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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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für immer zum Heimchen unfähig geworden, seinem Brnoer Ernst August ab,
dem er versprach, immer im Cölibat zu leben, damit die Nachkommenschaft
desselben und der ihm einst Verlobten einmal seine Länder erde. Sophie war
anfangs bestürzt, willigte aber, "trop tiürs xour fers tori.<zK6ö", rasch gefaßt
in den Tausch, und die Heirath wurde vollzogen, nachdem Georg Wilhelm sein
Versprechen in einer Entsagungsurkunde niedergelegt hatte. Er hatte sich damit
seinem jüngern Bruder ganz in die Hände gegeben, während er vor seiner
einstigen Braut und jetzigen Schwägerin Sophie immer beschämt dastand und
bereit war, sich den Ansichten derselben unterzuordnen, eine Situation, welche
Sophie rasch erkannte und ihrem Charakter gemäß benutzte. Als Georg
WilhelmMM einige Jahre nachher zu der Französin d'Olbreuse Neigung faßte,
vermittelten Ernst August und Sophie, daß die Dame einwilligte, unvermählt
mit dem Herzoge zu leben, der seinen Hof jetzt in Celle hatte. Einige Zeit
nachher gebar sie ihm hier eine Tochter. Sophie nahm davon wenig Notiz,
in ihren Augen war das Kind ein uneheliches, das niemals viel zu bedeuten
haben konnte. Der Herzog in Celle aber liebte von da an seine Gefährtin
inniger, und als Sophie davon erfuhr, haßte sie Madame d'Harbourg, wie
die Olbreuse sich jetzt nannte, und deren Kind mit fortwährend sich steigernder
Heftigkeit. Diesen Haß theilte sie ihrem Sohne Georg mit, und die Hof-
schranzen schürten bei ihr das Feuer durch Lügen und Uebertreibungen. Der¬
selbe stieg, als Georg Wilhelm seine Tochter beim Kaiser legitimiren ließ, als
er ihr und deren Mutter ein Vermögen schuf, und als er die letztere, deren
Erhebung zur Reichsgräfin er inzwischen bewirkt hatte, mit Einwilligung seines
Bruders Ernst August in aller Form zu seiner Gemahlin machte. Insgeheim,
aber ebenfalls im Einvernehmen mit seinem Bruder, erhob er dann 1680 seine
Gemahlin in den herzoglichen Stand. Sophie war, als sie davon erfuhr,
aufs äußerste erbittert über das Glück "dieser Person", und nur das tröstete
sie, daß die Kinder der neuen Hoheit nicht succediren sollten. Indeß war zu
fürchten, daß die Celle'sche Erbtochter mit bedeutenden Abfindungen, vielleicht
gar in Domänen, entschädigt wurde, auch war in der Zukunft bei veränderten
politischen Konjunkturen Schlimmeres möglich, und Ernst August, der mittler¬
weile in den Besitz des Calenberg'schen Gebietes gelangt war, hatte die Absicht,
dieses nach dem Tode Georg Wilhelm's mit dem Lüneburg'schen zu vereinigen.
Als er sich zu dem Zwecke mit den Ständen in Verbindung setzte, gaben diese
zu bedenken, daß die ewige und untheilbare Vereinigung der Herzogtümer am
besten durch eine Vermählung der Celle'schen Erbtochter mit dem Erbprinzen
Georg von Calenberg sicher gestellt werden könne. Ernst August sah dies ein
und handelte danach. Sophie war entschieden dagegen, die hohe Stellung,
welche die gehaßte Nichte nunmehr in ihrer eignen Familie einnehmen sollte,


für immer zum Heimchen unfähig geworden, seinem Brnoer Ernst August ab,
dem er versprach, immer im Cölibat zu leben, damit die Nachkommenschaft
desselben und der ihm einst Verlobten einmal seine Länder erde. Sophie war
anfangs bestürzt, willigte aber, „trop tiürs xour fers tori.<zK6ö", rasch gefaßt
in den Tausch, und die Heirath wurde vollzogen, nachdem Georg Wilhelm sein
Versprechen in einer Entsagungsurkunde niedergelegt hatte. Er hatte sich damit
seinem jüngern Bruder ganz in die Hände gegeben, während er vor seiner
einstigen Braut und jetzigen Schwägerin Sophie immer beschämt dastand und
bereit war, sich den Ansichten derselben unterzuordnen, eine Situation, welche
Sophie rasch erkannte und ihrem Charakter gemäß benutzte. Als Georg
WilhelmMM einige Jahre nachher zu der Französin d'Olbreuse Neigung faßte,
vermittelten Ernst August und Sophie, daß die Dame einwilligte, unvermählt
mit dem Herzoge zu leben, der seinen Hof jetzt in Celle hatte. Einige Zeit
nachher gebar sie ihm hier eine Tochter. Sophie nahm davon wenig Notiz,
in ihren Augen war das Kind ein uneheliches, das niemals viel zu bedeuten
haben konnte. Der Herzog in Celle aber liebte von da an seine Gefährtin
inniger, und als Sophie davon erfuhr, haßte sie Madame d'Harbourg, wie
die Olbreuse sich jetzt nannte, und deren Kind mit fortwährend sich steigernder
Heftigkeit. Diesen Haß theilte sie ihrem Sohne Georg mit, und die Hof-
schranzen schürten bei ihr das Feuer durch Lügen und Uebertreibungen. Der¬
selbe stieg, als Georg Wilhelm seine Tochter beim Kaiser legitimiren ließ, als
er ihr und deren Mutter ein Vermögen schuf, und als er die letztere, deren
Erhebung zur Reichsgräfin er inzwischen bewirkt hatte, mit Einwilligung seines
Bruders Ernst August in aller Form zu seiner Gemahlin machte. Insgeheim,
aber ebenfalls im Einvernehmen mit seinem Bruder, erhob er dann 1680 seine
Gemahlin in den herzoglichen Stand. Sophie war, als sie davon erfuhr,
aufs äußerste erbittert über das Glück „dieser Person", und nur das tröstete
sie, daß die Kinder der neuen Hoheit nicht succediren sollten. Indeß war zu
fürchten, daß die Celle'sche Erbtochter mit bedeutenden Abfindungen, vielleicht
gar in Domänen, entschädigt wurde, auch war in der Zukunft bei veränderten
politischen Konjunkturen Schlimmeres möglich, und Ernst August, der mittler¬
weile in den Besitz des Calenberg'schen Gebietes gelangt war, hatte die Absicht,
dieses nach dem Tode Georg Wilhelm's mit dem Lüneburg'schen zu vereinigen.
Als er sich zu dem Zwecke mit den Ständen in Verbindung setzte, gaben diese
zu bedenken, daß die ewige und untheilbare Vereinigung der Herzogtümer am
besten durch eine Vermählung der Celle'schen Erbtochter mit dem Erbprinzen
Georg von Calenberg sicher gestellt werden könne. Ernst August sah dies ein
und handelte danach. Sophie war entschieden dagegen, die hohe Stellung,
welche die gehaßte Nichte nunmehr in ihrer eignen Familie einnehmen sollte,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/173>, abgerufen am 24.11.2024.