Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite

lehrten Größe ein Gutachten erbat, von dem zu damaliger Zeit so berühmten In¬
haber des Lehrstuhls für politische Oekonomie an der Leipziger Universität,
von Pölitz. Statt aber List beizustehen, ließ der gelehrte Mann den weisen Be¬
scheid vernehmen: es könne noch gar nicht mit Bestimmtheit gesagt werden, inwie¬
fern dies Unternehmen nützlich und nothwendig sei, man könne nicht wissen,
welche Richtung in Zukunft der Waarenzug nehmen werde, und dies traurige
Urtheil ließ er gar noch in seinem Journal drucken. Da vertheilte List seine
Schrift gratis in 500 Exemplaren an sämmtliche Behörden, an den Stadtrath,
an die Stadtverordneten, an beide Hänser des Landtages, an die Ministerien,
an den Prinzen und den König, endlich an die Bankiers und angesehene Männer
des Großhandels in Leipzig und Dresden. Jetzt wurden seine Bestrebungen
weiteren Kreisen genauer bekannt. Mannigfach wurde ihm Dank ausgesprochen
für die Anregung der Angelegenheit, man gestand offen, List habe zuerst den
großen Beweis geführt und die öffentliche Meinung darüber belehrt, daß es
auf den Gesammtverkehr im Innern ankomme. Nun schöpfte List neuen Muth
für die weitere Entwickelung seiner Sache.

Alsbald setzten sich junge Männer von Bildung, Kapital und Ansehen mit
ihm in Verbindung, welche entschlossen waren, für die Eisenbahnen thätig zu
sein. Der Erste, der sich List zur Mitwirkung anbot, war der Bankier Wilhelm
Seyfferth. List suchte ihn auf und besprach in einer Konferenz mit ihm die
weiteren Schritte. Bei einer späteren Zusammenkunft war auch Dufour-Feronce
anwesend, und nun wurde eine Eingabe an die Regierung und an den Landtag
besprochen und beschlossen. Auch ein allgemein beliebter Staatsmann, der Hof-
und Justizrath v. Langenn, der an der Spitze der Regierung in Leipzig stand,
forderte List zu Konferenzen auf. Er war für die Sache ungemein begeistert,
und in wiederholten Unterredungen mußte List ihm Auskunft geben über
Alles, worüber er in Betreff der Eisenbahnen unterrichtet zu sein wünschte, über
das Technische, Finanzielle und Volkswirtschaftliche der Frage.

Bisher hatte List in Leipzig nur eine provisorische Wohnung mit gemie¬
theten Möbeln innegehabt, weil er die Absicht hatte, falls seine Sache hier
keinen Anklang fände, in einer andern deutschen Stadt oder in Paris seine
Bemühungen fortzusetzen. Als sich aber so angesehene Männer für die Unter¬
stützung seiner Pläne aussprachen, und Begeisterung für die Sache sich zeigte,
entschloß er sich, seineu dauernden Wohnsitz in Leipzig zu nehmen, nachdem er
sich vorher über die Ansichten der genannten Männer bezüglich seiner künftigen
Stellung zu dem projektirten Unternehmen Gewißheit verschafft hatte.

Der nächste Schritt war eine Eingabe an die Regierung und den Landtag,
um ein Expropriationsgesetz und die Konzessionirung einer Kompagnie, ferner
die Erlaubniß zur Niedersetzung einer städtischen Kommission und die Ueber-


Grenzboten III. I87S. g

lehrten Größe ein Gutachten erbat, von dem zu damaliger Zeit so berühmten In¬
haber des Lehrstuhls für politische Oekonomie an der Leipziger Universität,
von Pölitz. Statt aber List beizustehen, ließ der gelehrte Mann den weisen Be¬
scheid vernehmen: es könne noch gar nicht mit Bestimmtheit gesagt werden, inwie¬
fern dies Unternehmen nützlich und nothwendig sei, man könne nicht wissen,
welche Richtung in Zukunft der Waarenzug nehmen werde, und dies traurige
Urtheil ließ er gar noch in seinem Journal drucken. Da vertheilte List seine
Schrift gratis in 500 Exemplaren an sämmtliche Behörden, an den Stadtrath,
an die Stadtverordneten, an beide Hänser des Landtages, an die Ministerien,
an den Prinzen und den König, endlich an die Bankiers und angesehene Männer
des Großhandels in Leipzig und Dresden. Jetzt wurden seine Bestrebungen
weiteren Kreisen genauer bekannt. Mannigfach wurde ihm Dank ausgesprochen
für die Anregung der Angelegenheit, man gestand offen, List habe zuerst den
großen Beweis geführt und die öffentliche Meinung darüber belehrt, daß es
auf den Gesammtverkehr im Innern ankomme. Nun schöpfte List neuen Muth
für die weitere Entwickelung seiner Sache.

Alsbald setzten sich junge Männer von Bildung, Kapital und Ansehen mit
ihm in Verbindung, welche entschlossen waren, für die Eisenbahnen thätig zu
sein. Der Erste, der sich List zur Mitwirkung anbot, war der Bankier Wilhelm
Seyfferth. List suchte ihn auf und besprach in einer Konferenz mit ihm die
weiteren Schritte. Bei einer späteren Zusammenkunft war auch Dufour-Feronce
anwesend, und nun wurde eine Eingabe an die Regierung und an den Landtag
besprochen und beschlossen. Auch ein allgemein beliebter Staatsmann, der Hof-
und Justizrath v. Langenn, der an der Spitze der Regierung in Leipzig stand,
forderte List zu Konferenzen auf. Er war für die Sache ungemein begeistert,
und in wiederholten Unterredungen mußte List ihm Auskunft geben über
Alles, worüber er in Betreff der Eisenbahnen unterrichtet zu sein wünschte, über
das Technische, Finanzielle und Volkswirtschaftliche der Frage.

Bisher hatte List in Leipzig nur eine provisorische Wohnung mit gemie¬
theten Möbeln innegehabt, weil er die Absicht hatte, falls seine Sache hier
keinen Anklang fände, in einer andern deutschen Stadt oder in Paris seine
Bemühungen fortzusetzen. Als sich aber so angesehene Männer für die Unter¬
stützung seiner Pläne aussprachen, und Begeisterung für die Sache sich zeigte,
entschloß er sich, seineu dauernden Wohnsitz in Leipzig zu nehmen, nachdem er
sich vorher über die Ansichten der genannten Männer bezüglich seiner künftigen
Stellung zu dem projektirten Unternehmen Gewißheit verschafft hatte.

Der nächste Schritt war eine Eingabe an die Regierung und den Landtag,
um ein Expropriationsgesetz und die Konzessionirung einer Kompagnie, ferner
die Erlaubniß zur Niedersetzung einer städtischen Kommission und die Ueber-


Grenzboten III. I87S. g
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0023" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/142520"/>
          <p xml:id="ID_55" prev="#ID_54"> lehrten Größe ein Gutachten erbat, von dem zu damaliger Zeit so berühmten In¬<lb/>
haber des Lehrstuhls für politische Oekonomie an der Leipziger Universität,<lb/>
von Pölitz. Statt aber List beizustehen, ließ der gelehrte Mann den weisen Be¬<lb/>
scheid vernehmen: es könne noch gar nicht mit Bestimmtheit gesagt werden, inwie¬<lb/>
fern dies Unternehmen nützlich und nothwendig sei, man könne nicht wissen,<lb/>
welche Richtung in Zukunft der Waarenzug nehmen werde, und dies traurige<lb/>
Urtheil ließ er gar noch in seinem Journal drucken. Da vertheilte List seine<lb/>
Schrift gratis in 500 Exemplaren an sämmtliche Behörden, an den Stadtrath,<lb/>
an die Stadtverordneten, an beide Hänser des Landtages, an die Ministerien,<lb/>
an den Prinzen und den König, endlich an die Bankiers und angesehene Männer<lb/>
des Großhandels in Leipzig und Dresden. Jetzt wurden seine Bestrebungen<lb/>
weiteren Kreisen genauer bekannt. Mannigfach wurde ihm Dank ausgesprochen<lb/>
für die Anregung der Angelegenheit, man gestand offen, List habe zuerst den<lb/>
großen Beweis geführt und die öffentliche Meinung darüber belehrt, daß es<lb/>
auf den Gesammtverkehr im Innern ankomme. Nun schöpfte List neuen Muth<lb/>
für die weitere Entwickelung seiner Sache.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_56"> Alsbald setzten sich junge Männer von Bildung, Kapital und Ansehen mit<lb/>
ihm in Verbindung, welche entschlossen waren, für die Eisenbahnen thätig zu<lb/>
sein. Der Erste, der sich List zur Mitwirkung anbot, war der Bankier Wilhelm<lb/>
Seyfferth. List suchte ihn auf und besprach in einer Konferenz mit ihm die<lb/>
weiteren Schritte. Bei einer späteren Zusammenkunft war auch Dufour-Feronce<lb/>
anwesend, und nun wurde eine Eingabe an die Regierung und an den Landtag<lb/>
besprochen und beschlossen. Auch ein allgemein beliebter Staatsmann, der Hof-<lb/>
und Justizrath v. Langenn, der an der Spitze der Regierung in Leipzig stand,<lb/>
forderte List zu Konferenzen auf. Er war für die Sache ungemein begeistert,<lb/>
und in wiederholten Unterredungen mußte List ihm Auskunft geben über<lb/>
Alles, worüber er in Betreff der Eisenbahnen unterrichtet zu sein wünschte, über<lb/>
das Technische, Finanzielle und Volkswirtschaftliche der Frage.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_57"> Bisher hatte List in Leipzig nur eine provisorische Wohnung mit gemie¬<lb/>
theten Möbeln innegehabt, weil er die Absicht hatte, falls seine Sache hier<lb/>
keinen Anklang fände, in einer andern deutschen Stadt oder in Paris seine<lb/>
Bemühungen fortzusetzen. Als sich aber so angesehene Männer für die Unter¬<lb/>
stützung seiner Pläne aussprachen, und Begeisterung für die Sache sich zeigte,<lb/>
entschloß er sich, seineu dauernden Wohnsitz in Leipzig zu nehmen, nachdem er<lb/>
sich vorher über die Ansichten der genannten Männer bezüglich seiner künftigen<lb/>
Stellung zu dem projektirten Unternehmen Gewißheit verschafft hatte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_58" next="#ID_59"> Der nächste Schritt war eine Eingabe an die Regierung und den Landtag,<lb/>
um ein Expropriationsgesetz und die Konzessionirung einer Kompagnie, ferner<lb/>
die Erlaubniß zur Niedersetzung einer städtischen Kommission und die Ueber-</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten III. I87S. g</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0023] lehrten Größe ein Gutachten erbat, von dem zu damaliger Zeit so berühmten In¬ haber des Lehrstuhls für politische Oekonomie an der Leipziger Universität, von Pölitz. Statt aber List beizustehen, ließ der gelehrte Mann den weisen Be¬ scheid vernehmen: es könne noch gar nicht mit Bestimmtheit gesagt werden, inwie¬ fern dies Unternehmen nützlich und nothwendig sei, man könne nicht wissen, welche Richtung in Zukunft der Waarenzug nehmen werde, und dies traurige Urtheil ließ er gar noch in seinem Journal drucken. Da vertheilte List seine Schrift gratis in 500 Exemplaren an sämmtliche Behörden, an den Stadtrath, an die Stadtverordneten, an beide Hänser des Landtages, an die Ministerien, an den Prinzen und den König, endlich an die Bankiers und angesehene Männer des Großhandels in Leipzig und Dresden. Jetzt wurden seine Bestrebungen weiteren Kreisen genauer bekannt. Mannigfach wurde ihm Dank ausgesprochen für die Anregung der Angelegenheit, man gestand offen, List habe zuerst den großen Beweis geführt und die öffentliche Meinung darüber belehrt, daß es auf den Gesammtverkehr im Innern ankomme. Nun schöpfte List neuen Muth für die weitere Entwickelung seiner Sache. Alsbald setzten sich junge Männer von Bildung, Kapital und Ansehen mit ihm in Verbindung, welche entschlossen waren, für die Eisenbahnen thätig zu sein. Der Erste, der sich List zur Mitwirkung anbot, war der Bankier Wilhelm Seyfferth. List suchte ihn auf und besprach in einer Konferenz mit ihm die weiteren Schritte. Bei einer späteren Zusammenkunft war auch Dufour-Feronce anwesend, und nun wurde eine Eingabe an die Regierung und an den Landtag besprochen und beschlossen. Auch ein allgemein beliebter Staatsmann, der Hof- und Justizrath v. Langenn, der an der Spitze der Regierung in Leipzig stand, forderte List zu Konferenzen auf. Er war für die Sache ungemein begeistert, und in wiederholten Unterredungen mußte List ihm Auskunft geben über Alles, worüber er in Betreff der Eisenbahnen unterrichtet zu sein wünschte, über das Technische, Finanzielle und Volkswirtschaftliche der Frage. Bisher hatte List in Leipzig nur eine provisorische Wohnung mit gemie¬ theten Möbeln innegehabt, weil er die Absicht hatte, falls seine Sache hier keinen Anklang fände, in einer andern deutschen Stadt oder in Paris seine Bemühungen fortzusetzen. Als sich aber so angesehene Männer für die Unter¬ stützung seiner Pläne aussprachen, und Begeisterung für die Sache sich zeigte, entschloß er sich, seineu dauernden Wohnsitz in Leipzig zu nehmen, nachdem er sich vorher über die Ansichten der genannten Männer bezüglich seiner künftigen Stellung zu dem projektirten Unternehmen Gewißheit verschafft hatte. Der nächste Schritt war eine Eingabe an die Regierung und den Landtag, um ein Expropriationsgesetz und die Konzessionirung einer Kompagnie, ferner die Erlaubniß zur Niedersetzung einer städtischen Kommission und die Ueber- Grenzboten III. I87S. g

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/23
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/23>, abgerufen am 26.11.2024.