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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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jetzt aus, und nun sagten jene: Eure Geister können euch nicht helfen, und eure
Zauberer haben euch mit Lügen getäuscht. Wendet euch jetzt an den, der Himmel
und Erde gemacht hat, vielleicht wird er euer Gebet erhören. Wir wollen euch
beistehen, wenn ihr eure Sünden abschwören und dem wahren Gotte gehorchen
wollt, und täglich eine Prozession abhalten." Es fehlte nicht an Versprechungen,
die Prozessionen begannen, dem heiligen Joseph wurden neun Messen gelesen,
und da bald nachher schwere Regengüsse fielen, bekamen die Indianer eine hohe
Meinung von der Kraft der "Medizin" der Franzosen,

Inzwischen schickte das alte Frankreich dem im Werden begriffenen neuen
Hilfe für die Mission der Wälder. 1635 kamen die Jesuiten Pyart und
Le Mercier und im Spätsommer des nächsten Jahres noch drei, Joques,
Chatelain und Garnier, in Quebek an, um bald darauf zu ihren Brüdern
in Jhonatiria abzureisen. Auch sie erschienen hier unter sehr ungünstigen Ver¬
hältnissen. Die Seuche, welche seit zwei Jahren die Huronenstädte von Zeit
zu Zeit verheert hatte, kehrte mit zehnfacher Heftigkeit wieder, und zugleich
brachen die Pocken mit schrecklicher Gewalt ans. Der Winter machte den Krank¬
heiten diesmal kein Ende, und die Tage der Festlichkeiten wurden unter den
Indianern zu Tagen der tiefsten Niedergeschlagenheit. Viele verzweifelten und
gaben sich selbst den Tod. Den Jesuiten aber erschien diese Zeit voll Noth
und Trauer als willkommne Veranlassung, sich auszumachen und "Seelen zu
ernten". Einzeln oder paarweise zogen sie durch Schnee und Sturm von Ort
zu Ort, um die Kranken zu besuchen, ihnen von ihrer Arzenei zu reichen und,
nachdem für deu Körper wohl oder übel gesorgt war,, sich an die Seele zu
wenden. Es half aber nicht viel, wenn sie den Kranken in ihrem gebrochnen
Hnronisch Himmel und Hölle schilderten, um sie zu bekehren. Des Priesters
Beschreibungen des Feuers und der Quälgeister der Hölle wurden leicht ver¬
standen; denn die Indianer marterten und verbrannten ja ihre Feinde auch.
Aber die Vorzüge des französischen Himmels waren ihnen schwer begreiflich
zu machen. "Ich will dahin, wo meine Freunde und Verwandten sind", war
die gewöhnliche Antwort. "Das Paradies ist ein guter Platz für die Franzosen;
ich aber will bei den Indianern sein, denn die Franzosen würden mir nichts
zu essen geben, wenn ich zu ihnen komme", entgegnete einer. "Was willst du
wühlen," fragte ein Priester eine sterbende Sqnaw, "den Himmel oder die
Hölle?" -- "Die Hölle," erwiederte sie, "weil, wie du sagst, meine Kinder dort
sind." -- "Wird im Himmel gejagt oder Krieg geführt?" erkundigte sich eine
besorgte Rothhaut. -- "Nein", antwortete der Pater. -- "Nun, dann mag ich
nicht hin; denn es ist nicht gut, faul zu sein," replizirte nicht übel der Frager.
Gelang es aber einmal, diese Schwierigkeiten zu beseitigen, so holte der Priester
in der Freude seines Herzens Wasser in einer Schale oder schöpfte mit der


Grenzboten III. 187!). 49

jetzt aus, und nun sagten jene: Eure Geister können euch nicht helfen, und eure
Zauberer haben euch mit Lügen getäuscht. Wendet euch jetzt an den, der Himmel
und Erde gemacht hat, vielleicht wird er euer Gebet erhören. Wir wollen euch
beistehen, wenn ihr eure Sünden abschwören und dem wahren Gotte gehorchen
wollt, und täglich eine Prozession abhalten." Es fehlte nicht an Versprechungen,
die Prozessionen begannen, dem heiligen Joseph wurden neun Messen gelesen,
und da bald nachher schwere Regengüsse fielen, bekamen die Indianer eine hohe
Meinung von der Kraft der „Medizin" der Franzosen,

Inzwischen schickte das alte Frankreich dem im Werden begriffenen neuen
Hilfe für die Mission der Wälder. 1635 kamen die Jesuiten Pyart und
Le Mercier und im Spätsommer des nächsten Jahres noch drei, Joques,
Chatelain und Garnier, in Quebek an, um bald darauf zu ihren Brüdern
in Jhonatiria abzureisen. Auch sie erschienen hier unter sehr ungünstigen Ver¬
hältnissen. Die Seuche, welche seit zwei Jahren die Huronenstädte von Zeit
zu Zeit verheert hatte, kehrte mit zehnfacher Heftigkeit wieder, und zugleich
brachen die Pocken mit schrecklicher Gewalt ans. Der Winter machte den Krank¬
heiten diesmal kein Ende, und die Tage der Festlichkeiten wurden unter den
Indianern zu Tagen der tiefsten Niedergeschlagenheit. Viele verzweifelten und
gaben sich selbst den Tod. Den Jesuiten aber erschien diese Zeit voll Noth
und Trauer als willkommne Veranlassung, sich auszumachen und „Seelen zu
ernten". Einzeln oder paarweise zogen sie durch Schnee und Sturm von Ort
zu Ort, um die Kranken zu besuchen, ihnen von ihrer Arzenei zu reichen und,
nachdem für deu Körper wohl oder übel gesorgt war,, sich an die Seele zu
wenden. Es half aber nicht viel, wenn sie den Kranken in ihrem gebrochnen
Hnronisch Himmel und Hölle schilderten, um sie zu bekehren. Des Priesters
Beschreibungen des Feuers und der Quälgeister der Hölle wurden leicht ver¬
standen; denn die Indianer marterten und verbrannten ja ihre Feinde auch.
Aber die Vorzüge des französischen Himmels waren ihnen schwer begreiflich
zu machen. „Ich will dahin, wo meine Freunde und Verwandten sind", war
die gewöhnliche Antwort. „Das Paradies ist ein guter Platz für die Franzosen;
ich aber will bei den Indianern sein, denn die Franzosen würden mir nichts
zu essen geben, wenn ich zu ihnen komme", entgegnete einer. „Was willst du
wühlen," fragte ein Priester eine sterbende Sqnaw, „den Himmel oder die
Hölle?" — „Die Hölle," erwiederte sie, „weil, wie du sagst, meine Kinder dort
sind." — „Wird im Himmel gejagt oder Krieg geführt?" erkundigte sich eine
besorgte Rothhaut. — „Nein", antwortete der Pater. — „Nun, dann mag ich
nicht hin; denn es ist nicht gut, faul zu sein," replizirte nicht übel der Frager.
Gelang es aber einmal, diese Schwierigkeiten zu beseitigen, so holte der Priester
in der Freude seines Herzens Wasser in einer Schale oder schöpfte mit der


Grenzboten III. 187!). 49
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[0383] jetzt aus, und nun sagten jene: Eure Geister können euch nicht helfen, und eure Zauberer haben euch mit Lügen getäuscht. Wendet euch jetzt an den, der Himmel und Erde gemacht hat, vielleicht wird er euer Gebet erhören. Wir wollen euch beistehen, wenn ihr eure Sünden abschwören und dem wahren Gotte gehorchen wollt, und täglich eine Prozession abhalten." Es fehlte nicht an Versprechungen, die Prozessionen begannen, dem heiligen Joseph wurden neun Messen gelesen, und da bald nachher schwere Regengüsse fielen, bekamen die Indianer eine hohe Meinung von der Kraft der „Medizin" der Franzosen, Inzwischen schickte das alte Frankreich dem im Werden begriffenen neuen Hilfe für die Mission der Wälder. 1635 kamen die Jesuiten Pyart und Le Mercier und im Spätsommer des nächsten Jahres noch drei, Joques, Chatelain und Garnier, in Quebek an, um bald darauf zu ihren Brüdern in Jhonatiria abzureisen. Auch sie erschienen hier unter sehr ungünstigen Ver¬ hältnissen. Die Seuche, welche seit zwei Jahren die Huronenstädte von Zeit zu Zeit verheert hatte, kehrte mit zehnfacher Heftigkeit wieder, und zugleich brachen die Pocken mit schrecklicher Gewalt ans. Der Winter machte den Krank¬ heiten diesmal kein Ende, und die Tage der Festlichkeiten wurden unter den Indianern zu Tagen der tiefsten Niedergeschlagenheit. Viele verzweifelten und gaben sich selbst den Tod. Den Jesuiten aber erschien diese Zeit voll Noth und Trauer als willkommne Veranlassung, sich auszumachen und „Seelen zu ernten". Einzeln oder paarweise zogen sie durch Schnee und Sturm von Ort zu Ort, um die Kranken zu besuchen, ihnen von ihrer Arzenei zu reichen und, nachdem für deu Körper wohl oder übel gesorgt war,, sich an die Seele zu wenden. Es half aber nicht viel, wenn sie den Kranken in ihrem gebrochnen Hnronisch Himmel und Hölle schilderten, um sie zu bekehren. Des Priesters Beschreibungen des Feuers und der Quälgeister der Hölle wurden leicht ver¬ standen; denn die Indianer marterten und verbrannten ja ihre Feinde auch. Aber die Vorzüge des französischen Himmels waren ihnen schwer begreiflich zu machen. „Ich will dahin, wo meine Freunde und Verwandten sind", war die gewöhnliche Antwort. „Das Paradies ist ein guter Platz für die Franzosen; ich aber will bei den Indianern sein, denn die Franzosen würden mir nichts zu essen geben, wenn ich zu ihnen komme", entgegnete einer. „Was willst du wühlen," fragte ein Priester eine sterbende Sqnaw, „den Himmel oder die Hölle?" — „Die Hölle," erwiederte sie, „weil, wie du sagst, meine Kinder dort sind." — „Wird im Himmel gejagt oder Krieg geführt?" erkundigte sich eine besorgte Rothhaut. — „Nein", antwortete der Pater. — „Nun, dann mag ich nicht hin; denn es ist nicht gut, faul zu sein," replizirte nicht übel der Frager. Gelang es aber einmal, diese Schwierigkeiten zu beseitigen, so holte der Priester in der Freude seines Herzens Wasser in einer Schale oder schöpfte mit der Grenzboten III. 187!). 49

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/383>, abgerufen am 27.11.2024.