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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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so sprecht: Das Gesetz unseres Lehrers Mose hat euch überwunden. Da er¬
theilten sie ihm die Erlaubniß, und er sprach zu den Klügern: Woher nehmt
ihr den Beweis für eure Forderung? Aus der Bibel, entgegneten sie. Auch
ich will, fuhr er fort, meinen Beweis aus der Bibel nehmen. Ich stelle näm¬
lich die Gegenforderung, uns den Lohn für die 600000 Jsraeliten zu geben,
die ihr 430 Jahre lang in Aegypten in schwerer Sklavenarbeit gehalten habt.
Als die Kläger ihren Beweis vorbringen sollten, baten sie um drei Tage Zeit,
sich die Sache zu überlegen. Die Zeit verstrich aber, und sie fanden keine
Antwort; da verließen sie ihre Felder und Weinberge und flohen. Endlich
erschienen die Kinder Ismael's und der Ketura und sprachen: Nach Mose
gehört das Land Kanaan sowohl uns als euch. Da trat Gebiha den Passisa
abermals als Anwalt auf und sagte: Abraham hat, wie Mose erzählt, sein
Eigenthum bei seinem Leben unter seine Kinder vertheilt und sie dann ent¬
lassen; wenn nun ein Vater so handelt, kann wohl ein Kind dann noch Anspruch
an das andre erheben? Da verließen die Klüger den Richterstuhl Alexander's,
ohne ein Wort erwiedern zu können."

Besondere Bedeutung hat die im Traktat Tamid erzählte Sage, welche
eine Unterredung Alexander's mit den "Alten des Südens" (situs d-z-nsZoo)
schildert. Ihr Wortlaut ist folgender: "Alexander der Makedonier richtete
zehn Fragen an die Alten des Südens: 1.) Welche Entfernung ist größer,
die des Himmels von der Erde oder die von Westen nach Osten? Antwort:
Die von Westen nach Osten, denn steht die Sonne im Westen oder Osten, so
können alle in sie sehen, was aber nicht der Fall ist, wenn sie in der Mitte
des Himmels steht.'") 2.) Was wurde eher erschaffen, der Himmel oder die
Erde? Antwort: Der Himmel, wie bei Mose geschrieben steht. 3.) Was trat
eher in's Dasein, das Licht oder die Finsterniß? Diese Frage getrauten sich
die Weisen nicht zu beantworten, weil sie fürchteten, es könnten sich andere
schwer zu lösende Fragen daran knüpfen, z. B.: Was war vorher, und was
wird künftig sein? 4.) Wer ist weise? Antwort: Wer die Zukunft kennt.
Wer ein Held? Wer seine Leidenschaft beherrscht. Wer reich? Wer mit seinem
Theile zufrieden ist. 5.) Was soll der Mensch thun, um sich das Leben zu



Eine ähnliche Frage richtete nach Sanhedr der Kaiser Antonius an Nadir Jehuda
den Heiligen, dem die Redaktion der Mischna zugeschrieben wird. Er fragte: Warum geht
die Sonne im Osten auf und im Westen nieder? Wenn es umgekehrt wäre, gab der Nadir
zur Antwort, so würdest du mich auch so gefragt haben. Antoninus sprach: Warum geht
die Sonne im Westen unter und läuft nicht wieder bis zum Osten, wo sie aufgegangen ist?
Der Rabbi sagte: Damit sie ihren Schöpfer (der nach rabbinischer Vorstellung im Weste"
wohnt) beglückwünsche. Sie konnte ja bis zur Mitte des Himmels kommen, wandte der
Kaiser ein, den Schöpfer beglückwünschen und dann untergehen? Jehuda sagte: Daß sie
weitergeht, geschieht wegen der Arbeiter und Wanderer.

so sprecht: Das Gesetz unseres Lehrers Mose hat euch überwunden. Da er¬
theilten sie ihm die Erlaubniß, und er sprach zu den Klügern: Woher nehmt
ihr den Beweis für eure Forderung? Aus der Bibel, entgegneten sie. Auch
ich will, fuhr er fort, meinen Beweis aus der Bibel nehmen. Ich stelle näm¬
lich die Gegenforderung, uns den Lohn für die 600000 Jsraeliten zu geben,
die ihr 430 Jahre lang in Aegypten in schwerer Sklavenarbeit gehalten habt.
Als die Kläger ihren Beweis vorbringen sollten, baten sie um drei Tage Zeit,
sich die Sache zu überlegen. Die Zeit verstrich aber, und sie fanden keine
Antwort; da verließen sie ihre Felder und Weinberge und flohen. Endlich
erschienen die Kinder Ismael's und der Ketura und sprachen: Nach Mose
gehört das Land Kanaan sowohl uns als euch. Da trat Gebiha den Passisa
abermals als Anwalt auf und sagte: Abraham hat, wie Mose erzählt, sein
Eigenthum bei seinem Leben unter seine Kinder vertheilt und sie dann ent¬
lassen; wenn nun ein Vater so handelt, kann wohl ein Kind dann noch Anspruch
an das andre erheben? Da verließen die Klüger den Richterstuhl Alexander's,
ohne ein Wort erwiedern zu können."

Besondere Bedeutung hat die im Traktat Tamid erzählte Sage, welche
eine Unterredung Alexander's mit den „Alten des Südens" (situs d-z-nsZoo)
schildert. Ihr Wortlaut ist folgender: „Alexander der Makedonier richtete
zehn Fragen an die Alten des Südens: 1.) Welche Entfernung ist größer,
die des Himmels von der Erde oder die von Westen nach Osten? Antwort:
Die von Westen nach Osten, denn steht die Sonne im Westen oder Osten, so
können alle in sie sehen, was aber nicht der Fall ist, wenn sie in der Mitte
des Himmels steht.'") 2.) Was wurde eher erschaffen, der Himmel oder die
Erde? Antwort: Der Himmel, wie bei Mose geschrieben steht. 3.) Was trat
eher in's Dasein, das Licht oder die Finsterniß? Diese Frage getrauten sich
die Weisen nicht zu beantworten, weil sie fürchteten, es könnten sich andere
schwer zu lösende Fragen daran knüpfen, z. B.: Was war vorher, und was
wird künftig sein? 4.) Wer ist weise? Antwort: Wer die Zukunft kennt.
Wer ein Held? Wer seine Leidenschaft beherrscht. Wer reich? Wer mit seinem
Theile zufrieden ist. 5.) Was soll der Mensch thun, um sich das Leben zu



Eine ähnliche Frage richtete nach Sanhedr der Kaiser Antonius an Nadir Jehuda
den Heiligen, dem die Redaktion der Mischna zugeschrieben wird. Er fragte: Warum geht
die Sonne im Osten auf und im Westen nieder? Wenn es umgekehrt wäre, gab der Nadir
zur Antwort, so würdest du mich auch so gefragt haben. Antoninus sprach: Warum geht
die Sonne im Westen unter und läuft nicht wieder bis zum Osten, wo sie aufgegangen ist?
Der Rabbi sagte: Damit sie ihren Schöpfer (der nach rabbinischer Vorstellung im Weste»
wohnt) beglückwünsche. Sie konnte ja bis zur Mitte des Himmels kommen, wandte der
Kaiser ein, den Schöpfer beglückwünschen und dann untergehen? Jehuda sagte: Daß sie
weitergeht, geschieht wegen der Arbeiter und Wanderer.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/278>, abgerufen am 23.11.2024.