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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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und insbesondere über die Anlegung einer Eisenbahn von Leipzig nach Dres¬
den." Hier stellte er eine Bilanz für das Unternehmen auf, veranschlagte auf's
genaueste die Kosten, setzte ihnen die Einnahme aus dem bereits vorhandenen Ver¬
kehre entgegen und besprach alle Einwendungen, welche das Publikum gegen
seinen Vorschlag bereits erhoben hatte oder etwa noch erheben könnte. Er
trat für einen billigen Bau ein, um zuerst zu zeigen, daß ein derartiges Unter¬
nehmen rentiren werde, einen festeren Bau wünschte er noch einige Jahre
hinauszuschieben. Der Haupteinwand, der immer von neuem erhoben wurde,
daß Deutschland kein Geld habe, so großartige Unternehmungen auszuführen,
wurde der sorgfältigsten Erörterung unterzogen. Bereits in seinen "Mitthei¬
lungen" hatte er darüber höchst treffende Bemerkungen gemacht. "Man wird
vielleicht fragen, woher Baiern das Geld nehmen soll, um solche Riesenwerke
zu vollbringen? Ich antworte, daß ich noch an keinem der Kanäle oder Eisen¬
bahnen, die ich bis jetzt gesehen, Silber oder Gold wahrgenommen habe. Man
konsumirt dabei nur Lebensmittel, Eisen, Steine, Holz, Kräfte der Menschen
und Thiere. Ist aber nicht alles das in Baiern im Ueberfluß? Indem man
diesen Ueberfluß in Kanüle und Eisenbahnen verwandelt, die man noch nicht
besitzt, schafft man bleibende und dauernde Werthe, erschafft man Instrumente,
die alle produktiven Kräfte der Nation verdoppeln n. f. w." Alle diese Gründe
wiederholte er, den veränderten Verhältnissen angepaßt. Auf die Frage, wie
das Geld zu beschaffen sei, wies er darauf hin, daß man eine Kompagnie zu
bilden und vom Staate das Privilegium zu erwerben habe, Zettel auszugeben.
Der Schrift war ein Gesetzentwurf beigegeben, welcher die Grundzüge für die
Konstitnirung der Mtieukompaguie und für ein Expropriationsgesetz enthielt,
ferner die Idee, daß Kommissionen gebildet werden sollten für die genaue
Untersuchung und Prüfung der einzelnen Eisenbahnlinien. Auch das Privi¬
legium zur Ausgabe von Papiergeld ist in diesen Entwurf bereits aufgenom¬
men, ebenso das weit bedeutendere, welches die Kompagnie später so gar nicht zu
verwerthen verstand, daß sie allein die ausschließliche Konzession für das ganze
Königreich Sachsen besitzen sollte. Was aber das Bedeutendste an dem Schrift-
chen war, und worauf List auch mit Recht den meisten Werth legte, ist der
Umstand, daß sie sich auf die große, breite Basis eines sächsisch-deutschen Eisen¬
bahnsystems stellte.

Die Schrift fand wenig Anklang, desto mehr Gegner. Man trat offen damit
heraus, sie und ihren Verfasser lächerlich zu machen, tausend Einwendungen
dagegen zu erheben. Ein Aufsatz in der "Leipziger Zeitung" erklärte die Eisen¬
bahn von Leipzig nach Dresden für ein Riesenunternehmen, welches anzugrei¬
fen recht unklug sei. Da alle klugen Leute über List's Vorschlage spotteten, so
versuchte er sich dadurch Unterstützung zu verschaffen, daß er sich von einer ge-


und insbesondere über die Anlegung einer Eisenbahn von Leipzig nach Dres¬
den." Hier stellte er eine Bilanz für das Unternehmen auf, veranschlagte auf's
genaueste die Kosten, setzte ihnen die Einnahme aus dem bereits vorhandenen Ver¬
kehre entgegen und besprach alle Einwendungen, welche das Publikum gegen
seinen Vorschlag bereits erhoben hatte oder etwa noch erheben könnte. Er
trat für einen billigen Bau ein, um zuerst zu zeigen, daß ein derartiges Unter¬
nehmen rentiren werde, einen festeren Bau wünschte er noch einige Jahre
hinauszuschieben. Der Haupteinwand, der immer von neuem erhoben wurde,
daß Deutschland kein Geld habe, so großartige Unternehmungen auszuführen,
wurde der sorgfältigsten Erörterung unterzogen. Bereits in seinen „Mitthei¬
lungen" hatte er darüber höchst treffende Bemerkungen gemacht. „Man wird
vielleicht fragen, woher Baiern das Geld nehmen soll, um solche Riesenwerke
zu vollbringen? Ich antworte, daß ich noch an keinem der Kanäle oder Eisen¬
bahnen, die ich bis jetzt gesehen, Silber oder Gold wahrgenommen habe. Man
konsumirt dabei nur Lebensmittel, Eisen, Steine, Holz, Kräfte der Menschen
und Thiere. Ist aber nicht alles das in Baiern im Ueberfluß? Indem man
diesen Ueberfluß in Kanüle und Eisenbahnen verwandelt, die man noch nicht
besitzt, schafft man bleibende und dauernde Werthe, erschafft man Instrumente,
die alle produktiven Kräfte der Nation verdoppeln n. f. w." Alle diese Gründe
wiederholte er, den veränderten Verhältnissen angepaßt. Auf die Frage, wie
das Geld zu beschaffen sei, wies er darauf hin, daß man eine Kompagnie zu
bilden und vom Staate das Privilegium zu erwerben habe, Zettel auszugeben.
Der Schrift war ein Gesetzentwurf beigegeben, welcher die Grundzüge für die
Konstitnirung der Mtieukompaguie und für ein Expropriationsgesetz enthielt,
ferner die Idee, daß Kommissionen gebildet werden sollten für die genaue
Untersuchung und Prüfung der einzelnen Eisenbahnlinien. Auch das Privi¬
legium zur Ausgabe von Papiergeld ist in diesen Entwurf bereits aufgenom¬
men, ebenso das weit bedeutendere, welches die Kompagnie später so gar nicht zu
verwerthen verstand, daß sie allein die ausschließliche Konzession für das ganze
Königreich Sachsen besitzen sollte. Was aber das Bedeutendste an dem Schrift-
chen war, und worauf List auch mit Recht den meisten Werth legte, ist der
Umstand, daß sie sich auf die große, breite Basis eines sächsisch-deutschen Eisen¬
bahnsystems stellte.

Die Schrift fand wenig Anklang, desto mehr Gegner. Man trat offen damit
heraus, sie und ihren Verfasser lächerlich zu machen, tausend Einwendungen
dagegen zu erheben. Ein Aufsatz in der „Leipziger Zeitung" erklärte die Eisen¬
bahn von Leipzig nach Dresden für ein Riesenunternehmen, welches anzugrei¬
fen recht unklug sei. Da alle klugen Leute über List's Vorschlage spotteten, so
versuchte er sich dadurch Unterstützung zu verschaffen, daß er sich von einer ge-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/22>, abgerufen am 26.11.2024.