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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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die der genußsüchtige Stellvertreter Gottes sich auferlegte: er sah schaudernd
die Wirkung der Giftfrucht, die er erzeugt, gegen sein eignes Blut sich kehren.
Burkard selbst hat der That und der nicht geringen Summe von Konsequenzen,
die aus ihr sich ziehen ließ, kein Wort gewidmet, wie es denn überhaupt seine
Art ist, tiefere Raisonnements, besonders über schlimme Ereignisse -- vielleicht
mit berechtigter Aengstlichkeit -- zu unterdrücken. Auch über den Charakter
Cesare's und was er sonst von ihm halte, hat er sich nicht geäußert, dagegen
hat er mit objektiver Treue aufgezeichnet, was der Papstsohn vollbrachte; seine
Züge nach dem floreniinischen Gebiet, der Romagna, seine Kämpfe mit den
kleineren italienischen Fürsten treten uns in den Hauptpunkten entgegen. So
besonders jener berühmte Zug durch die Romagna, den MaechiavelK's meister¬
hafte Berichterstattung an die florentiner Signorie so klar und anschaulich vor¬
führte; die Vorbereitungen zur Tragödie von Sinigaglia, durch welche Cesare die
Orsini und ihren Anhang in ihren bedeutenderen Vertretern vernichtete, werden
gleichsam vor unseren Augen getroffen. "Der Herzog," heißt es unterm 3. Januar
1503, "befand sich mit Vitellozzo -- einem der hervorragendsten Parteigänger
der Orsini -- und Anderen vor der Burg von Sinigaglia und spiegelte vor,
er wolle sie jetzt nicht belagern, sondern lieber einen Vergleich eingehen, zu
dem er alle Genannten einlud. Der Herzog trat in ein Haus, ihm folgte
Paulo (Orsini), vom Herzog speziell eingeladen, und Vitellozzo, den Paulo auf¬
gefordert hatte. Nachdem sie in der Aula angelangt waren, trat der Herzog
mit zahlreicher Mannschaft in's Zimmer des Vitellozzo. Einige sagten dem
Vitellozzo, andere dem Paulo, andere den Uebrigen: Ihr seid Gefangene." Als
er das gehört hatte, verwundete Vitellozzo einen der Hinzustürzenden mit ge¬
zogenem Schwerte, nichtsdestoweniger wurden er und die anderen festgehalten.
Vitellozzo und Oliverotto da Fermo, ein andrer Parteigänger, wurden an
demselben Abend erwürgt, Paulo und der Herzog von Gramm mußten am
18. Januar auf sienesischem Boden im Castell della Pieve ihr Leben lassen.
Der Papst verstand den Triumph des Sohnes auszunutzen. Gleich als die
Nachricht von der Einnahme Sinigaglia's eingetroffen war, ließ er dieselbe
-- es war am 3. Januar -- dem Kardinal Orsini und seinem Anhänger
Jacopo Santa Croce melden. "Deshalb ritt," sagt Burkard, "derselbe Kardinal,
um dem Papste zu gratuliren, heute morgen zum Palast und mit ihm der
Governatore der Stadt, der vorgab, daß er zufällig mit ihm zusammentreffe."
Als nun der Kardinal in den päpstlichen Palast gekommen war, nahm man
ihm seine Pferde und Maulesel ab und führte sie in den päpstlichen Stall;
im Saale der Papageien verhaftete man darauf den Kardinal, "und sogleich
wurde er nach einer Zelle in Tordinona nahe beim päpstlichen Garten ge¬
führt" ; mit ihm wurden der Protonotar Orsiui, Jacopo Santa Croce und der


die der genußsüchtige Stellvertreter Gottes sich auferlegte: er sah schaudernd
die Wirkung der Giftfrucht, die er erzeugt, gegen sein eignes Blut sich kehren.
Burkard selbst hat der That und der nicht geringen Summe von Konsequenzen,
die aus ihr sich ziehen ließ, kein Wort gewidmet, wie es denn überhaupt seine
Art ist, tiefere Raisonnements, besonders über schlimme Ereignisse — vielleicht
mit berechtigter Aengstlichkeit — zu unterdrücken. Auch über den Charakter
Cesare's und was er sonst von ihm halte, hat er sich nicht geäußert, dagegen
hat er mit objektiver Treue aufgezeichnet, was der Papstsohn vollbrachte; seine
Züge nach dem floreniinischen Gebiet, der Romagna, seine Kämpfe mit den
kleineren italienischen Fürsten treten uns in den Hauptpunkten entgegen. So
besonders jener berühmte Zug durch die Romagna, den MaechiavelK's meister¬
hafte Berichterstattung an die florentiner Signorie so klar und anschaulich vor¬
führte; die Vorbereitungen zur Tragödie von Sinigaglia, durch welche Cesare die
Orsini und ihren Anhang in ihren bedeutenderen Vertretern vernichtete, werden
gleichsam vor unseren Augen getroffen. „Der Herzog," heißt es unterm 3. Januar
1503, „befand sich mit Vitellozzo — einem der hervorragendsten Parteigänger
der Orsini — und Anderen vor der Burg von Sinigaglia und spiegelte vor,
er wolle sie jetzt nicht belagern, sondern lieber einen Vergleich eingehen, zu
dem er alle Genannten einlud. Der Herzog trat in ein Haus, ihm folgte
Paulo (Orsini), vom Herzog speziell eingeladen, und Vitellozzo, den Paulo auf¬
gefordert hatte. Nachdem sie in der Aula angelangt waren, trat der Herzog
mit zahlreicher Mannschaft in's Zimmer des Vitellozzo. Einige sagten dem
Vitellozzo, andere dem Paulo, andere den Uebrigen: Ihr seid Gefangene." Als
er das gehört hatte, verwundete Vitellozzo einen der Hinzustürzenden mit ge¬
zogenem Schwerte, nichtsdestoweniger wurden er und die anderen festgehalten.
Vitellozzo und Oliverotto da Fermo, ein andrer Parteigänger, wurden an
demselben Abend erwürgt, Paulo und der Herzog von Gramm mußten am
18. Januar auf sienesischem Boden im Castell della Pieve ihr Leben lassen.
Der Papst verstand den Triumph des Sohnes auszunutzen. Gleich als die
Nachricht von der Einnahme Sinigaglia's eingetroffen war, ließ er dieselbe
— es war am 3. Januar — dem Kardinal Orsini und seinem Anhänger
Jacopo Santa Croce melden. „Deshalb ritt," sagt Burkard, „derselbe Kardinal,
um dem Papste zu gratuliren, heute morgen zum Palast und mit ihm der
Governatore der Stadt, der vorgab, daß er zufällig mit ihm zusammentreffe."
Als nun der Kardinal in den päpstlichen Palast gekommen war, nahm man
ihm seine Pferde und Maulesel ab und führte sie in den päpstlichen Stall;
im Saale der Papageien verhaftete man darauf den Kardinal, „und sogleich
wurde er nach einer Zelle in Tordinona nahe beim päpstlichen Garten ge¬
führt" ; mit ihm wurden der Protonotar Orsiui, Jacopo Santa Croce und der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/190>, abgerufen am 27.11.2024.