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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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eines Widerspruchs und des Versuchs, dieselben durch Intriguen zu durch¬
kreuzen, gewärtig sein mußte. In dieser Hinsicht scheint er sich vorgenommen
gehabt zu haben, vollkommen t,g.true>. ra.W zu machen. Bald nachdem er den
Vorsitz im Kabinet übernommen hatte, wurde mau im Publikum durch das
befremdlich klingende Gerücht überrascht, daß er in einer ersten Audienz beim
Sultan die Exilirung aller vor ihm gewesenen Großwesire (!) nach entlegenen
Provinzial-Orten verlangt habe -- und dies Gerücht war vollkommen be¬
gründet. Wenn er mit diesem Verlangen nur zum Theil durchzudringen ver¬
mochte, so lag dies nicht etwa daran, daß es nicht mit ausreichendem Nach¬
druck gestellt worden wäre. Im Gegentheil ließ gerade in dieser Beziehung
sein Auftreten dem Monarchen gegenüber nichts zu wünschen übrig. Auch gibt
sür den Einfluß, den er in kürzester Zeit auf diesen zu gewinnen wußte/ die
Thatsache ein beredtes Zeugniß, daß es ihm bereits am 9. Dezember 1878
gelang, die Verbannung von Mahmud Damad Pascha nach Tripolis in der
Form der Ernennung desselben zum dortigen Waly durchzusetzen, also des¬
jenigen unter den türkischen Großen, der, als Gemahl der einzigen leiblichen
Schwester des Sultans, Djemile Khanum, jenem verwandtschaftlich am nächsten
steht. Desgleichen mußte Anfang Februar auf sein Drängen Mehemmed Ruschdi
Pascha, angeblich aus Gesundheitsrücksichten, Konstantinopel verlassen.

Dennoch war Khereddin's Bemühen, die seinen Plänen sich entgegenstel¬
lenden Widerstände zu brechen und seinem Einfluß im Jildis-Kiosk zur Allge¬
walt zu verhelfen, von allem Anfang an der Mißerfolg eingeboren. Es liegt
nicht im türkischen Naturell, sich einschüchtern und verblüffen zu lassen. Auch
Strenge und rasch durchgreifende Maßregeln imponiren ihm nur in Ausnahme¬
fällen, und zwar nur dann, wenn mit denselben eine erdrückende und jede
Aussicht eines erfolgreichen Widerstandes ausschließende Uebermacht sich ver¬
bündet. Keiner versteht überdies die Schwächen des Gegners schneller auszu¬
spähen wie der in allen Jntriguenkämpfen wohl geschulte osmanische Staats¬
mann. Bereits in den ersten Tagen nach Neujahr wurde, aus dem von
Khereddin selber geleiteten und unter seiner Mitwirkung formirter Kabinet
heraus, ein nicht mißzudeutender, sehr entschiedener Versuch gemacht, Mißtrauen
zwischen ihm und dem Souverän zu säen. Obgleich sich keine greifbaren
Folgen damit verbanden, gab der Vorgang doch dem Premier zu denken, indem
er ihm namentlich keinen Zweifel darüber ließ, daß in dem seiner Leitung
unterstehenden Ministerium Alexander Pascha Karatheodory im Grunde ge¬
nommen sein einziger Freund sei. Ein eigentlicher Versuch, Khereddin Pascha's
Sturz herbeizuführen, wurde indeß nicht vor dem 1. Februar gemacht. Die
Lage der Dinge war damals bereits ziemlich ernst für den von allen Seiten
angefeindeten Großwesir geworden, und zwar in dem Grade, daß derselbe sich


eines Widerspruchs und des Versuchs, dieselben durch Intriguen zu durch¬
kreuzen, gewärtig sein mußte. In dieser Hinsicht scheint er sich vorgenommen
gehabt zu haben, vollkommen t,g.true>. ra.W zu machen. Bald nachdem er den
Vorsitz im Kabinet übernommen hatte, wurde mau im Publikum durch das
befremdlich klingende Gerücht überrascht, daß er in einer ersten Audienz beim
Sultan die Exilirung aller vor ihm gewesenen Großwesire (!) nach entlegenen
Provinzial-Orten verlangt habe — und dies Gerücht war vollkommen be¬
gründet. Wenn er mit diesem Verlangen nur zum Theil durchzudringen ver¬
mochte, so lag dies nicht etwa daran, daß es nicht mit ausreichendem Nach¬
druck gestellt worden wäre. Im Gegentheil ließ gerade in dieser Beziehung
sein Auftreten dem Monarchen gegenüber nichts zu wünschen übrig. Auch gibt
sür den Einfluß, den er in kürzester Zeit auf diesen zu gewinnen wußte/ die
Thatsache ein beredtes Zeugniß, daß es ihm bereits am 9. Dezember 1878
gelang, die Verbannung von Mahmud Damad Pascha nach Tripolis in der
Form der Ernennung desselben zum dortigen Waly durchzusetzen, also des¬
jenigen unter den türkischen Großen, der, als Gemahl der einzigen leiblichen
Schwester des Sultans, Djemile Khanum, jenem verwandtschaftlich am nächsten
steht. Desgleichen mußte Anfang Februar auf sein Drängen Mehemmed Ruschdi
Pascha, angeblich aus Gesundheitsrücksichten, Konstantinopel verlassen.

Dennoch war Khereddin's Bemühen, die seinen Plänen sich entgegenstel¬
lenden Widerstände zu brechen und seinem Einfluß im Jildis-Kiosk zur Allge¬
walt zu verhelfen, von allem Anfang an der Mißerfolg eingeboren. Es liegt
nicht im türkischen Naturell, sich einschüchtern und verblüffen zu lassen. Auch
Strenge und rasch durchgreifende Maßregeln imponiren ihm nur in Ausnahme¬
fällen, und zwar nur dann, wenn mit denselben eine erdrückende und jede
Aussicht eines erfolgreichen Widerstandes ausschließende Uebermacht sich ver¬
bündet. Keiner versteht überdies die Schwächen des Gegners schneller auszu¬
spähen wie der in allen Jntriguenkämpfen wohl geschulte osmanische Staats¬
mann. Bereits in den ersten Tagen nach Neujahr wurde, aus dem von
Khereddin selber geleiteten und unter seiner Mitwirkung formirter Kabinet
heraus, ein nicht mißzudeutender, sehr entschiedener Versuch gemacht, Mißtrauen
zwischen ihm und dem Souverän zu säen. Obgleich sich keine greifbaren
Folgen damit verbanden, gab der Vorgang doch dem Premier zu denken, indem
er ihm namentlich keinen Zweifel darüber ließ, daß in dem seiner Leitung
unterstehenden Ministerium Alexander Pascha Karatheodory im Grunde ge¬
nommen sein einziger Freund sei. Ein eigentlicher Versuch, Khereddin Pascha's
Sturz herbeizuführen, wurde indeß nicht vor dem 1. Februar gemacht. Die
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angefeindeten Großwesir geworden, und zwar in dem Grade, daß derselbe sich


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/304>, abgerufen am 09.11.2024.