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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.

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Blicken wir noch einmal zurück. Das Gesetz von 1868 gcirantirt der
sächsischen Nationsuniversität die Fortdauer ihrer alten Selbstverwaltung (mit
Ausnahme der gerichtlichen Befugnisse), die ohne die Aufrechterhaltung der
Integrität des sächsischen Territoriums nicht denkbar ist.

1874 vernichtete eine einfache Verordnung das noch in voller Geltung
stehende Recht der Universität, sich über "allgemeine Angelegenheiten" (nämlich
solche, die sie auf's tiefste berühren) vernehmen zu lassen, und schließt gleich¬
zeitig ihre Sitzungen.

Das Gesetz vom 2. April 1876 hebt die acht Jahre zuvor garantirte
Selbstverwaltung auf, indem zugleich die Integrität des Königsbodens durch
die Neubildung der Komitate zerstört wird, läßt aber der umgestalteten Univer¬
sität das volle Eigenthums- und Verfügungsrecht über ihr Vermögen unter
Oberaufsicht der Regierung und so, daß der Hermannstädter Obergespan als
"Oberhaupt" des Universitütsamtes und Vorsitzender der Generalversammlung
fungiren soll.

Als aber 1877 die Generalversammlung auf Grund des Gesetzes von 1876
ihre Statuten entwirft und darin zwar sich die Selbständigkeit in ihrer Ver¬
mögens-Verwaltung möglichst wahrt, aber auch dem Oberanfsichtsrecht der
Regierung weitgehende Rechnung trägt, versagt Minister Tisza nicht nnr seine
Genehmigung, sondern fordert, zum Theil auf Grund ganz vager Vorschriften
des Gesetzes, die Aufnahme einer ganzen Reihe tiefeinschneidender Bestimmungen,
welche das sreie Verfügungsrecht thatsächlich vernichten, während doch jede
Interpretation eines Gesetzes, die gegen seinen Geist und seinen Zweck verstößt,
in sich selbst hinfällig ist.

Ein Protest der Mehrheit der Universität bleibt fruchtlos; ja als sie sich
weigert, die Statuten auf Grund der ministeriellen Verfügungen zu ändern,
behandelt dies der Vorsitzende als einen Verzicht ans ihr Berathungsrecht und
läßt die Statuten von einer Minderheit von zwei Abgeordneten in dem ge¬
wünschten Sinne feststellen. Der Minister aber bestätigt diese Entwürfe als
beschlossen durch die Generalversammlung. Noch mehr. Er fordert die Ein¬
stellung eines verweigerten Postens in den Etat für das abgelaufene Jahr, und
der Obergespan okkupirt nicht nur eine Amtswohnung im Nationalhanse, sondern
verwendet dessen Räume zu Komitatszwecken und verbietet dem Mandatar des
Eigenthümers, der Generalversammlung, die Wahrung feines Hausrechts.

Traurig genug, wenn die ungarische Freiheit solche Blüthen zeitigt, wenn
sie für die nichtmagyarische Mehrheit im Reiche der Stephanskrone nur die
Willkür des herrschenden Stammes bedeutet! Traurig vor allem für die
Magyaren selber, deren Fähigkeit, einen großen buutzusammengesetzten Staat zu
regieren, niemals in bedenklicherem Lichte erschien als in diesen Verhandlungen.


Blicken wir noch einmal zurück. Das Gesetz von 1868 gcirantirt der
sächsischen Nationsuniversität die Fortdauer ihrer alten Selbstverwaltung (mit
Ausnahme der gerichtlichen Befugnisse), die ohne die Aufrechterhaltung der
Integrität des sächsischen Territoriums nicht denkbar ist.

1874 vernichtete eine einfache Verordnung das noch in voller Geltung
stehende Recht der Universität, sich über „allgemeine Angelegenheiten" (nämlich
solche, die sie auf's tiefste berühren) vernehmen zu lassen, und schließt gleich¬
zeitig ihre Sitzungen.

Das Gesetz vom 2. April 1876 hebt die acht Jahre zuvor garantirte
Selbstverwaltung auf, indem zugleich die Integrität des Königsbodens durch
die Neubildung der Komitate zerstört wird, läßt aber der umgestalteten Univer¬
sität das volle Eigenthums- und Verfügungsrecht über ihr Vermögen unter
Oberaufsicht der Regierung und so, daß der Hermannstädter Obergespan als
„Oberhaupt" des Universitütsamtes und Vorsitzender der Generalversammlung
fungiren soll.

Als aber 1877 die Generalversammlung auf Grund des Gesetzes von 1876
ihre Statuten entwirft und darin zwar sich die Selbständigkeit in ihrer Ver¬
mögens-Verwaltung möglichst wahrt, aber auch dem Oberanfsichtsrecht der
Regierung weitgehende Rechnung trägt, versagt Minister Tisza nicht nnr seine
Genehmigung, sondern fordert, zum Theil auf Grund ganz vager Vorschriften
des Gesetzes, die Aufnahme einer ganzen Reihe tiefeinschneidender Bestimmungen,
welche das sreie Verfügungsrecht thatsächlich vernichten, während doch jede
Interpretation eines Gesetzes, die gegen seinen Geist und seinen Zweck verstößt,
in sich selbst hinfällig ist.

Ein Protest der Mehrheit der Universität bleibt fruchtlos; ja als sie sich
weigert, die Statuten auf Grund der ministeriellen Verfügungen zu ändern,
behandelt dies der Vorsitzende als einen Verzicht ans ihr Berathungsrecht und
läßt die Statuten von einer Minderheit von zwei Abgeordneten in dem ge¬
wünschten Sinne feststellen. Der Minister aber bestätigt diese Entwürfe als
beschlossen durch die Generalversammlung. Noch mehr. Er fordert die Ein¬
stellung eines verweigerten Postens in den Etat für das abgelaufene Jahr, und
der Obergespan okkupirt nicht nur eine Amtswohnung im Nationalhanse, sondern
verwendet dessen Räume zu Komitatszwecken und verbietet dem Mandatar des
Eigenthümers, der Generalversammlung, die Wahrung feines Hausrechts.

Traurig genug, wenn die ungarische Freiheit solche Blüthen zeitigt, wenn
sie für die nichtmagyarische Mehrheit im Reiche der Stephanskrone nur die
Willkür des herrschenden Stammes bedeutet! Traurig vor allem für die
Magyaren selber, deren Fähigkeit, einen großen buutzusammengesetzten Staat zu
regieren, niemals in bedenklicherem Lichte erschien als in diesen Verhandlungen.


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[0423] Blicken wir noch einmal zurück. Das Gesetz von 1868 gcirantirt der sächsischen Nationsuniversität die Fortdauer ihrer alten Selbstverwaltung (mit Ausnahme der gerichtlichen Befugnisse), die ohne die Aufrechterhaltung der Integrität des sächsischen Territoriums nicht denkbar ist. 1874 vernichtete eine einfache Verordnung das noch in voller Geltung stehende Recht der Universität, sich über „allgemeine Angelegenheiten" (nämlich solche, die sie auf's tiefste berühren) vernehmen zu lassen, und schließt gleich¬ zeitig ihre Sitzungen. Das Gesetz vom 2. April 1876 hebt die acht Jahre zuvor garantirte Selbstverwaltung auf, indem zugleich die Integrität des Königsbodens durch die Neubildung der Komitate zerstört wird, läßt aber der umgestalteten Univer¬ sität das volle Eigenthums- und Verfügungsrecht über ihr Vermögen unter Oberaufsicht der Regierung und so, daß der Hermannstädter Obergespan als „Oberhaupt" des Universitütsamtes und Vorsitzender der Generalversammlung fungiren soll. Als aber 1877 die Generalversammlung auf Grund des Gesetzes von 1876 ihre Statuten entwirft und darin zwar sich die Selbständigkeit in ihrer Ver¬ mögens-Verwaltung möglichst wahrt, aber auch dem Oberanfsichtsrecht der Regierung weitgehende Rechnung trägt, versagt Minister Tisza nicht nnr seine Genehmigung, sondern fordert, zum Theil auf Grund ganz vager Vorschriften des Gesetzes, die Aufnahme einer ganzen Reihe tiefeinschneidender Bestimmungen, welche das sreie Verfügungsrecht thatsächlich vernichten, während doch jede Interpretation eines Gesetzes, die gegen seinen Geist und seinen Zweck verstößt, in sich selbst hinfällig ist. Ein Protest der Mehrheit der Universität bleibt fruchtlos; ja als sie sich weigert, die Statuten auf Grund der ministeriellen Verfügungen zu ändern, behandelt dies der Vorsitzende als einen Verzicht ans ihr Berathungsrecht und läßt die Statuten von einer Minderheit von zwei Abgeordneten in dem ge¬ wünschten Sinne feststellen. Der Minister aber bestätigt diese Entwürfe als beschlossen durch die Generalversammlung. Noch mehr. Er fordert die Ein¬ stellung eines verweigerten Postens in den Etat für das abgelaufene Jahr, und der Obergespan okkupirt nicht nur eine Amtswohnung im Nationalhanse, sondern verwendet dessen Räume zu Komitatszwecken und verbietet dem Mandatar des Eigenthümers, der Generalversammlung, die Wahrung feines Hausrechts. Traurig genug, wenn die ungarische Freiheit solche Blüthen zeitigt, wenn sie für die nichtmagyarische Mehrheit im Reiche der Stephanskrone nur die Willkür des herrschenden Stammes bedeutet! Traurig vor allem für die Magyaren selber, deren Fähigkeit, einen großen buutzusammengesetzten Staat zu regieren, niemals in bedenklicherem Lichte erschien als in diesen Verhandlungen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/423>, abgerufen am 27.09.2024.