Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.aller Sicherheit zu erwarten, wenn die Gemeinden verhüten, daß letztere sich politische Iriefe. xv. Die Julitage des deutschen Liberalismus. Bald sind fünfzig Jahre verflossen seit jener französischen Juli-Revolution, In Deutschland war das parlamentarische System noch weit davon, die Im Jahre 1879 hat der deutsche Liberalismus seine Julitage gehabt, in aller Sicherheit zu erwarten, wenn die Gemeinden verhüten, daß letztere sich politische Iriefe. xv. Die Julitage des deutschen Liberalismus. Bald sind fünfzig Jahre verflossen seit jener französischen Juli-Revolution, In Deutschland war das parlamentarische System noch weit davon, die Im Jahre 1879 hat der deutsche Liberalismus seine Julitage gehabt, in <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0130" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/142627"/> <p xml:id="ID_356" prev="#ID_355"> aller Sicherheit zu erwarten, wenn die Gemeinden verhüten, daß letztere sich<lb/> in bestimmten Ortschaften und Gegenden anhäufen und die Hauptmasse der<lb/> Wähler bilden. Strenge Wucher- und Wechselgesetze werden dann das Uebrige<lb/> thun, um die Gefahr, die dem Landesinteresse droht, wo nicht ganz zu besei¬<lb/> tigen, was auch anderwärts bis jetzt nicht möglich gewesen ist, so doch bis zu<lb/><note type="byline"> A</note> einem ungefähr erträglichen Grade "zu mildern. </p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> politische Iriefe.<lb/> xv.<lb/> Die Julitage des deutschen Liberalismus.</head><lb/> <p xml:id="ID_357"> Bald sind fünfzig Jahre verflossen seit jener französischen Juli-Revolution,<lb/> die, für das parlamentarische System gemacht, demselben in Frankreich die prak¬<lb/> tische Herrschaft, bei den anderen Völkern des Kontinents die theoretische Herr¬<lb/> schaft, als das höchste politische Ideal gebildeter Menschen, verschaffte. In<lb/> Frankreich lernte man jedoch nicht, sich ilei dieser Praxis wohl fühlen. Nach<lb/> achtzehn Jahren beständiger Schwankungen des Staatsgebäudes unter derselben<lb/> gelangte man wieder einmal zur Revolution und zur Republik, von dieser durch<lb/> den Staatsstreich zum Cäsarismus. Jetzt ist man wieder bei dem parlamenta¬<lb/> rischen System angelangt, aber man hat begriffen, daß dieses System ein re¬<lb/> publikanisches ist, daß die Heuchelei einer Monarchie über demselben bei jedem<lb/> Nationalcharakter, der nicht die spleenhafte Zusammensetzung des englischen hat,<lb/> üble und gefährliche Folgen mit sich führt. Aber man hat noch nicht in<lb/> Frankreich begriffen, daß die Republik die Form des ständischen Staates ist, daß<lb/> das parlamentarische System die Oligarchie zur Voraussetzung hat. Eine demo¬<lb/> kratische Republik mit dem parlamentarischen System ist eine bleierne Uhr<lb/> von Gold. Das Leiden dieses Widerspruchs wird die Geschichte der dritten<lb/> Republik bilden. An diesem Leiden wird sie zu Grnnde gehen oder eine neue<lb/> Erscheinung der Aristokratie Herausarbeiten.</p><lb/> <p xml:id="ID_358"> In Deutschland war das parlamentarische System noch weit davon, die<lb/> Monarchie nnllifizirt zu haben, um dann doch noch seine Unverträglichkeit mit<lb/> derselben einzusehen. Bei seinem Ringen um die Herrschaft ist es vor dem<lb/> Zusammenstoß mit der Monarchie feindlich auf den höchsten Lebensgedanken<lb/> des deutschen Volkes, auf die nationale Einheit, gestoßen. Schneller, als die<lb/> Franzosen begreifen werden, daß demokratische Republik eine eoritraäiLtio in<lb/> ctchsew ist, wird man bei uns begreifen, daß nationaler Liberalismus eine solche<lb/> ist^ Es muß bei uns dahin kommen, daß eine nationale Partei sich bildet, als<lb/> die einzig regierungsfähige, welche mit denjenigen Parteien, die nicht unbedingt<lb/> antinational, aber auch nur bedingt national sind, bald zu diesem, bald zu jenem<lb/> Zweck, der auf dem Wege des nationalen Gedankens liegt, vorübergehend zu¬<lb/> sammenwirkt.</p><lb/> <p xml:id="ID_359" next="#ID_360"> Im Jahre 1879 hat der deutsche Liberalismus seine Julitage gehabt, in<lb/> denen er aber nicht Sieger, sondern der unterliegende Theil geblieben. Trotz<lb/> dieser und aller anderen Unähnlichkeiten haben diese deutschen Julitage eine</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0130]
aller Sicherheit zu erwarten, wenn die Gemeinden verhüten, daß letztere sich
in bestimmten Ortschaften und Gegenden anhäufen und die Hauptmasse der
Wähler bilden. Strenge Wucher- und Wechselgesetze werden dann das Uebrige
thun, um die Gefahr, die dem Landesinteresse droht, wo nicht ganz zu besei¬
tigen, was auch anderwärts bis jetzt nicht möglich gewesen ist, so doch bis zu
A einem ungefähr erträglichen Grade "zu mildern.
politische Iriefe.
xv.
Die Julitage des deutschen Liberalismus.
Bald sind fünfzig Jahre verflossen seit jener französischen Juli-Revolution,
die, für das parlamentarische System gemacht, demselben in Frankreich die prak¬
tische Herrschaft, bei den anderen Völkern des Kontinents die theoretische Herr¬
schaft, als das höchste politische Ideal gebildeter Menschen, verschaffte. In
Frankreich lernte man jedoch nicht, sich ilei dieser Praxis wohl fühlen. Nach
achtzehn Jahren beständiger Schwankungen des Staatsgebäudes unter derselben
gelangte man wieder einmal zur Revolution und zur Republik, von dieser durch
den Staatsstreich zum Cäsarismus. Jetzt ist man wieder bei dem parlamenta¬
rischen System angelangt, aber man hat begriffen, daß dieses System ein re¬
publikanisches ist, daß die Heuchelei einer Monarchie über demselben bei jedem
Nationalcharakter, der nicht die spleenhafte Zusammensetzung des englischen hat,
üble und gefährliche Folgen mit sich führt. Aber man hat noch nicht in
Frankreich begriffen, daß die Republik die Form des ständischen Staates ist, daß
das parlamentarische System die Oligarchie zur Voraussetzung hat. Eine demo¬
kratische Republik mit dem parlamentarischen System ist eine bleierne Uhr
von Gold. Das Leiden dieses Widerspruchs wird die Geschichte der dritten
Republik bilden. An diesem Leiden wird sie zu Grnnde gehen oder eine neue
Erscheinung der Aristokratie Herausarbeiten.
In Deutschland war das parlamentarische System noch weit davon, die
Monarchie nnllifizirt zu haben, um dann doch noch seine Unverträglichkeit mit
derselben einzusehen. Bei seinem Ringen um die Herrschaft ist es vor dem
Zusammenstoß mit der Monarchie feindlich auf den höchsten Lebensgedanken
des deutschen Volkes, auf die nationale Einheit, gestoßen. Schneller, als die
Franzosen begreifen werden, daß demokratische Republik eine eoritraäiLtio in
ctchsew ist, wird man bei uns begreifen, daß nationaler Liberalismus eine solche
ist^ Es muß bei uns dahin kommen, daß eine nationale Partei sich bildet, als
die einzig regierungsfähige, welche mit denjenigen Parteien, die nicht unbedingt
antinational, aber auch nur bedingt national sind, bald zu diesem, bald zu jenem
Zweck, der auf dem Wege des nationalen Gedankens liegt, vorübergehend zu¬
sammenwirkt.
Im Jahre 1879 hat der deutsche Liberalismus seine Julitage gehabt, in
denen er aber nicht Sieger, sondern der unterliegende Theil geblieben. Trotz
dieser und aller anderen Unähnlichkeiten haben diese deutschen Julitage eine
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |