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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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nie mit wüstem Kopfe und müden Gliedern, wohl aber stets mit erhöhter
Lebenslust und gehobenem Selbstgefühl heimkehrten. Niemand rühme sich,
Rosenkranz zu kennen, der in solchen Kreisen sein lebendiges Wort nicht gehört,
bei solcher Gelegenheit nicht unter dem Einflusse seiner Persönlichkeit gestanden!

Als wir -- fast gleichzeitig -- nach vollbrachtem Triennium oder Qua-
driennium von der alma maisr ^Ibgrting. uns losreißen mußten, erlosch zwar
unter ihren Burschenschafter die Firma Moolen^la, ihre Glieder aber nahmen
die nie welkende Blüthe der Poesie und das nie erkaltende Gefühl der Pietät
für ihren theuren Meister mit in's Philisterleben. Sollte außer dem Verfasser
dieser Zeiten noch ein "Nibelunge" von 1838 auf dieser Erde wallen, so rufe
ich ihn auf als Zeuge für die Treue meiner Schilderung jener unvergeßlichen
Tage. Wilhelm Jordan stand dem Bunde nahe, ohne ihm als Mitglied anzu¬
gehören. Er fühlte sich wohl damals schon stark genug auf den eigenen Füßen,
als daß er das Bedürfniß nach Anlehnung empfunden hätte. Zu den Stiftern des
Bundes dagegen zählten: W. Wald (in Odessa als Redakteur der "Deutschen
Zeitung" gestorben), v. Tilly (Jurist), Dittmer (Mediziner), Pohlmann, Rei-
mcmn, schwanke (Theologen), deren Tod gerttchtweise mir gemeldet worden,
v. Haacke (Landrath in Preußen), längst verstorben. So viel glaube ich sicher
zu wissen, daß unser Leben mit dem Sein und Wesen unsers geliebten Lehrers
stets aufs innigste verbunden geblieben. Kein Werk von einiger Bedeutung
ist durch uns ausgeführt, kein Buch in die Welt geschickt worden, von dem
unser Meister nicht Notiz, an dem er nicht innigen Antheil genommen hätte.
Der von ihm gehobene Hort -- so werthlos den Spöttern -- ist nicht in
den Rhein versenkt. Er lebt und wuchert fort in fernen Geschlechtern.


Hildebrandt.
2.) Die Berliner Dissertationen-Fabrik.

Durch alle größeren deutschen Zeitungen ist vor kurzem die beschämende
Kunde gegangen, daß die Staatsanwaltschaft in Berlin ein förmliches Institut
für Anfertigung von Doktor-Dissertationen und Prüfungsarbeiten, das von einem
Juden, Namens Rosenthal, geleitet worden ist, aufgehoben und die sämmtlichen
vorhandenen Papiere und Korrespondenzen desselben mit Beschlag belegt hat.
Im weiteren Verlaufe der Angelegenheit ist dann, wie man hört, an verschie¬
dene deutsche Universitäten das Beweismaterial abgeliefert worden, aus welchem
sich ergeben hat, daß eine Anzahl -- es ist noch nicht bekannt, wieviel, aber
die Zahl scheint nicht gering zu sein -- von Dissertationen und Prüfungs¬
arbeiten, auf Grund deren in der letzten Zeit Doktortitel verliehen und Kandi-


Grenzbotcn III. 1879. 2S

nie mit wüstem Kopfe und müden Gliedern, wohl aber stets mit erhöhter
Lebenslust und gehobenem Selbstgefühl heimkehrten. Niemand rühme sich,
Rosenkranz zu kennen, der in solchen Kreisen sein lebendiges Wort nicht gehört,
bei solcher Gelegenheit nicht unter dem Einflusse seiner Persönlichkeit gestanden!

Als wir — fast gleichzeitig — nach vollbrachtem Triennium oder Qua-
driennium von der alma maisr ^Ibgrting. uns losreißen mußten, erlosch zwar
unter ihren Burschenschafter die Firma Moolen^la, ihre Glieder aber nahmen
die nie welkende Blüthe der Poesie und das nie erkaltende Gefühl der Pietät
für ihren theuren Meister mit in's Philisterleben. Sollte außer dem Verfasser
dieser Zeiten noch ein „Nibelunge" von 1838 auf dieser Erde wallen, so rufe
ich ihn auf als Zeuge für die Treue meiner Schilderung jener unvergeßlichen
Tage. Wilhelm Jordan stand dem Bunde nahe, ohne ihm als Mitglied anzu¬
gehören. Er fühlte sich wohl damals schon stark genug auf den eigenen Füßen,
als daß er das Bedürfniß nach Anlehnung empfunden hätte. Zu den Stiftern des
Bundes dagegen zählten: W. Wald (in Odessa als Redakteur der „Deutschen
Zeitung" gestorben), v. Tilly (Jurist), Dittmer (Mediziner), Pohlmann, Rei-
mcmn, schwanke (Theologen), deren Tod gerttchtweise mir gemeldet worden,
v. Haacke (Landrath in Preußen), längst verstorben. So viel glaube ich sicher
zu wissen, daß unser Leben mit dem Sein und Wesen unsers geliebten Lehrers
stets aufs innigste verbunden geblieben. Kein Werk von einiger Bedeutung
ist durch uns ausgeführt, kein Buch in die Welt geschickt worden, von dem
unser Meister nicht Notiz, an dem er nicht innigen Antheil genommen hätte.
Der von ihm gehobene Hort — so werthlos den Spöttern — ist nicht in
den Rhein versenkt. Er lebt und wuchert fort in fernen Geschlechtern.


Hildebrandt.
2.) Die Berliner Dissertationen-Fabrik.

Durch alle größeren deutschen Zeitungen ist vor kurzem die beschämende
Kunde gegangen, daß die Staatsanwaltschaft in Berlin ein förmliches Institut
für Anfertigung von Doktor-Dissertationen und Prüfungsarbeiten, das von einem
Juden, Namens Rosenthal, geleitet worden ist, aufgehoben und die sämmtlichen
vorhandenen Papiere und Korrespondenzen desselben mit Beschlag belegt hat.
Im weiteren Verlaufe der Angelegenheit ist dann, wie man hört, an verschie¬
dene deutsche Universitäten das Beweismaterial abgeliefert worden, aus welchem
sich ergeben hat, daß eine Anzahl — es ist noch nicht bekannt, wieviel, aber
die Zahl scheint nicht gering zu sein — von Dissertationen und Prüfungs¬
arbeiten, auf Grund deren in der letzten Zeit Doktortitel verliehen und Kandi-


Grenzbotcn III. 1879. 2S
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/199>, abgerufen am 23.11.2024.