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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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mich um und schlafe fort." -- Dies ist das Ende von Goethe's Liebe zu Elise
Schönemann.

Es erübrigt noch, in Kürze einen Blick auf Lili's späteres Leben zu
werfen und auf die wenigen Berührungspunkte, die dasselbe mit dem späteren
Leben Goethe's bietet. Wir brauchen dabei wohl nicht ausdrücklich zu be¬
merken, daß das Büchlein des Grafen Dürckheim von welchem unsre Dar¬
stellung ausging, für das Folgende wenn anch nicht die einzige, so doch die
wichtigste Grundlage bildet.

Die nächsten beiden Jahre nach ihrer Trennung von Goethe waren bittere
Leidensjahre für Lili. Kaum war die erste Wunde vernarbt, so wurde ihr eine
zweite, nicht minder schmerzliche geschlagen. Ihr Bräutigam Bernard starb
kurz nach der Verlobung, und die heftige Gemüthserschütterung über diesen
neuen Verlust stürzte sie in eine schwere Krankheit. Es dauerte lange, bis sie
sich völlig erholt und auch ihr Herz Genesung gefunden hatte. Erst zwei Jahre
später reichte sie dem jungen Straßburger Bankier Türckheim die Hand.

Bernhard Friedrich v. Türckheim war über drei Jahre jünger als Goethe;
er war am 3. November 1752 in Straßburg geboren, wo sein Vater als
wohlhabender und geachteter Bankier lebte. Dieser bestimmte ihn sür den
kaufmännischen Beruf, während ein älterer Bruder mit glänzendem' Erfolg die
diplomatische Laufbahn einschlug. Noch ehe Lili mit Goethe in Berührung
gekommen, war Türckheim Volontär im Schönemann'scheu Geschäft in Frank¬
furt gewesen und hatte damals und auch noch während das Verhältniß mit
Goethe spielte, zu Lili's stillen Verehrern gehört. Im Jahre 1776 übernahm
er die Leitung des väterlichen Handelshauses, 1778 hielt er um Lili's Hand an;
am 9. August fand die offizielle Verlobung statt.

A. v. Binzer, der erste Herausgeber von Goethe's Briefen an Auguste
Stolberg, schreibt gelegentlich in einer Anmerkung zu einem der Briefe: "Lili
war ein Weltkind, und ein schönes, liebenswürdiges. Es gibt Mädchen, die
immer als die ersten ihres Kreises angesehen werden und ihn beherrschen, ohne
es zu wollen, blos'durch eine bedeutende Individualität, durch die Zauberkraft,
ein gewisses frischeres Leben um sich anzuregen. Lili scheint zu diesen Mädchen
gehört zu haben; daß sie Huldigungen ungern entbehrt hätte, nahm ihr nichts
an ihrem innern Werthe. Man steht es oft, daß diese anreizenden, gleichsam
die Bewunderung herausfordernden Mädchen die vortrefflichsten, sittsamsten
Hausfrauen werden." Binzer war ohne alle Kenntniß von Lili's späterem



*) Lilli's Bild geschichtlich entworfen von Graf Ferdinand Eckbrecht v. Dnrckheim
(Nördlingen, Beck, 1879).

mich um und schlafe fort." — Dies ist das Ende von Goethe's Liebe zu Elise
Schönemann.

Es erübrigt noch, in Kürze einen Blick auf Lili's späteres Leben zu
werfen und auf die wenigen Berührungspunkte, die dasselbe mit dem späteren
Leben Goethe's bietet. Wir brauchen dabei wohl nicht ausdrücklich zu be¬
merken, daß das Büchlein des Grafen Dürckheim von welchem unsre Dar¬
stellung ausging, für das Folgende wenn anch nicht die einzige, so doch die
wichtigste Grundlage bildet.

Die nächsten beiden Jahre nach ihrer Trennung von Goethe waren bittere
Leidensjahre für Lili. Kaum war die erste Wunde vernarbt, so wurde ihr eine
zweite, nicht minder schmerzliche geschlagen. Ihr Bräutigam Bernard starb
kurz nach der Verlobung, und die heftige Gemüthserschütterung über diesen
neuen Verlust stürzte sie in eine schwere Krankheit. Es dauerte lange, bis sie
sich völlig erholt und auch ihr Herz Genesung gefunden hatte. Erst zwei Jahre
später reichte sie dem jungen Straßburger Bankier Türckheim die Hand.

Bernhard Friedrich v. Türckheim war über drei Jahre jünger als Goethe;
er war am 3. November 1752 in Straßburg geboren, wo sein Vater als
wohlhabender und geachteter Bankier lebte. Dieser bestimmte ihn sür den
kaufmännischen Beruf, während ein älterer Bruder mit glänzendem' Erfolg die
diplomatische Laufbahn einschlug. Noch ehe Lili mit Goethe in Berührung
gekommen, war Türckheim Volontär im Schönemann'scheu Geschäft in Frank¬
furt gewesen und hatte damals und auch noch während das Verhältniß mit
Goethe spielte, zu Lili's stillen Verehrern gehört. Im Jahre 1776 übernahm
er die Leitung des väterlichen Handelshauses, 1778 hielt er um Lili's Hand an;
am 9. August fand die offizielle Verlobung statt.

A. v. Binzer, der erste Herausgeber von Goethe's Briefen an Auguste
Stolberg, schreibt gelegentlich in einer Anmerkung zu einem der Briefe: „Lili
war ein Weltkind, und ein schönes, liebenswürdiges. Es gibt Mädchen, die
immer als die ersten ihres Kreises angesehen werden und ihn beherrschen, ohne
es zu wollen, blos'durch eine bedeutende Individualität, durch die Zauberkraft,
ein gewisses frischeres Leben um sich anzuregen. Lili scheint zu diesen Mädchen
gehört zu haben; daß sie Huldigungen ungern entbehrt hätte, nahm ihr nichts
an ihrem innern Werthe. Man steht es oft, daß diese anreizenden, gleichsam
die Bewunderung herausfordernden Mädchen die vortrefflichsten, sittsamsten
Hausfrauen werden." Binzer war ohne alle Kenntniß von Lili's späterem



*) Lilli's Bild geschichtlich entworfen von Graf Ferdinand Eckbrecht v. Dnrckheim
(Nördlingen, Beck, 1879).
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/404>, abgerufen am 28.07.2024.