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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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weiteres wie die Anhänger des Hauses Orleans zu verfahren, dessen Mitglieder
im Lande wohnen. Auch der Prinz Jerome ist in diesem Falle, und er wird
kaum geneigt sein, seinen Aufenthalt aus Frankreich nach England oder sonst
in ein Nachbarland zu verlegen. Ferner haben die Bonapartisten wohl oder
übel seiner Vergangenheit Rechnung zu tragen. Als die bigotte Kaiserin ihre
Reichsverweserin war, ging es ganz wohl an, daß man mit dem Klerus lieb¬
äugelte, sich mit ihm zusammenfand und mit ihm unter einer Decke spielte;
aber eigenthümlich würde es aussehen, wenn man dieses Spiel unter dem
Prätendenten Jerome, dem Voltairianer, dem Glaubeusverwandten Renan's, in
der bisherigen Weise fortsetzen wollte. Unmöglich ist aber eine Verständigung
mit Rom in andrer Weise nicht; denn die Republick wird immer gefährlicher
sein als die Monarchie, sei deren Vertreter auch noch so glaubenslos.

Der Bonapartismus war endlich seit 1871 allmählich dahin gelangt, daß
er so ziemlich alle ihm angeflogenen demokratischen Grundsätze abgestreift hatte.
Unter Jerome, dem "rothen Prinzen", wird er sie sich möglichst rasch wieder
anschaffen müssen; denn das nunmehr gebotene Jntriguenspiel kann im wesent¬
lichen nur eine Wiederholung des Experiments von 1848 bis 1851 unter weniger
günstigen Umständen sein. Die Republikaner werden sich diesmal nicht so
leicht bethören und überraschen lassen, und es wird daher größerer Klugheit
und Verstellungsgabe bedürfen, wenn die Sache gelingen soll. Andrerseits aber
werden die unheimlichen Kräfte, denen man durch die Zurückverlegung der
Kammern nach Paris von neuem zu Einfluß verholfen hat, sehr bald zu wirken
beginnen und dem Imperialismus, wenn er geschickt und vorsichtig operirt.
^ bestens in die Hände arbeiten.




Die Kationaltiöeral'en in Jaden.

Die gegenwärtigen Parteiverhültnisse Baden's geben ein ziemlich treues
Spiegelbild der preußischen ab. Das gilt vor allem in Bezug auf den National¬
liberalismus, dessen süddeutsche Domäne ja bisher recht eigentlich Baden ge¬
wesen ist, der aber gegenwärtig hier vielleicht einen schlimmeren Stand als in
irgend einem andern Bundesstaate hat, trotzdem daß auch bei uns das Mög¬
lichste geschehen ist, um die öffentliche Meinung, diesen Spielball weniger wir¬
kender Kräfte, zu verwirren. Auch hier zittert zur Zeit die Bewegung noch
nach, welche die wirthschaftliche Frage aufgeregt hat. Aber das Publikum


weiteres wie die Anhänger des Hauses Orleans zu verfahren, dessen Mitglieder
im Lande wohnen. Auch der Prinz Jerome ist in diesem Falle, und er wird
kaum geneigt sein, seinen Aufenthalt aus Frankreich nach England oder sonst
in ein Nachbarland zu verlegen. Ferner haben die Bonapartisten wohl oder
übel seiner Vergangenheit Rechnung zu tragen. Als die bigotte Kaiserin ihre
Reichsverweserin war, ging es ganz wohl an, daß man mit dem Klerus lieb¬
äugelte, sich mit ihm zusammenfand und mit ihm unter einer Decke spielte;
aber eigenthümlich würde es aussehen, wenn man dieses Spiel unter dem
Prätendenten Jerome, dem Voltairianer, dem Glaubeusverwandten Renan's, in
der bisherigen Weise fortsetzen wollte. Unmöglich ist aber eine Verständigung
mit Rom in andrer Weise nicht; denn die Republick wird immer gefährlicher
sein als die Monarchie, sei deren Vertreter auch noch so glaubenslos.

Der Bonapartismus war endlich seit 1871 allmählich dahin gelangt, daß
er so ziemlich alle ihm angeflogenen demokratischen Grundsätze abgestreift hatte.
Unter Jerome, dem „rothen Prinzen", wird er sie sich möglichst rasch wieder
anschaffen müssen; denn das nunmehr gebotene Jntriguenspiel kann im wesent¬
lichen nur eine Wiederholung des Experiments von 1848 bis 1851 unter weniger
günstigen Umständen sein. Die Republikaner werden sich diesmal nicht so
leicht bethören und überraschen lassen, und es wird daher größerer Klugheit
und Verstellungsgabe bedürfen, wenn die Sache gelingen soll. Andrerseits aber
werden die unheimlichen Kräfte, denen man durch die Zurückverlegung der
Kammern nach Paris von neuem zu Einfluß verholfen hat, sehr bald zu wirken
beginnen und dem Imperialismus, wenn er geschickt und vorsichtig operirt.
^ bestens in die Hände arbeiten.




Die Kationaltiöeral'en in Jaden.

Die gegenwärtigen Parteiverhültnisse Baden's geben ein ziemlich treues
Spiegelbild der preußischen ab. Das gilt vor allem in Bezug auf den National¬
liberalismus, dessen süddeutsche Domäne ja bisher recht eigentlich Baden ge¬
wesen ist, der aber gegenwärtig hier vielleicht einen schlimmeren Stand als in
irgend einem andern Bundesstaate hat, trotzdem daß auch bei uns das Mög¬
lichste geschehen ist, um die öffentliche Meinung, diesen Spielball weniger wir¬
kender Kräfte, zu verwirren. Auch hier zittert zur Zeit die Bewegung noch
nach, welche die wirthschaftliche Frage aufgeregt hat. Aber das Publikum


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[0179] weiteres wie die Anhänger des Hauses Orleans zu verfahren, dessen Mitglieder im Lande wohnen. Auch der Prinz Jerome ist in diesem Falle, und er wird kaum geneigt sein, seinen Aufenthalt aus Frankreich nach England oder sonst in ein Nachbarland zu verlegen. Ferner haben die Bonapartisten wohl oder übel seiner Vergangenheit Rechnung zu tragen. Als die bigotte Kaiserin ihre Reichsverweserin war, ging es ganz wohl an, daß man mit dem Klerus lieb¬ äugelte, sich mit ihm zusammenfand und mit ihm unter einer Decke spielte; aber eigenthümlich würde es aussehen, wenn man dieses Spiel unter dem Prätendenten Jerome, dem Voltairianer, dem Glaubeusverwandten Renan's, in der bisherigen Weise fortsetzen wollte. Unmöglich ist aber eine Verständigung mit Rom in andrer Weise nicht; denn die Republick wird immer gefährlicher sein als die Monarchie, sei deren Vertreter auch noch so glaubenslos. Der Bonapartismus war endlich seit 1871 allmählich dahin gelangt, daß er so ziemlich alle ihm angeflogenen demokratischen Grundsätze abgestreift hatte. Unter Jerome, dem „rothen Prinzen", wird er sie sich möglichst rasch wieder anschaffen müssen; denn das nunmehr gebotene Jntriguenspiel kann im wesent¬ lichen nur eine Wiederholung des Experiments von 1848 bis 1851 unter weniger günstigen Umständen sein. Die Republikaner werden sich diesmal nicht so leicht bethören und überraschen lassen, und es wird daher größerer Klugheit und Verstellungsgabe bedürfen, wenn die Sache gelingen soll. Andrerseits aber werden die unheimlichen Kräfte, denen man durch die Zurückverlegung der Kammern nach Paris von neuem zu Einfluß verholfen hat, sehr bald zu wirken beginnen und dem Imperialismus, wenn er geschickt und vorsichtig operirt. ^ bestens in die Hände arbeiten. Die Kationaltiöeral'en in Jaden. Die gegenwärtigen Parteiverhültnisse Baden's geben ein ziemlich treues Spiegelbild der preußischen ab. Das gilt vor allem in Bezug auf den National¬ liberalismus, dessen süddeutsche Domäne ja bisher recht eigentlich Baden ge¬ wesen ist, der aber gegenwärtig hier vielleicht einen schlimmeren Stand als in irgend einem andern Bundesstaate hat, trotzdem daß auch bei uns das Mög¬ lichste geschehen ist, um die öffentliche Meinung, diesen Spielball weniger wir¬ kender Kräfte, zu verwirren. Auch hier zittert zur Zeit die Bewegung noch nach, welche die wirthschaftliche Frage aufgeregt hat. Aber das Publikum

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/179>, abgerufen am 27.11.2024.