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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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machern, deren es damals eine Menge gab, in einen Topf warf. Als Harkort
so weit ging, bei v. Langem: in List's Gegenwart die Gründlichkeit seiner
Arbeiten zu verdächtigen, noch ehe das Konnte gewählt war, sah List sich ge¬
nöthigt, mit allem Nachdruck zu erklären, gründlich zu Werke zu gehen, sei von
Anfang sein Grundsatz gewesen; er sei es, von dem der Vorschlag ausgegangen,
Kommissionen zu ernennen, woraus doch deutlich genug hervorgehe, daß er keine
oberflächliche Untersuchung wünsche. Darauf verwandelte Harkort seinen Tadel
in Komplimente und lud List zu sich zu Tische ein.

Die Vorgänge bei der Wahl des Komites sind zur Genüge berührt, und
der Leser wird sich seinen Vers darauf machen. Aber auch im Konnte selbst
mußte List allerlei Kränkung hinnehmen. Ohne Unterlaß und sast bei jeder
einzelnen Frage bezweifelte man seine Sachkenntniß; man beklagte sich, "daß
ein Schwabe, der ohne allen Beruf in's Land gekommen sei und offenbar nur
oberflächliche Kenntnisse über die Sache besitze, sich mehr zutrauen wolle als
die Koryphäen des Leipziger Handelstandes". Als er im Konnte den Vorschlag
machte, Kassenscheine zu kreiren, wollte man gar nichts davon hören. Seyfferth,
in den er privatim drang, diese Sache ja nicht fallen zu lassen, da es das
Mittel sei, durch welches die geldarmen kleinen deutschen Staaten zu einem
Eisenbahnsystem gelangen könnten, erklärte rund heraus: wenn Kassenscheine
geschaffen würden, so wolle er für seinen Theil mit dem Unternehmen nichts mehr
zu thun haben. List schwieg, um den Geschäftsfreunden mit seinen Kassenscheinen
nicht am Ende noch lächerlich zu werden. Später machte unvermuthet ein an¬
deres Mitglied denselben Vorschlag, und er ging ohne Widerspruch durch. Nicht
selten wurde List im Konnte der Uebertreibungen verdächtigt, während er doch
blos die Resultate seiner Erfahrungen aussprach. Er mochte das Wichtigste
vortragen, man that, als höre man nicht, und wiederholt mußte er später seine
eigenen Vorschläge aus andrem Munde als etwas Neues hören. Nur mit un¬
säglicher Mühe setzte er es durch, daß man zuerst nur eine niedrige Summe
zeichnen ließ, wie es in Amerika Gebrauch war. Seine einfachen Vorschlüge in
Betreff der Richtung der Bahn wurden nicht befolgt, und offenbar in der Ab¬
sicht, ihn in den Augen des Publikums kein allzugroßes Gewicht gewinnen zu
lassen, verhinderte man ihn, mit den Ingenieuren gemeinschaftlich zu arbeiten,
und doch hatten diese seinen Beistand ausdrücklich und schriftlich erbeten. Oft
mußte er mit ansehen, wie man sich'während seiner wirthschaftlichen und technischen
Erörterungen kopfschüttelnd zulächelte, als ob er lauter Hirngespinnste zu Tage för¬
dere. Ja, als er im Konnte die Richtung der Bahn besprach, hatte Harkort die Kühn¬
heit, ihm zu sagen: "Ich glaube nicht, daß Sie die Sache verstehen." Darauf
hin schrieb List zwei ausführliche Denkschriften für das Konnte über die Rich¬
tung der Bahn, die leider nicht veröffentlicht wurden, und zeigte den Herren


Grenzboten III. 1879. Is

machern, deren es damals eine Menge gab, in einen Topf warf. Als Harkort
so weit ging, bei v. Langem: in List's Gegenwart die Gründlichkeit seiner
Arbeiten zu verdächtigen, noch ehe das Konnte gewählt war, sah List sich ge¬
nöthigt, mit allem Nachdruck zu erklären, gründlich zu Werke zu gehen, sei von
Anfang sein Grundsatz gewesen; er sei es, von dem der Vorschlag ausgegangen,
Kommissionen zu ernennen, woraus doch deutlich genug hervorgehe, daß er keine
oberflächliche Untersuchung wünsche. Darauf verwandelte Harkort seinen Tadel
in Komplimente und lud List zu sich zu Tische ein.

Die Vorgänge bei der Wahl des Komites sind zur Genüge berührt, und
der Leser wird sich seinen Vers darauf machen. Aber auch im Konnte selbst
mußte List allerlei Kränkung hinnehmen. Ohne Unterlaß und sast bei jeder
einzelnen Frage bezweifelte man seine Sachkenntniß; man beklagte sich, „daß
ein Schwabe, der ohne allen Beruf in's Land gekommen sei und offenbar nur
oberflächliche Kenntnisse über die Sache besitze, sich mehr zutrauen wolle als
die Koryphäen des Leipziger Handelstandes". Als er im Konnte den Vorschlag
machte, Kassenscheine zu kreiren, wollte man gar nichts davon hören. Seyfferth,
in den er privatim drang, diese Sache ja nicht fallen zu lassen, da es das
Mittel sei, durch welches die geldarmen kleinen deutschen Staaten zu einem
Eisenbahnsystem gelangen könnten, erklärte rund heraus: wenn Kassenscheine
geschaffen würden, so wolle er für seinen Theil mit dem Unternehmen nichts mehr
zu thun haben. List schwieg, um den Geschäftsfreunden mit seinen Kassenscheinen
nicht am Ende noch lächerlich zu werden. Später machte unvermuthet ein an¬
deres Mitglied denselben Vorschlag, und er ging ohne Widerspruch durch. Nicht
selten wurde List im Konnte der Uebertreibungen verdächtigt, während er doch
blos die Resultate seiner Erfahrungen aussprach. Er mochte das Wichtigste
vortragen, man that, als höre man nicht, und wiederholt mußte er später seine
eigenen Vorschläge aus andrem Munde als etwas Neues hören. Nur mit un¬
säglicher Mühe setzte er es durch, daß man zuerst nur eine niedrige Summe
zeichnen ließ, wie es in Amerika Gebrauch war. Seine einfachen Vorschlüge in
Betreff der Richtung der Bahn wurden nicht befolgt, und offenbar in der Ab¬
sicht, ihn in den Augen des Publikums kein allzugroßes Gewicht gewinnen zu
lassen, verhinderte man ihn, mit den Ingenieuren gemeinschaftlich zu arbeiten,
und doch hatten diese seinen Beistand ausdrücklich und schriftlich erbeten. Oft
mußte er mit ansehen, wie man sich'während seiner wirthschaftlichen und technischen
Erörterungen kopfschüttelnd zulächelte, als ob er lauter Hirngespinnste zu Tage för¬
dere. Ja, als er im Konnte die Richtung der Bahn besprach, hatte Harkort die Kühn¬
heit, ihm zu sagen: „Ich glaube nicht, daß Sie die Sache verstehen." Darauf
hin schrieb List zwei ausführliche Denkschriften für das Konnte über die Rich¬
tung der Bahn, die leider nicht veröffentlicht wurden, und zeigte den Herren


Grenzboten III. 1879. Is
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/119>, abgerufen am 27.11.2024.