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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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datenprüfungen bestanden worden sind, nicht von den Examinanden selbst gefer¬
tigt, sondern sür Geld aus jenem Berliner Institut bezogen worden sind. Die
weitere Folge wird natürlich die Aberkennung aller in solcher Weise erhebli¬
cheren Titel und Aemter sein, und so viel uns bekannt geworden, ist es in
einzelnen Fällen bereits zu diesem für die Betheiligten gewiß unerwarteten
traurigen Nachspiel gekommen.

Der Berliner Fall steht leider nicht vereinzelt da. Vor wenigen Monaten
hat sich etwas ähnliches, wenn auch in weniger eklatanter Weise, in Leipzig
abgespielt, wo die Entdeckung durch die Gewissenhaftigkeit eines dortigen Real¬
schullehrers herbeigeführt wurde. Wiederholt war in den Leipziger Tagesblättern
eine geeignete Persönlichkeit zur Lösung mathematischer Aufgaben gesucht worden.
Der erwähnte Lehrer gab seine Adresse ab, erkannte aber an den ihm zuge¬
sandten Themen sofort, daß es sich dabei um gestellte Prüfmigsaufgaben handeln
müsse, und weitere Nachforschung ergab denn in der That, daß die ihm über-
gebenen Themata von der philosophischen Fakultät in Bonn einem dortigen
Studenten gestellt worden waren. Die gesetzliche Folge für den Betreffenden ist
natürlich die gewesen, daß er uun an keiner preußischen Universität wieder zu
einem Examen zugelassen wird. Dem Leipziger Vermittler konnte man in diesem
Falle nicht an den Kragen, weil er angeblich im Auftrage eines auswärtigen
größern Bureau's für wissenschaftliche Arbeiten und ohne Kenntniß von dem
betrügerischen Zwecke gehandelt hatte.

Das allermeiste bei diesen Vorgängen ist menschlich und begreiflich. Man
kann es natürlich finden, daß jemand in unsrer Zeit, zumal wenn dieser Jemand
ein Jude ist, schließlich auch auf diese Sorte von Industrie verfällt; denn was
ist so gemein, daß heute nicht ein Geschäft und ein Gewerbe daraus gemacht
würde? Man kann es auch natürlich finden, daß ängstliche Gemüther und
Streber, die einen im Bewußtsein ihrer Schwäche, die anderen getrieben durch
ihre Eitelkeit, ihr gutes Geld riskiren -- der Berliner Unternehmer hat sich
für jede Arbeit 450 Mark bezahlen lassen! --, um, im Falle des Gelingens,
entweder zu Amt und Brod oder zu einem Titel und damit auch vielleicht
noch zu etwas anderem -- zu einer reichen Frau? wer weiß? -- zu gelangen.
Eines aber bleibt uns unbegreiflich: Wie mögen die "Gelehrten" des Herrn
Rosenthal aussehen! Was mögen das für Leute, für Männer der Wissenschaft
sein, die für Geld fabrikmäßig x-beliebige "wissenschaftliche" Arbeiten liefern!
Was müßte das für ein Anblick sein, das gesammte Mitarbeiter-Kollegium des
Herrn Rosenthal einmal in einem Gruppenbilde photographirt zu sehen --
beiläufig eine Vorstellung, die uns auch dem Mitarbeiter- und Reporterkreise
mancher Zeitung gegenüber verfolgt, und deren Verwirklichung wir den gläu¬
bigen Lesern jener Zeitungen einmal von Herzen gönnten!


datenprüfungen bestanden worden sind, nicht von den Examinanden selbst gefer¬
tigt, sondern sür Geld aus jenem Berliner Institut bezogen worden sind. Die
weitere Folge wird natürlich die Aberkennung aller in solcher Weise erhebli¬
cheren Titel und Aemter sein, und so viel uns bekannt geworden, ist es in
einzelnen Fällen bereits zu diesem für die Betheiligten gewiß unerwarteten
traurigen Nachspiel gekommen.

Der Berliner Fall steht leider nicht vereinzelt da. Vor wenigen Monaten
hat sich etwas ähnliches, wenn auch in weniger eklatanter Weise, in Leipzig
abgespielt, wo die Entdeckung durch die Gewissenhaftigkeit eines dortigen Real¬
schullehrers herbeigeführt wurde. Wiederholt war in den Leipziger Tagesblättern
eine geeignete Persönlichkeit zur Lösung mathematischer Aufgaben gesucht worden.
Der erwähnte Lehrer gab seine Adresse ab, erkannte aber an den ihm zuge¬
sandten Themen sofort, daß es sich dabei um gestellte Prüfmigsaufgaben handeln
müsse, und weitere Nachforschung ergab denn in der That, daß die ihm über-
gebenen Themata von der philosophischen Fakultät in Bonn einem dortigen
Studenten gestellt worden waren. Die gesetzliche Folge für den Betreffenden ist
natürlich die gewesen, daß er uun an keiner preußischen Universität wieder zu
einem Examen zugelassen wird. Dem Leipziger Vermittler konnte man in diesem
Falle nicht an den Kragen, weil er angeblich im Auftrage eines auswärtigen
größern Bureau's für wissenschaftliche Arbeiten und ohne Kenntniß von dem
betrügerischen Zwecke gehandelt hatte.

Das allermeiste bei diesen Vorgängen ist menschlich und begreiflich. Man
kann es natürlich finden, daß jemand in unsrer Zeit, zumal wenn dieser Jemand
ein Jude ist, schließlich auch auf diese Sorte von Industrie verfällt; denn was
ist so gemein, daß heute nicht ein Geschäft und ein Gewerbe daraus gemacht
würde? Man kann es auch natürlich finden, daß ängstliche Gemüther und
Streber, die einen im Bewußtsein ihrer Schwäche, die anderen getrieben durch
ihre Eitelkeit, ihr gutes Geld riskiren — der Berliner Unternehmer hat sich
für jede Arbeit 450 Mark bezahlen lassen! —, um, im Falle des Gelingens,
entweder zu Amt und Brod oder zu einem Titel und damit auch vielleicht
noch zu etwas anderem — zu einer reichen Frau? wer weiß? — zu gelangen.
Eines aber bleibt uns unbegreiflich: Wie mögen die „Gelehrten" des Herrn
Rosenthal aussehen! Was mögen das für Leute, für Männer der Wissenschaft
sein, die für Geld fabrikmäßig x-beliebige „wissenschaftliche" Arbeiten liefern!
Was müßte das für ein Anblick sein, das gesammte Mitarbeiter-Kollegium des
Herrn Rosenthal einmal in einem Gruppenbilde photographirt zu sehen —
beiläufig eine Vorstellung, die uns auch dem Mitarbeiter- und Reporterkreise
mancher Zeitung gegenüber verfolgt, und deren Verwirklichung wir den gläu¬
bigen Lesern jener Zeitungen einmal von Herzen gönnten!


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/200>, abgerufen am 24.11.2024.