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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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diesen. 1639 hatten die Jesuiten sich in einer Stadt, die sie am Ufer des
Flusses Wye, nicht weit von der Matschedasch-Vucht des Huronensees erbauten,
eine Zentralstation für ihre Arbeiten geschaffen, die zugleich Festung, Waaren¬
lager, Hospital und Kloster sein sollte, und deren Lage nicht fern vom See
und in der Mitte des Missionsfeldes vortrefflich gewählt war. Die übrigen
Huronenstädte wurden von ihnen auf die Namen von Heiligen umgetauft und
das Land in vier Bezirke getheilt. Das Bekehrungswerk machte von da an,
namentlich in der Kriegszeit, immer bessere Fortschritte. Die Huronen hatten
mehrere Niederlagen erlitten und waren durch ihr Unglück und ihre Noth lenk¬
samer geworden. Nur die Priester des Gottes der Weißen konnten ihnen, so
schien es, aus ihrer immer verzweifelter werdenden Lage helfen, und so gab es
eine reiche Ernte von Bekehrten. In einigen Städten waren die Christen
bereits zahlreicher als die Heiden. Außer Sainte Marie, jener Zentral¬
stadt, hatten auch Ossossane, jetzt La Conception genannt, und die Orte
Se. Joseph, Se. Ignaz, Se. Michael und Se. Jean Baptiste jeder
ihre Kirche mit einem oder mehreren Priestern, ihrer Glocke und ihren heiligen
Geräthen und Bildern. Ueberall fand regelmäßiger katholischer Gottesdienst
mit Messe, Beichte, Hersagen des Katechismus und Abbeten des Rosenkranzes
statt. Zwar kamen auch jetzt noch Abfälle vor, und der Groll der beim Heiden-
thum verbliebenen machte sich in gelegentlichen Drohungen und 1648 in der
Ermordung eines im Dienste der Mission stehenden Franzosen Luft. Aber die
Christen hatten doch schon so sehr die Uebermacht gewonnen, daß gerade dieser
letztere Fall zu einer großen Versöhnungsszene zwischen den Parteien führte,
bei welcher der das Sühngeld bringende Redner des Huronenbundes aus¬
drücklich anerkannte, daß die Missionäre mit ihrer Gemeinde "die Stütze und
das Bollwerk der Nation" geworden wären, und ihr Mitleid anrief.

Sainte Marie war eine wohlbefestigte Burg, die an zwei Seiten eine
Mauer mit Bastionen hatte und nach dem Wasser hin mit Palissaden, einem
Graben und gleichfalls mit Bastionen geschützt war. Die Holzgebäude innerhalb
dieser Befestigung bestanden aus Lagerräumen, einer Kirche, einer Küche, einem
Refektorium, Räumen für den Unterricht und das religiöse Studium und
Wohnungen für sechzig Personen. Jenseits des Grabens stand ein riesiges, mit
einem Wassergraben und Palissaden eingefaßtes Haus zur Aufnahme indiani¬
scher Besucher und daneben ein Hospital. Die Wände der Gebäude wurden
von Balken und Brettern gebildet, die Schornsteine waren aus unbehauenen
Steinen erbaut. Die Kirche mit ihren Reichthümern war für die Indianer
ein Weltwunder. Die Burg hatte eine Besatzung von zwanzig französischen
Soldaten, und außerdem dienten zu ihrem Schutze noch mehrere französische
Händler, die, ohne Sold zu beziehen, im Nothfalle Waffendienst thun konnten.


diesen. 1639 hatten die Jesuiten sich in einer Stadt, die sie am Ufer des
Flusses Wye, nicht weit von der Matschedasch-Vucht des Huronensees erbauten,
eine Zentralstation für ihre Arbeiten geschaffen, die zugleich Festung, Waaren¬
lager, Hospital und Kloster sein sollte, und deren Lage nicht fern vom See
und in der Mitte des Missionsfeldes vortrefflich gewählt war. Die übrigen
Huronenstädte wurden von ihnen auf die Namen von Heiligen umgetauft und
das Land in vier Bezirke getheilt. Das Bekehrungswerk machte von da an,
namentlich in der Kriegszeit, immer bessere Fortschritte. Die Huronen hatten
mehrere Niederlagen erlitten und waren durch ihr Unglück und ihre Noth lenk¬
samer geworden. Nur die Priester des Gottes der Weißen konnten ihnen, so
schien es, aus ihrer immer verzweifelter werdenden Lage helfen, und so gab es
eine reiche Ernte von Bekehrten. In einigen Städten waren die Christen
bereits zahlreicher als die Heiden. Außer Sainte Marie, jener Zentral¬
stadt, hatten auch Ossossane, jetzt La Conception genannt, und die Orte
Se. Joseph, Se. Ignaz, Se. Michael und Se. Jean Baptiste jeder
ihre Kirche mit einem oder mehreren Priestern, ihrer Glocke und ihren heiligen
Geräthen und Bildern. Ueberall fand regelmäßiger katholischer Gottesdienst
mit Messe, Beichte, Hersagen des Katechismus und Abbeten des Rosenkranzes
statt. Zwar kamen auch jetzt noch Abfälle vor, und der Groll der beim Heiden-
thum verbliebenen machte sich in gelegentlichen Drohungen und 1648 in der
Ermordung eines im Dienste der Mission stehenden Franzosen Luft. Aber die
Christen hatten doch schon so sehr die Uebermacht gewonnen, daß gerade dieser
letztere Fall zu einer großen Versöhnungsszene zwischen den Parteien führte,
bei welcher der das Sühngeld bringende Redner des Huronenbundes aus¬
drücklich anerkannte, daß die Missionäre mit ihrer Gemeinde „die Stütze und
das Bollwerk der Nation" geworden wären, und ihr Mitleid anrief.

Sainte Marie war eine wohlbefestigte Burg, die an zwei Seiten eine
Mauer mit Bastionen hatte und nach dem Wasser hin mit Palissaden, einem
Graben und gleichfalls mit Bastionen geschützt war. Die Holzgebäude innerhalb
dieser Befestigung bestanden aus Lagerräumen, einer Kirche, einer Küche, einem
Refektorium, Räumen für den Unterricht und das religiöse Studium und
Wohnungen für sechzig Personen. Jenseits des Grabens stand ein riesiges, mit
einem Wassergraben und Palissaden eingefaßtes Haus zur Aufnahme indiani¬
scher Besucher und daneben ein Hospital. Die Wände der Gebäude wurden
von Balken und Brettern gebildet, die Schornsteine waren aus unbehauenen
Steinen erbaut. Die Kirche mit ihren Reichthümern war für die Indianer
ein Weltwunder. Die Burg hatte eine Besatzung von zwanzig französischen
Soldaten, und außerdem dienten zu ihrem Schutze noch mehrere französische
Händler, die, ohne Sold zu beziehen, im Nothfalle Waffendienst thun konnten.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/416>, abgerufen am 27.11.2024.