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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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Abt Bernardo Alviano. der Bruder des venetianischen Parteigenossen der
Orsini, Bartolommeo Alviauo, eingekerkert. "Am Donnerstag wurde der Kar¬
dinal Orsini nach dem Castell Sant' Angelo gebracht ... Am Abend des ge¬
nannten Tages -- es ist vom 4. Januar die Rede -- ließ der Stadtproku¬
rator alle Besitzthümer des Kardinals Orsini in den päpstlichen Palast bringen."
Alle Bitten der Kardinäle und Verwandten, ebenso die einer Geliebten des
Kardinals, die dem Papste eine kostbare Perle überreichte, waren umsonst.
Am 22. Februar starb der Kardinal. Der venetianische Gesandte, Antonio
Giustinian, schreibt seiner Regierung, am 24. habe der Papst die Aerzte, die
den Kardinal behandelt, zusammenrufen lassen, um festzustellen, daß sein Tod
auf natürliche Weise erfolgt und nicht gewaltsam oder durch Gift herbeigeführt
worden sei; darüber sei dann ein Protokoll aufgenommen worden. Burkard's
Diarien brechen leider mit einer kurzen Notiz über die Beerdigung des Kar¬
dinals ab: "Der Papst übertrug meinem Genossen, daß er die Leichenfeier
besorge. Ich wollte nicht dabei sein, denn ich wollte nicht mehr, als nöthig ist,
wissen." Seltsam, daß in zwei Fällen von so großer Wichtigkeit, wie die Er¬
mordung des Herzogs von Gambia und die Vergiftung des Kardinals Orsini,
Burkard sich fern zu halten suchte von den Pflichten, die ihm die Bestattungs¬
feier auferlegt hätte.

Vom 22. Februar bis zum 12. August 1503 ist eine Lücke in den Abschriften
der Diarien: an dem letztgenannten Tage setzt Burkard mit Mittheilungen über
den Verlauf der Krankheit Alexander's VI. wieder ein. Es ist bekannt, daß
der Papst an Gift starb; streitig mag sein, unter welchen Umständen es geschah,
ob durch Versehen, indem für einen Anderen bestimmtes Gift ihm gereicht
wurde, oder auf Anstiften des Kardinals Adrian von Corneto. Burkard be¬
richtet übereinstimmend mit mehreren anderen Quellen, wie die Krankheit sich
entwickelte. Nur eine Notiz aus seinen Nachrichten mag hier hervorgehoben
sein, welche das Verhältniß des Papstes zu Cesare und zu Lucrezia betrifft.
"Der Herzog," lesen wir bei Burkard, "kam niemals zum Papst während dessen
ganzer Krankheit, auch nicht, als er im Sterben lag, noch gedachte der Papst
jemals auch nur mit einem Worte seiner oder der Lucrezia während seiner
ganzen Krankheit." Man sieht, mit dem Todesschauer paarte sich das Grauen
über sein eigenes Blut.

In welchem Verhältniß Burkard zu Lucrezia stand, ist nicht zu ermitteln;
auch nicht eine gelegentliche Andeutung über Wesen und Charakter derselben
findet sich bei ihm. Und doch wäre es, neben dem historischen, auch von
psychologischem Interesse, das Urtheil eines Mannes, der sie aufwachsen und
sich entwickeln sah, über sie zu vernehmen, besonders auch darüber, wie ihre
Beziehungen zu ihren Brüdern, vorzüglich zu Cesare, waren. Der schon


Grenzwten III. 1879. 24

Abt Bernardo Alviano. der Bruder des venetianischen Parteigenossen der
Orsini, Bartolommeo Alviauo, eingekerkert. „Am Donnerstag wurde der Kar¬
dinal Orsini nach dem Castell Sant' Angelo gebracht ... Am Abend des ge¬
nannten Tages — es ist vom 4. Januar die Rede — ließ der Stadtproku¬
rator alle Besitzthümer des Kardinals Orsini in den päpstlichen Palast bringen."
Alle Bitten der Kardinäle und Verwandten, ebenso die einer Geliebten des
Kardinals, die dem Papste eine kostbare Perle überreichte, waren umsonst.
Am 22. Februar starb der Kardinal. Der venetianische Gesandte, Antonio
Giustinian, schreibt seiner Regierung, am 24. habe der Papst die Aerzte, die
den Kardinal behandelt, zusammenrufen lassen, um festzustellen, daß sein Tod
auf natürliche Weise erfolgt und nicht gewaltsam oder durch Gift herbeigeführt
worden sei; darüber sei dann ein Protokoll aufgenommen worden. Burkard's
Diarien brechen leider mit einer kurzen Notiz über die Beerdigung des Kar¬
dinals ab: „Der Papst übertrug meinem Genossen, daß er die Leichenfeier
besorge. Ich wollte nicht dabei sein, denn ich wollte nicht mehr, als nöthig ist,
wissen." Seltsam, daß in zwei Fällen von so großer Wichtigkeit, wie die Er¬
mordung des Herzogs von Gambia und die Vergiftung des Kardinals Orsini,
Burkard sich fern zu halten suchte von den Pflichten, die ihm die Bestattungs¬
feier auferlegt hätte.

Vom 22. Februar bis zum 12. August 1503 ist eine Lücke in den Abschriften
der Diarien: an dem letztgenannten Tage setzt Burkard mit Mittheilungen über
den Verlauf der Krankheit Alexander's VI. wieder ein. Es ist bekannt, daß
der Papst an Gift starb; streitig mag sein, unter welchen Umständen es geschah,
ob durch Versehen, indem für einen Anderen bestimmtes Gift ihm gereicht
wurde, oder auf Anstiften des Kardinals Adrian von Corneto. Burkard be¬
richtet übereinstimmend mit mehreren anderen Quellen, wie die Krankheit sich
entwickelte. Nur eine Notiz aus seinen Nachrichten mag hier hervorgehoben
sein, welche das Verhältniß des Papstes zu Cesare und zu Lucrezia betrifft.
„Der Herzog," lesen wir bei Burkard, „kam niemals zum Papst während dessen
ganzer Krankheit, auch nicht, als er im Sterben lag, noch gedachte der Papst
jemals auch nur mit einem Worte seiner oder der Lucrezia während seiner
ganzen Krankheit." Man sieht, mit dem Todesschauer paarte sich das Grauen
über sein eigenes Blut.

In welchem Verhältniß Burkard zu Lucrezia stand, ist nicht zu ermitteln;
auch nicht eine gelegentliche Andeutung über Wesen und Charakter derselben
findet sich bei ihm. Und doch wäre es, neben dem historischen, auch von
psychologischem Interesse, das Urtheil eines Mannes, der sie aufwachsen und
sich entwickeln sah, über sie zu vernehmen, besonders auch darüber, wie ihre
Beziehungen zu ihren Brüdern, vorzüglich zu Cesare, waren. Der schon


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[0191] Abt Bernardo Alviano. der Bruder des venetianischen Parteigenossen der Orsini, Bartolommeo Alviauo, eingekerkert. „Am Donnerstag wurde der Kar¬ dinal Orsini nach dem Castell Sant' Angelo gebracht ... Am Abend des ge¬ nannten Tages — es ist vom 4. Januar die Rede — ließ der Stadtproku¬ rator alle Besitzthümer des Kardinals Orsini in den päpstlichen Palast bringen." Alle Bitten der Kardinäle und Verwandten, ebenso die einer Geliebten des Kardinals, die dem Papste eine kostbare Perle überreichte, waren umsonst. Am 22. Februar starb der Kardinal. Der venetianische Gesandte, Antonio Giustinian, schreibt seiner Regierung, am 24. habe der Papst die Aerzte, die den Kardinal behandelt, zusammenrufen lassen, um festzustellen, daß sein Tod auf natürliche Weise erfolgt und nicht gewaltsam oder durch Gift herbeigeführt worden sei; darüber sei dann ein Protokoll aufgenommen worden. Burkard's Diarien brechen leider mit einer kurzen Notiz über die Beerdigung des Kar¬ dinals ab: „Der Papst übertrug meinem Genossen, daß er die Leichenfeier besorge. Ich wollte nicht dabei sein, denn ich wollte nicht mehr, als nöthig ist, wissen." Seltsam, daß in zwei Fällen von so großer Wichtigkeit, wie die Er¬ mordung des Herzogs von Gambia und die Vergiftung des Kardinals Orsini, Burkard sich fern zu halten suchte von den Pflichten, die ihm die Bestattungs¬ feier auferlegt hätte. Vom 22. Februar bis zum 12. August 1503 ist eine Lücke in den Abschriften der Diarien: an dem letztgenannten Tage setzt Burkard mit Mittheilungen über den Verlauf der Krankheit Alexander's VI. wieder ein. Es ist bekannt, daß der Papst an Gift starb; streitig mag sein, unter welchen Umständen es geschah, ob durch Versehen, indem für einen Anderen bestimmtes Gift ihm gereicht wurde, oder auf Anstiften des Kardinals Adrian von Corneto. Burkard be¬ richtet übereinstimmend mit mehreren anderen Quellen, wie die Krankheit sich entwickelte. Nur eine Notiz aus seinen Nachrichten mag hier hervorgehoben sein, welche das Verhältniß des Papstes zu Cesare und zu Lucrezia betrifft. „Der Herzog," lesen wir bei Burkard, „kam niemals zum Papst während dessen ganzer Krankheit, auch nicht, als er im Sterben lag, noch gedachte der Papst jemals auch nur mit einem Worte seiner oder der Lucrezia während seiner ganzen Krankheit." Man sieht, mit dem Todesschauer paarte sich das Grauen über sein eigenes Blut. In welchem Verhältniß Burkard zu Lucrezia stand, ist nicht zu ermitteln; auch nicht eine gelegentliche Andeutung über Wesen und Charakter derselben findet sich bei ihm. Und doch wäre es, neben dem historischen, auch von psychologischem Interesse, das Urtheil eines Mannes, der sie aufwachsen und sich entwickeln sah, über sie zu vernehmen, besonders auch darüber, wie ihre Beziehungen zu ihren Brüdern, vorzüglich zu Cesare, waren. Der schon Grenzwten III. 1879. 24

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/191>, abgerufen am 01.09.2024.