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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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erreichen sei; der Boden war noch nicht vorbereitet; es war nicht möglich,
große Salinen für bedeutendere Unternehmungen aufzunehmen. Gleichzeitig
aber hatte sich in ihm mehr und mehr die Ansicht bestärkt, daß Leipzig der
Punkt sei, von welchem aus auf Preußen sowohl wie auf Süddeutschland
eine Wirkung ausgeübt werdeu könne.

Ohne weitere Vorbereitung begab er sich mit seiner Familie dorthin. Da
er mehrere Empfehluugs- und Einführuugsschreiben hatte, so hoffte er, bald
diejenigen Männer aufzufinden, mit denen er gemeinschaftlich eine Gesellschaft
zum Bau einer Bahn in's Leben rufen könne. Er kam in einer offizielle"
Stellung als amerikanischer Konsul, die es ihm möglich machte, ungehindert
in Leipzig seinen Aufenthalt zu nehmen. Einnahmen hatte er von dieser
Stellung keine, im Gegentheil, sie erlegte ihm noch mancherlei Verpflichtungen
der Repräsentation auf.

Anfangs äußerte er sich obenhin über den Zweck seines Kommens, fand
aber keinen Anklang, geschweige denn irgend welche Aufmunterung. Damalige
Leipziger Lokalgrößen, wie die Stadträthe F. Müller und Seeburg, mit denen
List häufiger verkehrte und über die Eisenbahnen zu sprechen Gelegenheit hatte,
waren sür seine weiten Gesichtspunkte unempfänglich. Weder sie noch die
Handelskreise, mit denen er in Berührung kann, wollten glauben, daß auch nur
eine kleine Strecke Eisenbahn irgendwie rentiren könne. Doch wurde List bald
allgemein als Verfechter der Eisenbahnen bekannt und erklärte nnn auch offen,
daß der einzige Zweck seines Kommens allerdings die Thätigkeit für ein großes
Transportsystem sei; er habe sich entschlossen, vier bis sechs Jahre die öffent¬
liche Meinung Deutschland's zu bearbeiten, um die Eisenbahnen in Gang zu
bringen; er werde dieses Vorhaben jedenfalls zur Ausführung bringen, möge
es nun zu Resultaten sichren oder nicht.

Auf den ersten Blick hatte List gesehen, daß die Linie zwischen Leipzig und
Dresden den Anfang bilden müsse für das ganze System. Diese beiden Städte
mit einander oder Leipzig mit Magdeburg durch eine Bahn zu verbinden,
davon war schon früher in Leipzig die Rede gewesen; auch hatte man davon
gesprochen, von Leipzig nach Strehla an der Elbe zu bauen, indem man nur
den Güter- und Waarentransport im Auge hatte. Allein das waren hinge¬
worfene Ideen gewesen, meistens von Projektenmachern ersonnen, und Niemand
hatte sich gefunden, der Hand ein's Werk gelegt hätte. List ging daran, die
Verkehrsverhältnisse zwischen Leipzig und Dresden genau zu untersuchen, er
bereiste die Strecke, ging nach Dresden, zog Erkundigungen über den Personen¬
verkehr, den Steinkohlen-, Holz- und Salztransport ein und entwarf dann das
Schriftchen, welches die erste bedeutende Anregung gab: "Ueber ein sächsisches
Eisenbahnsystem als Grundlage eines allgemeinen deutschen Eisenbahnsystems


erreichen sei; der Boden war noch nicht vorbereitet; es war nicht möglich,
große Salinen für bedeutendere Unternehmungen aufzunehmen. Gleichzeitig
aber hatte sich in ihm mehr und mehr die Ansicht bestärkt, daß Leipzig der
Punkt sei, von welchem aus auf Preußen sowohl wie auf Süddeutschland
eine Wirkung ausgeübt werdeu könne.

Ohne weitere Vorbereitung begab er sich mit seiner Familie dorthin. Da
er mehrere Empfehluugs- und Einführuugsschreiben hatte, so hoffte er, bald
diejenigen Männer aufzufinden, mit denen er gemeinschaftlich eine Gesellschaft
zum Bau einer Bahn in's Leben rufen könne. Er kam in einer offizielle»
Stellung als amerikanischer Konsul, die es ihm möglich machte, ungehindert
in Leipzig seinen Aufenthalt zu nehmen. Einnahmen hatte er von dieser
Stellung keine, im Gegentheil, sie erlegte ihm noch mancherlei Verpflichtungen
der Repräsentation auf.

Anfangs äußerte er sich obenhin über den Zweck seines Kommens, fand
aber keinen Anklang, geschweige denn irgend welche Aufmunterung. Damalige
Leipziger Lokalgrößen, wie die Stadträthe F. Müller und Seeburg, mit denen
List häufiger verkehrte und über die Eisenbahnen zu sprechen Gelegenheit hatte,
waren sür seine weiten Gesichtspunkte unempfänglich. Weder sie noch die
Handelskreise, mit denen er in Berührung kann, wollten glauben, daß auch nur
eine kleine Strecke Eisenbahn irgendwie rentiren könne. Doch wurde List bald
allgemein als Verfechter der Eisenbahnen bekannt und erklärte nnn auch offen,
daß der einzige Zweck seines Kommens allerdings die Thätigkeit für ein großes
Transportsystem sei; er habe sich entschlossen, vier bis sechs Jahre die öffent¬
liche Meinung Deutschland's zu bearbeiten, um die Eisenbahnen in Gang zu
bringen; er werde dieses Vorhaben jedenfalls zur Ausführung bringen, möge
es nun zu Resultaten sichren oder nicht.

Auf den ersten Blick hatte List gesehen, daß die Linie zwischen Leipzig und
Dresden den Anfang bilden müsse für das ganze System. Diese beiden Städte
mit einander oder Leipzig mit Magdeburg durch eine Bahn zu verbinden,
davon war schon früher in Leipzig die Rede gewesen; auch hatte man davon
gesprochen, von Leipzig nach Strehla an der Elbe zu bauen, indem man nur
den Güter- und Waarentransport im Auge hatte. Allein das waren hinge¬
worfene Ideen gewesen, meistens von Projektenmachern ersonnen, und Niemand
hatte sich gefunden, der Hand ein's Werk gelegt hätte. List ging daran, die
Verkehrsverhältnisse zwischen Leipzig und Dresden genau zu untersuchen, er
bereiste die Strecke, ging nach Dresden, zog Erkundigungen über den Personen¬
verkehr, den Steinkohlen-, Holz- und Salztransport ein und entwarf dann das
Schriftchen, welches die erste bedeutende Anregung gab: „Ueber ein sächsisches
Eisenbahnsystem als Grundlage eines allgemeinen deutschen Eisenbahnsystems


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/21>, abgerufen am 27.07.2024.