkunst als solche, doch ihren
hehren Beruf, die Vorstellungen und Empfindungen ganzer Zeiten und Völker
zusammenzufassen und auf ein hohes Gesammtziel zu lenken, in der schönsten
Weise erfüllt: die Komposition von „Gott erhalte Franz den Kaiser".

Das weltberühmte, unvergleichlich schöne Lied hat seinen Entstehungsgrund
in den von Frankreich herüberdrängenden revolutionären Bewegungen jener
Jahre, die 1796 den k. k. Oberstkanzler Grafen Saurau bestimmten, ein Natio¬
nallied dichten zu lassen, das geeignet wäre, „die treue Anhänglichkeit des


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/450>, abgerufen am 27.11.2024.