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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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seiner Gattin die zuverlässigste Hilfe gehabt hätte. Das schiine, am Broglieplatz
gelegene Hans vereinigte bald wieder den alten, treuen Bekanntenkreis, und vor
allem widmete sich Lili der Erziehung ihrer zärtlich geliebten Kinder. Einzelne
von Graf Dürckheim mitgetheilte Briefe Lili's an ihre Söhne, die sie ihnen
später schrieb, nachdem jene das Elternhaus bereits verlassen, sind sprechende
Zeugnisse der Lebensklugheit, der adlichen Gesinnung und der allseitigen Ge¬
diegenheit des Charakters, die sie in der Erfüllung ihrer mütterlichen Aufgaben
an den Tag legte.

Im Jahre 1800 kaufte Türckheim seiner Gattin ein Landhaus in Krant-
ergersheim zwischen Straßburg und Barr, wo sie fortan in ländlicher Stille
die Sommermonate zubringen sollte, während Türckheim in Paris durch die
Kammerverhandlungen gefesselt war. "An der Nordostseite des Oertchens, er¬
zählt Graf Dürckheim, kam man durch hohe, uralte Kastanienbäume in einen
großen, geschlossenen Hof, an dessen rechte Seite sich eine alte Kapelle traulich
anschmiegte. Gegenüber lag ein niedliches einstöckiges Wohnhaus mit einem
Thürmchen als Treppengebäude an der linken Ecke. Stieg man die gewundene
steinerne Treppe hinauf, fo gelangte man in eine hübsche, mit alten Kupfer¬
stichen gezierte Hausflur; in gerader Richtung, von der Mitte dieser Flur ein
Gang, der zu den Wohn- und Schlafzimmern führte, und zur Linken eine sich
auf den freundlichen Gartensaal öffnende Thüre; neben diesem geräumigen Saal
befand sich ein kleinerer, mit französischem Kamin, wo Lili an kühlen Herbst-
abeuden ein fröhliches Feuer lodern ließ, bei dessen heiterem Knistern die
Familie sich gerne zu trautem Gespräch versammelte. Vom Gartensaal führte
eine perronartige, steinerne, von rankenden Rosen umsponnene Treppe in den
kleinen Park, dessen Anlagen nach Lili's eigenem Entwurf ausgeführt, die lieb¬
lichste Oase in dieser Einöde bildeten."

Liebenswürdig ist der Brief, den sie nach der Uebernahme des Gutes am
26. Juni 1800 an die Kinder nach Straßburg schreibt, und worin sie die
Thätigkeit schildert, die sie schon entfaltet habe, das verwahrloste Gut in wohn¬
lichen Stand zu setzen. "Weil ich nun Oberbauinspektor geworden, liebe Kinder,
kann ich wenig schreiben, meine Zeit geht dahin im Messen, Befehlen, Ver¬
gleichen, Ueberwachen und, was die Folge davon, im Rügen und Zanken:
ihr seid zu fern von mir, als daß ich auch an euch, ihr Lieben, mein Jnspektor-
amt ausüben könnte, was übrigens nicht nöthig ist, da ich ja weiß, wie gut
es mit euch allen geht! Hier jedoch, wo ich mit Winter und Luise bivackire,
haben wir schon so vieles zu Stande gebracht, daß jedermann darüber erstaunt
ist. Ihr müßt wissen, daß, als wir kamen, die Mäuse allein Herren des
Hauses waren, die Fußböden vermodert, keine Läden, überall schadhafte Thüren
und Fenster, das Dach durchlöchert, so fand ich den Zustand des Hauses.


seiner Gattin die zuverlässigste Hilfe gehabt hätte. Das schiine, am Broglieplatz
gelegene Hans vereinigte bald wieder den alten, treuen Bekanntenkreis, und vor
allem widmete sich Lili der Erziehung ihrer zärtlich geliebten Kinder. Einzelne
von Graf Dürckheim mitgetheilte Briefe Lili's an ihre Söhne, die sie ihnen
später schrieb, nachdem jene das Elternhaus bereits verlassen, sind sprechende
Zeugnisse der Lebensklugheit, der adlichen Gesinnung und der allseitigen Ge¬
diegenheit des Charakters, die sie in der Erfüllung ihrer mütterlichen Aufgaben
an den Tag legte.

Im Jahre 1800 kaufte Türckheim seiner Gattin ein Landhaus in Krant-
ergersheim zwischen Straßburg und Barr, wo sie fortan in ländlicher Stille
die Sommermonate zubringen sollte, während Türckheim in Paris durch die
Kammerverhandlungen gefesselt war. „An der Nordostseite des Oertchens, er¬
zählt Graf Dürckheim, kam man durch hohe, uralte Kastanienbäume in einen
großen, geschlossenen Hof, an dessen rechte Seite sich eine alte Kapelle traulich
anschmiegte. Gegenüber lag ein niedliches einstöckiges Wohnhaus mit einem
Thürmchen als Treppengebäude an der linken Ecke. Stieg man die gewundene
steinerne Treppe hinauf, fo gelangte man in eine hübsche, mit alten Kupfer¬
stichen gezierte Hausflur; in gerader Richtung, von der Mitte dieser Flur ein
Gang, der zu den Wohn- und Schlafzimmern führte, und zur Linken eine sich
auf den freundlichen Gartensaal öffnende Thüre; neben diesem geräumigen Saal
befand sich ein kleinerer, mit französischem Kamin, wo Lili an kühlen Herbst-
abeuden ein fröhliches Feuer lodern ließ, bei dessen heiterem Knistern die
Familie sich gerne zu trautem Gespräch versammelte. Vom Gartensaal führte
eine perronartige, steinerne, von rankenden Rosen umsponnene Treppe in den
kleinen Park, dessen Anlagen nach Lili's eigenem Entwurf ausgeführt, die lieb¬
lichste Oase in dieser Einöde bildeten."

Liebenswürdig ist der Brief, den sie nach der Uebernahme des Gutes am
26. Juni 1800 an die Kinder nach Straßburg schreibt, und worin sie die
Thätigkeit schildert, die sie schon entfaltet habe, das verwahrloste Gut in wohn¬
lichen Stand zu setzen. „Weil ich nun Oberbauinspektor geworden, liebe Kinder,
kann ich wenig schreiben, meine Zeit geht dahin im Messen, Befehlen, Ver¬
gleichen, Ueberwachen und, was die Folge davon, im Rügen und Zanken:
ihr seid zu fern von mir, als daß ich auch an euch, ihr Lieben, mein Jnspektor-
amt ausüben könnte, was übrigens nicht nöthig ist, da ich ja weiß, wie gut
es mit euch allen geht! Hier jedoch, wo ich mit Winter und Luise bivackire,
haben wir schon so vieles zu Stande gebracht, daß jedermann darüber erstaunt
ist. Ihr müßt wissen, daß, als wir kamen, die Mäuse allein Herren des
Hauses waren, die Fußböden vermodert, keine Läden, überall schadhafte Thüren
und Fenster, das Dach durchlöchert, so fand ich den Zustand des Hauses.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/409>, abgerufen am 27.11.2024.