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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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im Jahre 1641 in die Hände einer irokesischen Streifpartie fiel, dem Missionär
Butaux erzählte.

Unter den Gefangenen befanden sich drei Frauen, die jede ein wenige
Monate altes Kind hatten. Beim ersten Rastplatze nahmen ihnen die Sieger
diese Kinder weg, banden sie an hölzerne Spieße, rösteten sie langsam am
Jener und fraßen sie dann vor den Augen der Mutter, deren Flehen und
deren verzweifelte Anstrengungen, ihre Fesseln zu zerreißen, mit Hohnlachen
beantwortet wurden. Als sie einige Tage nachher die erste Jrokesenstcidt er¬
reichten, brachte man die Gefangenen in ein Hans, um sie zu martern. Man
schlug sie mit Knitteln, stach sie mit Messern, schnitt ihnen mit Muschelschalen
Finger ab und versengte sie mit Feuerbränden. Die Frauen mußten nach dem
Gesänge der männlichen Gefangnen dazu tanzen. Am nächsten Morgen brachte
man sie, nachdem sie am Abend zuvor zur Stärkung für weitere Qualen mit
Speise versehen worden waren, angesichts der ganzen Einwohnerschaft auf ein
großes Holzgerüst, wo man sie wieder mit Pechfackeln und Kienspänen ver¬
sengte. Dann wurde den gefangenen Frauen befohlen, ihre Männer zu ver¬
brennen. Der stoische Muth des einen Gemarterten reizte seine Peiniger zur
Wuth. "Schrei doch! Warum schreist du nicht?" kreischten sie, indem sie ihm
Feuerbrände in den Leib stießen. "Seht," erwiederte er, "ihr könnt mich nicht
einmal zucken machen. Wäret ihr an meiner Stelle, so würdet ihr wie Säug¬
linge winseln." Sie fielen darauf mit verdoppelter Bosheit über ihn her, bis
ihre Messer und Brände ihm jede Aehnlichkeit mit einem Menschen nahmen.
Er trotzte ihnen bis zuletzt. Als der Tod ihn endlich befreite, rissen sie ihm
das Herz aus der Brust und verschlangen es. Dann zerhackten sie ihn in
Stücke und bereiteten aus seinen verstümmelten Gliedern ihr Triumphmahl.
Alle Männer und alle alten Weiber der Gesellschaft wurden in ähnlicher
Weise getödtet.

1644 schien es, als ob dieser entsetzliche Krieg ein Ende nehmen sollte.
Die Franzosen in Quebek hatten mit ihnen verbündete Algonquins bewogen,
einige von ihnen gefangen genommene Irokesen zu schonen und sie heimkehren
lassen. Die Folge war eine große Friedensgesandtschaft der Irokesen, an deren
Spitze der Häuptling Kiotsate stand. Nach langen wohlgesetzten Reden wurde
unter Austausch von Wampum-Gürteln wirklich Friede geschlossen. Aber einige
von den fünf Nationen des irokesischen Bundes erkannten ihn nicht an, und
schon im folgenden Jahre brach von neuem ein Krieg aus, in welchem die
Nation der Mohawls sich besonders hervorthat und wieder die schrecklichsten
Grausamkeiten verübt wurden. Die Wuth der Irokesen wendete sich diesmal
vorzüglich gegen die Huronen.

Unter dieser war die Jesuitenmission bis 1648 ganz außerordentlich ge-


Grenzboten III. 1379. 63

im Jahre 1641 in die Hände einer irokesischen Streifpartie fiel, dem Missionär
Butaux erzählte.

Unter den Gefangenen befanden sich drei Frauen, die jede ein wenige
Monate altes Kind hatten. Beim ersten Rastplatze nahmen ihnen die Sieger
diese Kinder weg, banden sie an hölzerne Spieße, rösteten sie langsam am
Jener und fraßen sie dann vor den Augen der Mutter, deren Flehen und
deren verzweifelte Anstrengungen, ihre Fesseln zu zerreißen, mit Hohnlachen
beantwortet wurden. Als sie einige Tage nachher die erste Jrokesenstcidt er¬
reichten, brachte man die Gefangenen in ein Hans, um sie zu martern. Man
schlug sie mit Knitteln, stach sie mit Messern, schnitt ihnen mit Muschelschalen
Finger ab und versengte sie mit Feuerbränden. Die Frauen mußten nach dem
Gesänge der männlichen Gefangnen dazu tanzen. Am nächsten Morgen brachte
man sie, nachdem sie am Abend zuvor zur Stärkung für weitere Qualen mit
Speise versehen worden waren, angesichts der ganzen Einwohnerschaft auf ein
großes Holzgerüst, wo man sie wieder mit Pechfackeln und Kienspänen ver¬
sengte. Dann wurde den gefangenen Frauen befohlen, ihre Männer zu ver¬
brennen. Der stoische Muth des einen Gemarterten reizte seine Peiniger zur
Wuth. „Schrei doch! Warum schreist du nicht?" kreischten sie, indem sie ihm
Feuerbrände in den Leib stießen. „Seht," erwiederte er, „ihr könnt mich nicht
einmal zucken machen. Wäret ihr an meiner Stelle, so würdet ihr wie Säug¬
linge winseln." Sie fielen darauf mit verdoppelter Bosheit über ihn her, bis
ihre Messer und Brände ihm jede Aehnlichkeit mit einem Menschen nahmen.
Er trotzte ihnen bis zuletzt. Als der Tod ihn endlich befreite, rissen sie ihm
das Herz aus der Brust und verschlangen es. Dann zerhackten sie ihn in
Stücke und bereiteten aus seinen verstümmelten Gliedern ihr Triumphmahl.
Alle Männer und alle alten Weiber der Gesellschaft wurden in ähnlicher
Weise getödtet.

1644 schien es, als ob dieser entsetzliche Krieg ein Ende nehmen sollte.
Die Franzosen in Quebek hatten mit ihnen verbündete Algonquins bewogen,
einige von ihnen gefangen genommene Irokesen zu schonen und sie heimkehren
lassen. Die Folge war eine große Friedensgesandtschaft der Irokesen, an deren
Spitze der Häuptling Kiotsate stand. Nach langen wohlgesetzten Reden wurde
unter Austausch von Wampum-Gürteln wirklich Friede geschlossen. Aber einige
von den fünf Nationen des irokesischen Bundes erkannten ihn nicht an, und
schon im folgenden Jahre brach von neuem ein Krieg aus, in welchem die
Nation der Mohawls sich besonders hervorthat und wieder die schrecklichsten
Grausamkeiten verübt wurden. Die Wuth der Irokesen wendete sich diesmal
vorzüglich gegen die Huronen.

Unter dieser war die Jesuitenmission bis 1648 ganz außerordentlich ge-


Grenzboten III. 1379. 63
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/415>, abgerufen am 27.07.2024.