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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.

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kurpfälzischen Oberhof- und Kriegsfaktors und eines Hof- und Kammeragenten
des Kurfürsten von Köw erwarb. Er besaß ein schönes Haus zu Mannheim
und eins in Frankfurt, erhebliche Aktivkapitalien in Gold, reichlichen Kredit
und führte eine kostspielige Haushaltung, um sein Geschäft mit Glanz zu ver¬
treten; denn, wie er später sagte, "seine Profession war, große Herren zu trak-
tiren und mit ihnen umzugehen".

Im Sommer 1732 wurde er, von seinem Glaubensgenossen Jsaak Lan¬
dauer empfohlen, in Wildbad mit dem Prinzen Karl Alexander von Württemberg
bekannnt. Rasch wußte er sich bei demselben angenehm zu machen, indem er
einerseits der Geldnoth des Fürsten abzuhelfen versprach, andererseits an seinen
Aberglauben anknüpfte. Er erbot sich nicht nur, ihm die Einkünfte, die er als
kaiserlicher Feldmarschall wie als württembergischer Prinz zu beziehen hatte,
vorzuschießen, fondern ihm als Verwalter dieser Gelder bedeutend mehr daraus
zu zahlen, als sie ihm bisher eingetragen hatten. Karl Alexander glaubte an
geheimnißvolle Mächte, die das Loos des Menschen bestimmten, und nament¬
lich an Sterne, die das Schicksal derselben regierten. An dieser Seite faßte
der jüdische Geschäftsmann den Prinzen, indem er ihm sagte, er habe einige
Kabbalisten über seine Zukunft befragt und dabei erfahren, daß er noch un¬
fehlbar regierender Herr in Württemberg werden würde, wobei er durchblicken
ließ, daß es ihm eilt schönes Stück Geld gekostet, dies herauszubringen. Dieser
Eifer, die gewinnenden Manieren des Kuten, seine Bereitwilligkeit zu Darlehen
nahmen den Prinzen für ihn ein, er wurde zu dessen Kriegsfaktor und Scha¬
tullenverwalter und zum Agenten der Gemahlin desselben ernannt und stand
bei dessen Rückkehr nach Belgrad schon so hoch in Gnaden bei ihm, daß er
erwarten konnte, auch in Zukunft mit ihm gute Beziehungen zu behalten.

Diese Hoffnung erfüllte sich, als Karl Alexander den Thron bestieg, und
Süß sich beeilte, ihm aufzuwarten und Glück zu wünschen; denn zu den
Plänen, mit welchen der neue Herzog sich trug, eignete sich als Gehilfe niemand
besser als dieser anschlägige, nie um Rath verlegene und vollkommen gewissen¬
lose Kopf. Süß siedelte nach Stuttgart über und wurde, ohne eigentlich ein
Amt zu übernehmen, der vertraute Rathgeber des Herzogs in Finanzsachen.
Ob er in das Komplot, Württemberg katholisch zu machen, eingeweiht war, ist
aktenmäßig nicht festzustellen. Jedenfalls war ihm, der auf seine eigene Reli¬
gion nichts gab, der Schweinefleisch und Austern, sowie alles andere "Trefe" aß,
wenn es nur schmeckte, und sich offen zu atheistischen Grundsätzen bekannte,
für seine Person gleichgiltig, welche Konfession in Württemberg herrschte, und
sicher war er mit seinem Herzen nur insofern bei der Sache, als es sich um
feinen Ehrgeiz und seinen Geldbeutel handelte.

Für's erste bemühte sich Süß, dem Herzog durch verschiedene Finanz-


kurpfälzischen Oberhof- und Kriegsfaktors und eines Hof- und Kammeragenten
des Kurfürsten von Köw erwarb. Er besaß ein schönes Haus zu Mannheim
und eins in Frankfurt, erhebliche Aktivkapitalien in Gold, reichlichen Kredit
und führte eine kostspielige Haushaltung, um sein Geschäft mit Glanz zu ver¬
treten; denn, wie er später sagte, „seine Profession war, große Herren zu trak-
tiren und mit ihnen umzugehen".

Im Sommer 1732 wurde er, von seinem Glaubensgenossen Jsaak Lan¬
dauer empfohlen, in Wildbad mit dem Prinzen Karl Alexander von Württemberg
bekannnt. Rasch wußte er sich bei demselben angenehm zu machen, indem er
einerseits der Geldnoth des Fürsten abzuhelfen versprach, andererseits an seinen
Aberglauben anknüpfte. Er erbot sich nicht nur, ihm die Einkünfte, die er als
kaiserlicher Feldmarschall wie als württembergischer Prinz zu beziehen hatte,
vorzuschießen, fondern ihm als Verwalter dieser Gelder bedeutend mehr daraus
zu zahlen, als sie ihm bisher eingetragen hatten. Karl Alexander glaubte an
geheimnißvolle Mächte, die das Loos des Menschen bestimmten, und nament¬
lich an Sterne, die das Schicksal derselben regierten. An dieser Seite faßte
der jüdische Geschäftsmann den Prinzen, indem er ihm sagte, er habe einige
Kabbalisten über seine Zukunft befragt und dabei erfahren, daß er noch un¬
fehlbar regierender Herr in Württemberg werden würde, wobei er durchblicken
ließ, daß es ihm eilt schönes Stück Geld gekostet, dies herauszubringen. Dieser
Eifer, die gewinnenden Manieren des Kuten, seine Bereitwilligkeit zu Darlehen
nahmen den Prinzen für ihn ein, er wurde zu dessen Kriegsfaktor und Scha¬
tullenverwalter und zum Agenten der Gemahlin desselben ernannt und stand
bei dessen Rückkehr nach Belgrad schon so hoch in Gnaden bei ihm, daß er
erwarten konnte, auch in Zukunft mit ihm gute Beziehungen zu behalten.

Diese Hoffnung erfüllte sich, als Karl Alexander den Thron bestieg, und
Süß sich beeilte, ihm aufzuwarten und Glück zu wünschen; denn zu den
Plänen, mit welchen der neue Herzog sich trug, eignete sich als Gehilfe niemand
besser als dieser anschlägige, nie um Rath verlegene und vollkommen gewissen¬
lose Kopf. Süß siedelte nach Stuttgart über und wurde, ohne eigentlich ein
Amt zu übernehmen, der vertraute Rathgeber des Herzogs in Finanzsachen.
Ob er in das Komplot, Württemberg katholisch zu machen, eingeweiht war, ist
aktenmäßig nicht festzustellen. Jedenfalls war ihm, der auf seine eigene Reli¬
gion nichts gab, der Schweinefleisch und Austern, sowie alles andere „Trefe" aß,
wenn es nur schmeckte, und sich offen zu atheistischen Grundsätzen bekannte,
für seine Person gleichgiltig, welche Konfession in Württemberg herrschte, und
sicher war er mit seinem Herzen nur insofern bei der Sache, als es sich um
feinen Ehrgeiz und seinen Geldbeutel handelte.

Für's erste bemühte sich Süß, dem Herzog durch verschiedene Finanz-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/394>, abgerufen am 27.09.2024.