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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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äußere Vorrechte ?e., beschränkt, wenn nicht etwa der jeweilige Inhaber der
Würde durch die Bedeutung seiner Persönlichkeit oder durch mächtige Ver¬
wandtschaft einen weiterreichenden Einfluß erlangte. Die Häuptlinge der zehn
Distrikte genossen das Vorrecht, sich Könige (wi) nennen lassen zu dürfen,
waren aber im übrigen ebenso ans die Zustimmung der wi-MIi ihres Distrikts
angewiesen wie die übrigen Häuptlinge. Ueber allen endlich thronte als Ober¬
könig das Oberhaupt des ganzen Staates, eine Würde, die in zwei Familien
erblich ist, innerhalb der letzten Jahrhunderte aber, abgesehen von den jüngsten
Verwickelungen, in der Familie der Malietoa sich behauptete. Wie die Unter¬
thanen, wenn man sie unter solchen Verhältnissen so nennen darf, keinerlei
Staatssteuer entrichteten, so erhielten auch die Häuptlinge keine Gehälter. Es
waren erhebliche Ehrenämter, denen sie vorstanden. Daß bei dem Mangel an
geschriebenen Gesetzen sich die eine oder andre Persönlichkeit in den Vorder¬
grund zu drängen und das Herkommen zu durchbrechen suchte, kam begreif¬
licher Weise häufig vor und gab dann bei der lebhaften Parteinahme und bei
den weitausgebreiteten Familien-Verwandtschaften in der Regel Veranlassung
zu einem allgemeinen Kriege. Aber auch die Einrichtung der Gemeinden und
Distrikte führte zu manchem Konflikt, der alle Bewohner in Mitleidenschaft
zog und den leicht erregbaren Kampfesmuth der Insulaner entflammte. So
kam es, daß das Kriegsgeschrei nur selten verstummte, und die Leute eigent¬
lich unter stetem Kampfe lebten, der die ursprünglichen politischen Verfassungen
nach und nach zertrümmerte. Auch für den Kriegsfall gab es übrigens be¬
stimmte Vorschriften. Jeder Erwachsene war zum Kriegsdienste verpflichtet,
jedes Dorf oder jede Gemeinde hatte ihre bestimmte Aufgabe, entweder als
Vorhut, Mitte oder Nachhut zu kämpfen, und erhielt demgemäß ihren Beute¬
antheil. Die einzelnen Abtheilungen unterschieden sich durch Abweichungen in
den Haartrachten und den Zierrathen des Kopfes. Auflauern und plötzliche
Ueberfälle bildeten die Hauptstärke ihrer Taktik. Allgemeine Kämpfe in
offener Feldschlacht erfolgten nur nach vorhergegangener Herausforderung.
Den Besiegten erwartete keine Schonung. Die gefangenen Krieger wurden
ohne Unterschied getödtet, die Frauen in Gefangenschaft geführt, die Dörfer
zerstört, die Felder verwüstet, und nur die außerordentliche Fruchtbarkeit be¬
wahrte bei dieser grausamen Kriegführung die Inseln vor Verödung. Sah
sich die eine Partei soweit reduzirt, daß sie um Frieden bitten mußte, so
warfen sich ihre Häuptlinge, Brennholz, Bambus und Steine (wie zur An¬
legung eines Ofens) tragend, vor den Siegern nieder und warteten stumm und
ergeben, ob es diesen gefiel, ihre Unterwerfung anzunehmen oder zurückzuweisen.
Im letzteren Falle wurden sie sogleich getödtet, im ersteren wurden sie sammt
ihrem Volke tributpflichtig. Als Waffen gebrauchten sie den starken mit Rochen-


Grenzbvten III. 1879. 31

äußere Vorrechte ?e., beschränkt, wenn nicht etwa der jeweilige Inhaber der
Würde durch die Bedeutung seiner Persönlichkeit oder durch mächtige Ver¬
wandtschaft einen weiterreichenden Einfluß erlangte. Die Häuptlinge der zehn
Distrikte genossen das Vorrecht, sich Könige (wi) nennen lassen zu dürfen,
waren aber im übrigen ebenso ans die Zustimmung der wi-MIi ihres Distrikts
angewiesen wie die übrigen Häuptlinge. Ueber allen endlich thronte als Ober¬
könig das Oberhaupt des ganzen Staates, eine Würde, die in zwei Familien
erblich ist, innerhalb der letzten Jahrhunderte aber, abgesehen von den jüngsten
Verwickelungen, in der Familie der Malietoa sich behauptete. Wie die Unter¬
thanen, wenn man sie unter solchen Verhältnissen so nennen darf, keinerlei
Staatssteuer entrichteten, so erhielten auch die Häuptlinge keine Gehälter. Es
waren erhebliche Ehrenämter, denen sie vorstanden. Daß bei dem Mangel an
geschriebenen Gesetzen sich die eine oder andre Persönlichkeit in den Vorder¬
grund zu drängen und das Herkommen zu durchbrechen suchte, kam begreif¬
licher Weise häufig vor und gab dann bei der lebhaften Parteinahme und bei
den weitausgebreiteten Familien-Verwandtschaften in der Regel Veranlassung
zu einem allgemeinen Kriege. Aber auch die Einrichtung der Gemeinden und
Distrikte führte zu manchem Konflikt, der alle Bewohner in Mitleidenschaft
zog und den leicht erregbaren Kampfesmuth der Insulaner entflammte. So
kam es, daß das Kriegsgeschrei nur selten verstummte, und die Leute eigent¬
lich unter stetem Kampfe lebten, der die ursprünglichen politischen Verfassungen
nach und nach zertrümmerte. Auch für den Kriegsfall gab es übrigens be¬
stimmte Vorschriften. Jeder Erwachsene war zum Kriegsdienste verpflichtet,
jedes Dorf oder jede Gemeinde hatte ihre bestimmte Aufgabe, entweder als
Vorhut, Mitte oder Nachhut zu kämpfen, und erhielt demgemäß ihren Beute¬
antheil. Die einzelnen Abtheilungen unterschieden sich durch Abweichungen in
den Haartrachten und den Zierrathen des Kopfes. Auflauern und plötzliche
Ueberfälle bildeten die Hauptstärke ihrer Taktik. Allgemeine Kämpfe in
offener Feldschlacht erfolgten nur nach vorhergegangener Herausforderung.
Den Besiegten erwartete keine Schonung. Die gefangenen Krieger wurden
ohne Unterschied getödtet, die Frauen in Gefangenschaft geführt, die Dörfer
zerstört, die Felder verwüstet, und nur die außerordentliche Fruchtbarkeit be¬
wahrte bei dieser grausamen Kriegführung die Inseln vor Verödung. Sah
sich die eine Partei soweit reduzirt, daß sie um Frieden bitten mußte, so
warfen sich ihre Häuptlinge, Brennholz, Bambus und Steine (wie zur An¬
legung eines Ofens) tragend, vor den Siegern nieder und warteten stumm und
ergeben, ob es diesen gefiel, ihre Unterwerfung anzunehmen oder zurückzuweisen.
Im letzteren Falle wurden sie sogleich getödtet, im ersteren wurden sie sammt
ihrem Volke tributpflichtig. Als Waffen gebrauchten sie den starken mit Rochen-


Grenzbvten III. 1879. 31
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[0243] äußere Vorrechte ?e., beschränkt, wenn nicht etwa der jeweilige Inhaber der Würde durch die Bedeutung seiner Persönlichkeit oder durch mächtige Ver¬ wandtschaft einen weiterreichenden Einfluß erlangte. Die Häuptlinge der zehn Distrikte genossen das Vorrecht, sich Könige (wi) nennen lassen zu dürfen, waren aber im übrigen ebenso ans die Zustimmung der wi-MIi ihres Distrikts angewiesen wie die übrigen Häuptlinge. Ueber allen endlich thronte als Ober¬ könig das Oberhaupt des ganzen Staates, eine Würde, die in zwei Familien erblich ist, innerhalb der letzten Jahrhunderte aber, abgesehen von den jüngsten Verwickelungen, in der Familie der Malietoa sich behauptete. Wie die Unter¬ thanen, wenn man sie unter solchen Verhältnissen so nennen darf, keinerlei Staatssteuer entrichteten, so erhielten auch die Häuptlinge keine Gehälter. Es waren erhebliche Ehrenämter, denen sie vorstanden. Daß bei dem Mangel an geschriebenen Gesetzen sich die eine oder andre Persönlichkeit in den Vorder¬ grund zu drängen und das Herkommen zu durchbrechen suchte, kam begreif¬ licher Weise häufig vor und gab dann bei der lebhaften Parteinahme und bei den weitausgebreiteten Familien-Verwandtschaften in der Regel Veranlassung zu einem allgemeinen Kriege. Aber auch die Einrichtung der Gemeinden und Distrikte führte zu manchem Konflikt, der alle Bewohner in Mitleidenschaft zog und den leicht erregbaren Kampfesmuth der Insulaner entflammte. So kam es, daß das Kriegsgeschrei nur selten verstummte, und die Leute eigent¬ lich unter stetem Kampfe lebten, der die ursprünglichen politischen Verfassungen nach und nach zertrümmerte. Auch für den Kriegsfall gab es übrigens be¬ stimmte Vorschriften. Jeder Erwachsene war zum Kriegsdienste verpflichtet, jedes Dorf oder jede Gemeinde hatte ihre bestimmte Aufgabe, entweder als Vorhut, Mitte oder Nachhut zu kämpfen, und erhielt demgemäß ihren Beute¬ antheil. Die einzelnen Abtheilungen unterschieden sich durch Abweichungen in den Haartrachten und den Zierrathen des Kopfes. Auflauern und plötzliche Ueberfälle bildeten die Hauptstärke ihrer Taktik. Allgemeine Kämpfe in offener Feldschlacht erfolgten nur nach vorhergegangener Herausforderung. Den Besiegten erwartete keine Schonung. Die gefangenen Krieger wurden ohne Unterschied getödtet, die Frauen in Gefangenschaft geführt, die Dörfer zerstört, die Felder verwüstet, und nur die außerordentliche Fruchtbarkeit be¬ wahrte bei dieser grausamen Kriegführung die Inseln vor Verödung. Sah sich die eine Partei soweit reduzirt, daß sie um Frieden bitten mußte, so warfen sich ihre Häuptlinge, Brennholz, Bambus und Steine (wie zur An¬ legung eines Ofens) tragend, vor den Siegern nieder und warteten stumm und ergeben, ob es diesen gefiel, ihre Unterwerfung anzunehmen oder zurückzuweisen. Im letzteren Falle wurden sie sogleich getödtet, im ersteren wurden sie sammt ihrem Volke tributpflichtig. Als Waffen gebrauchten sie den starken mit Rochen- Grenzbvten III. 1879. 31

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/243>, abgerufen am 09.11.2024.