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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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Leben, und doch, wie wunderbar richtig hat er ihren Charakter in diesen Zeilen
beurtheilt!

An Türckheim's Seite fand Lili die lange entbehrte Ruhe wieder. Am
25. August 1778 wurde die Hochzeit gefeiert, gleich darauf folgte Lili ihrem
Gemahl nach Strnßbnrg, und fortan lebte sie als die schlichte, emsige, tüchtige
Hausfrau. Ihr Haus, das sie einfach, ohne Prunk, aber geschmackvoll einge¬
richtet hatte, war bald ein Sammelpunkt trefflicher Männer, die durch geschäft¬
liche oder auch rein geistige Interessen mit ihrem Gatten verbunden waren.
So brachte sie in ungetrübtem häuslichen Glück das erste Jahrzehnt ihrer Ehe
zu. Ihrem Gatten schenkte sie in dieser Zeit zuerst eine Tochter, die ihren
Namen, Elise, erhielt, dann vier Söhne. Die Kinder hatten in ihr die beste,
liebevollste Mutter; sie sorgte für alle ihre Bedürfnisse mit eigener Hand, wie
sie sie denn auch alle an der eigenen Brust nährte. Mit dem Elternhause
blieb sie in Verbindung dadurch, daß sie die Freude hatte, einen ihrer Brüder,
der sich an Türckheim's Geschäft betheiligte, dauernd in Straßburg bei sich
zu haben.

Ein Kummer allerdings traf sie in dieser Zeit. Kurz nach ihrer Verhei-
rathung brach über das Haus ihrer Mutter das schon längere Zeit gefürchtete
Unglück herein: Frau Schönemann mußte ihre Zahlungen einstellen. Sie
verließ dann für die nächste Zeit Frankfurt und zog zu ihrer Tochter nach
Straßburg. Auch in den Jahren 1783 und 1784 finden wir die junge Frau
in trüber Stimmung. Graf Dürckheim theilt ein paar Briefe an Lili von
Lavater, dessen Bekanntschaft sie offenbar durch Goethe gemacht hatte, aus
den Jahren 1783 bis 1796 mit. Unter diesen sind zwei merkwürdig, einer
aus dem Jahre 1783, den Lavater halb und halb mit dem Komponisten
Reichard geschrieben, und einer ans dem Februar 1784 (?) von Lavater allein."')
In dem ersteren schreibt Lavater am Schlüsse: "Liebe Türckheim, wenn ich
sehn kann, hab' ich viele Freyheit des Geistes, viele Reinheit des Herzen in
dir gesehn. Diese Freyheit und Reinheit wird dich, edle Seele, viel leiden und
viel genießen machen, wo kein Anderer leiden und genießen kann. Leide und
genieße -- als Liese Schönemann und als Liese Türckheim." In den Zeilen,
die Reichard hinzusetzt, stehen die Worte: "Mir ist die Seele so voll des
innigsten Antheils an ihrem edlen Wesen, an Ihrer Lage, an Ihrem, Gott!



Im ersten ist der von Lavater geschriebene Theil datirt "d, 22. Febr.", der von
Reichard geschriebene "den 22. July". Ist das in Ordnung? Ist das kein Lesefehler des
Herausgebers? Ein ähnlicher Widerspruch herrscht bei dein zweiten Briefe. Der Heraus¬
geber bemerkt, derselbe sei geschrieben "auf kleiner Visitenkarte mit grauem Rahmen (hübsch
für jene Zeit. 1782.)", und doch trägt der Brief selbst das Datum "1". tho. 1784". Aus
welchem Jahre ist er um? 1732 oder 1784?

Leben, und doch, wie wunderbar richtig hat er ihren Charakter in diesen Zeilen
beurtheilt!

An Türckheim's Seite fand Lili die lange entbehrte Ruhe wieder. Am
25. August 1778 wurde die Hochzeit gefeiert, gleich darauf folgte Lili ihrem
Gemahl nach Strnßbnrg, und fortan lebte sie als die schlichte, emsige, tüchtige
Hausfrau. Ihr Haus, das sie einfach, ohne Prunk, aber geschmackvoll einge¬
richtet hatte, war bald ein Sammelpunkt trefflicher Männer, die durch geschäft¬
liche oder auch rein geistige Interessen mit ihrem Gatten verbunden waren.
So brachte sie in ungetrübtem häuslichen Glück das erste Jahrzehnt ihrer Ehe
zu. Ihrem Gatten schenkte sie in dieser Zeit zuerst eine Tochter, die ihren
Namen, Elise, erhielt, dann vier Söhne. Die Kinder hatten in ihr die beste,
liebevollste Mutter; sie sorgte für alle ihre Bedürfnisse mit eigener Hand, wie
sie sie denn auch alle an der eigenen Brust nährte. Mit dem Elternhause
blieb sie in Verbindung dadurch, daß sie die Freude hatte, einen ihrer Brüder,
der sich an Türckheim's Geschäft betheiligte, dauernd in Straßburg bei sich
zu haben.

Ein Kummer allerdings traf sie in dieser Zeit. Kurz nach ihrer Verhei-
rathung brach über das Haus ihrer Mutter das schon längere Zeit gefürchtete
Unglück herein: Frau Schönemann mußte ihre Zahlungen einstellen. Sie
verließ dann für die nächste Zeit Frankfurt und zog zu ihrer Tochter nach
Straßburg. Auch in den Jahren 1783 und 1784 finden wir die junge Frau
in trüber Stimmung. Graf Dürckheim theilt ein paar Briefe an Lili von
Lavater, dessen Bekanntschaft sie offenbar durch Goethe gemacht hatte, aus
den Jahren 1783 bis 1796 mit. Unter diesen sind zwei merkwürdig, einer
aus dem Jahre 1783, den Lavater halb und halb mit dem Komponisten
Reichard geschrieben, und einer ans dem Februar 1784 (?) von Lavater allein."')
In dem ersteren schreibt Lavater am Schlüsse: „Liebe Türckheim, wenn ich
sehn kann, hab' ich viele Freyheit des Geistes, viele Reinheit des Herzen in
dir gesehn. Diese Freyheit und Reinheit wird dich, edle Seele, viel leiden und
viel genießen machen, wo kein Anderer leiden und genießen kann. Leide und
genieße — als Liese Schönemann und als Liese Türckheim." In den Zeilen,
die Reichard hinzusetzt, stehen die Worte: „Mir ist die Seele so voll des
innigsten Antheils an ihrem edlen Wesen, an Ihrer Lage, an Ihrem, Gott!



Im ersten ist der von Lavater geschriebene Theil datirt „d, 22. Febr.", der von
Reichard geschriebene „den 22. July". Ist das in Ordnung? Ist das kein Lesefehler des
Herausgebers? Ein ähnlicher Widerspruch herrscht bei dein zweiten Briefe. Der Heraus¬
geber bemerkt, derselbe sei geschrieben „auf kleiner Visitenkarte mit grauem Rahmen (hübsch
für jene Zeit. 1782.)", und doch trägt der Brief selbst das Datum „1». tho. 1784". Aus
welchem Jahre ist er um? 1732 oder 1784?
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[0405] Leben, und doch, wie wunderbar richtig hat er ihren Charakter in diesen Zeilen beurtheilt! An Türckheim's Seite fand Lili die lange entbehrte Ruhe wieder. Am 25. August 1778 wurde die Hochzeit gefeiert, gleich darauf folgte Lili ihrem Gemahl nach Strnßbnrg, und fortan lebte sie als die schlichte, emsige, tüchtige Hausfrau. Ihr Haus, das sie einfach, ohne Prunk, aber geschmackvoll einge¬ richtet hatte, war bald ein Sammelpunkt trefflicher Männer, die durch geschäft¬ liche oder auch rein geistige Interessen mit ihrem Gatten verbunden waren. So brachte sie in ungetrübtem häuslichen Glück das erste Jahrzehnt ihrer Ehe zu. Ihrem Gatten schenkte sie in dieser Zeit zuerst eine Tochter, die ihren Namen, Elise, erhielt, dann vier Söhne. Die Kinder hatten in ihr die beste, liebevollste Mutter; sie sorgte für alle ihre Bedürfnisse mit eigener Hand, wie sie sie denn auch alle an der eigenen Brust nährte. Mit dem Elternhause blieb sie in Verbindung dadurch, daß sie die Freude hatte, einen ihrer Brüder, der sich an Türckheim's Geschäft betheiligte, dauernd in Straßburg bei sich zu haben. Ein Kummer allerdings traf sie in dieser Zeit. Kurz nach ihrer Verhei- rathung brach über das Haus ihrer Mutter das schon längere Zeit gefürchtete Unglück herein: Frau Schönemann mußte ihre Zahlungen einstellen. Sie verließ dann für die nächste Zeit Frankfurt und zog zu ihrer Tochter nach Straßburg. Auch in den Jahren 1783 und 1784 finden wir die junge Frau in trüber Stimmung. Graf Dürckheim theilt ein paar Briefe an Lili von Lavater, dessen Bekanntschaft sie offenbar durch Goethe gemacht hatte, aus den Jahren 1783 bis 1796 mit. Unter diesen sind zwei merkwürdig, einer aus dem Jahre 1783, den Lavater halb und halb mit dem Komponisten Reichard geschrieben, und einer ans dem Februar 1784 (?) von Lavater allein."') In dem ersteren schreibt Lavater am Schlüsse: „Liebe Türckheim, wenn ich sehn kann, hab' ich viele Freyheit des Geistes, viele Reinheit des Herzen in dir gesehn. Diese Freyheit und Reinheit wird dich, edle Seele, viel leiden und viel genießen machen, wo kein Anderer leiden und genießen kann. Leide und genieße — als Liese Schönemann und als Liese Türckheim." In den Zeilen, die Reichard hinzusetzt, stehen die Worte: „Mir ist die Seele so voll des innigsten Antheils an ihrem edlen Wesen, an Ihrer Lage, an Ihrem, Gott! Im ersten ist der von Lavater geschriebene Theil datirt „d, 22. Febr.", der von Reichard geschriebene „den 22. July". Ist das in Ordnung? Ist das kein Lesefehler des Herausgebers? Ein ähnlicher Widerspruch herrscht bei dein zweiten Briefe. Der Heraus¬ geber bemerkt, derselbe sei geschrieben „auf kleiner Visitenkarte mit grauem Rahmen (hübsch für jene Zeit. 1782.)", und doch trägt der Brief selbst das Datum „1». tho. 1784". Aus welchem Jahre ist er um? 1732 oder 1784?

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/405>, abgerufen am 27.11.2024.