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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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tragen. Zuerst sang er das Paternoster, welches Pater Daniel in huronische
Reime übersetzt hatte, und welches die Kinder mitsingen mußten. Dann lehrte
er sie das Zeichen des Kreuzes machen, ließ sie das Ave, das Credo und gewisse
Gebete nachsprechen, trug ihnen christliche Glaubenssätze vor und befragte sie
darüber und entließ sie mit einem Geschenke von einigen Rosinen, Backpflaumen
oder Glasperlen, wodurch sich unter den kleinen Rothhäuten ein großer Eifer
zu weiterem Lernen entwickelte. Mit Freuden gewahrten die Priester, wie sie
sich draußen in Gruppen sammelten, sich im Kreuzschlagen übten und im Wieder¬
holen der soeben gelernten Verse wetteiferten.

Zu Zeiten wurden auch die nettesten des Volkes zu den Jesuiten eingeladen,
um sich die Hauptsätze des christlichen Glaubens vortragen zu lassen und über
ihre Stellung zu demselben Auskunft zu ertheilen. Sie erwiesen sich soweit
nachgiebig, als sie auf jeden Satz "gut" oder "das ist wahr" antworteten.
Wenn man aber in sie drang, diesen Glauben anzunehmen, so erwiederten sie:
"Er ist gut für die Franzosen, aber wir siud ein anderes Volk mit andern
Sitten." So tauften die Missionäre im Anfange nur Wenige und fast nur
willenlose Sterbende, besonders Kinder, die sie, wie Le Jeune sagte, "ans kleinen
Indianern in kleine Engel verwandelten".

Eine schlimme Zeit war für die Väter der Winter, wo die Huronen ihre
Feste zu feiern pflegten. Auf ihrem harten Lager ausgestreckt, wo sie vor
Rauch fast erstickten und von einer unvertilgbaren Menge von Flöhen geplagt
wurden, mußten sie ganze Nächte hindurch den Lärm der Tänze des wilden
Volkes, das Geräusch der Trommel und der Schildkrötenrassel und eine lange
Folge rauher Gesänge mit anhören. Zauberer und Medizinmänner erschienen,
um ihren Hokuspokus zu treiben. Beim "Ononhara" oder Traumfeste raste
die ganze Stadt, Männer, Weiber und Kinder, wie wahnsinnig vom Abend bis
zum Morgen umher, um allerhand Unfug zu verüben. Der Frühling brachte
einige Ruhe; die Leute gingen fischen oder begaben sich auf ihre entfernten
Maisfelder oder fuhren des Handels wegen weg. Gegen den Spätsommer
dagegen zog eine große Gefahr über den Häuptern der Missionäre auf. Die
Saaten welkten unter einer argen Dürre. Umsonst strengten sich die Zauberer
an, die Geister des Regens wohlwollend zu stimmen. Im Osten und Westen
donnerte und blitzte es, aber über Jhonatiria blieb der Himmel wolkenlos.
Endlich hatte einer der Zaubergaukler die Ursache des Uebels entdeckt. Die
rothe Farbe des Kreuzes, welches vor dem Hause der Jesuiten stand, erschreckte
den Donnervogel und veranlaßte ihn, nach einer andern Seite zu fliegen.
Wnthschnaubend stürmte die Volksmenge heran und wollte das Kreuz umhauen,
und mit Mühe nur gelang es den Patres, die Leute davon abzuhalten, indem
sie ihnen erlaubten, das Kreuz weiß anzustreichen. Der Regen aber blieb auch


tragen. Zuerst sang er das Paternoster, welches Pater Daniel in huronische
Reime übersetzt hatte, und welches die Kinder mitsingen mußten. Dann lehrte
er sie das Zeichen des Kreuzes machen, ließ sie das Ave, das Credo und gewisse
Gebete nachsprechen, trug ihnen christliche Glaubenssätze vor und befragte sie
darüber und entließ sie mit einem Geschenke von einigen Rosinen, Backpflaumen
oder Glasperlen, wodurch sich unter den kleinen Rothhäuten ein großer Eifer
zu weiterem Lernen entwickelte. Mit Freuden gewahrten die Priester, wie sie
sich draußen in Gruppen sammelten, sich im Kreuzschlagen übten und im Wieder¬
holen der soeben gelernten Verse wetteiferten.

Zu Zeiten wurden auch die nettesten des Volkes zu den Jesuiten eingeladen,
um sich die Hauptsätze des christlichen Glaubens vortragen zu lassen und über
ihre Stellung zu demselben Auskunft zu ertheilen. Sie erwiesen sich soweit
nachgiebig, als sie auf jeden Satz „gut" oder „das ist wahr" antworteten.
Wenn man aber in sie drang, diesen Glauben anzunehmen, so erwiederten sie:
„Er ist gut für die Franzosen, aber wir siud ein anderes Volk mit andern
Sitten." So tauften die Missionäre im Anfange nur Wenige und fast nur
willenlose Sterbende, besonders Kinder, die sie, wie Le Jeune sagte, „ans kleinen
Indianern in kleine Engel verwandelten".

Eine schlimme Zeit war für die Väter der Winter, wo die Huronen ihre
Feste zu feiern pflegten. Auf ihrem harten Lager ausgestreckt, wo sie vor
Rauch fast erstickten und von einer unvertilgbaren Menge von Flöhen geplagt
wurden, mußten sie ganze Nächte hindurch den Lärm der Tänze des wilden
Volkes, das Geräusch der Trommel und der Schildkrötenrassel und eine lange
Folge rauher Gesänge mit anhören. Zauberer und Medizinmänner erschienen,
um ihren Hokuspokus zu treiben. Beim „Ononhara" oder Traumfeste raste
die ganze Stadt, Männer, Weiber und Kinder, wie wahnsinnig vom Abend bis
zum Morgen umher, um allerhand Unfug zu verüben. Der Frühling brachte
einige Ruhe; die Leute gingen fischen oder begaben sich auf ihre entfernten
Maisfelder oder fuhren des Handels wegen weg. Gegen den Spätsommer
dagegen zog eine große Gefahr über den Häuptern der Missionäre auf. Die
Saaten welkten unter einer argen Dürre. Umsonst strengten sich die Zauberer
an, die Geister des Regens wohlwollend zu stimmen. Im Osten und Westen
donnerte und blitzte es, aber über Jhonatiria blieb der Himmel wolkenlos.
Endlich hatte einer der Zaubergaukler die Ursache des Uebels entdeckt. Die
rothe Farbe des Kreuzes, welches vor dem Hause der Jesuiten stand, erschreckte
den Donnervogel und veranlaßte ihn, nach einer andern Seite zu fliegen.
Wnthschnaubend stürmte die Volksmenge heran und wollte das Kreuz umhauen,
und mit Mühe nur gelang es den Patres, die Leute davon abzuhalten, indem
sie ihnen erlaubten, das Kreuz weiß anzustreichen. Der Regen aber blieb auch


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/382>, abgerufen am 01.09.2024.