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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.

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wenig vom Juden verrieth und nur durch die Dreistigkeit, mit der er sich an
hochgestellte Leute machte, an seine Herkunft erinnerte. Gewandt, mehrerer
Sprachen kundig, in der Mathematik wohl zu Hause, aufgeweckt, verstand er
es bald, sich beliebt zu machen. Im Besitz einiger Mittel besah er sich nach
dem Tode seines Vaters zunächst Frankfurt, dann war er längere Zeit in
Amsterdam und hierauf in Wien, wo er in den Bankiersfamilien der Oppen¬
heimer weitläufige Verwandte hatte, und wo er mit den ihm angeborenen
Talenten vermuthlich bald zu Reichthum und Ansehen gelangt sein würde, wenn
ihn sein Hang zu Lüderlichkeiten und losen Streichen nicht von da weggetrieben
hätte. Als es mit seinen Geldmitteln zu Ende ging, ernährte er sich eine Zeit
lang in Bayern als Barbiergesell. Dann soll er Student in Tübingen ge¬
wesen sein. Daß er bei diesen Fahrten nicht blos Abenteuer und Vergnü¬
gungen gesucht, sondern sich auch allerlei Kenntnisse verschafft, erwies sich später.
Münzwesen, Pachtungen, Lieferungen, Geldgeschäfte hatte er gründlich kennen
gelernt. Dennoch wollte es ihm geraume Zeit nicht glücken, sich hervorzuthun,
reich zu werden und eine Rolle zu spielen. Nachdem er mit seinen Ideen am
Taxis'schen Hofe zu Frankfurt keine Verwendung gefunden und dann in Mann¬
heim das Geschäft eines Winkelkonsulenten betrieben, machte er zuerst mit der
kurpfälzischen Regierung eine einträgliche Finanzoperation, indem er ihr das
Stempeln des Papiers vorschlug, die Lieferung des Stempelpapiers gegen ein
schönes Pachtgeld übernahm und diese dann um die Summe von 12000 Gulden
an einen Andern abtrat, um mit dem Gelde die Darmstädter Münze zu pachten.
Alle westdeutschen Höfe hatten sich damals auf das Ausprägen aller Sorten
schlechter Scheidemünze gelegt; Baden-Durlach, Ansbach, Waldeck, Fulda,
Hechingen, besonders aber Kurpfalz und Darmstadt arbeiteten in dieser Rich¬
tung mit aller Kraft, und Deutschland wurde schnell reich an geringwerthigem
Gelde und arm an Gold und Silber. Süß hatte sich eine vollkommene Kennt¬
niß aller Geheimnisse und Vortheile dieser Manöver erworben. Er verstand
nicht nur das Miinzwesen selbst, sondern auch den Einkauf von Edelmetallen
auf dem rechten Markte und was sonst Profit abwarf. Sein Talent hatte
zum zweiten Male Land gefunden, als er mit den Darmstädtern abschloß. Bald
gab er auch diesen Vertrag gegen einen Gewinn von 9000 Gulden in der
Hauptsache auf und behielt für sich nur das Ausmünzen von Kreuzern. Ob¬
gleich er dabei mehr Stücke per Mark, als bedungen waren, ausprägte, wurde
er, da ein Dekret des Landgrafen ihm diesen Profit gestattete, als er wegzog,
in Gnaden entlassen.

Von jetzt an hielt er sich eine Zeit lang vorzüglich in Mannheim und
Frankfurt auf, wo er sich durch Lieferungen und andere Geschäfte mit fürst¬
lichen und gräflichen Häusern ein ansehnliches Vermögen und die Titel eines


Grenzboten II. 1879. L0

wenig vom Juden verrieth und nur durch die Dreistigkeit, mit der er sich an
hochgestellte Leute machte, an seine Herkunft erinnerte. Gewandt, mehrerer
Sprachen kundig, in der Mathematik wohl zu Hause, aufgeweckt, verstand er
es bald, sich beliebt zu machen. Im Besitz einiger Mittel besah er sich nach
dem Tode seines Vaters zunächst Frankfurt, dann war er längere Zeit in
Amsterdam und hierauf in Wien, wo er in den Bankiersfamilien der Oppen¬
heimer weitläufige Verwandte hatte, und wo er mit den ihm angeborenen
Talenten vermuthlich bald zu Reichthum und Ansehen gelangt sein würde, wenn
ihn sein Hang zu Lüderlichkeiten und losen Streichen nicht von da weggetrieben
hätte. Als es mit seinen Geldmitteln zu Ende ging, ernährte er sich eine Zeit
lang in Bayern als Barbiergesell. Dann soll er Student in Tübingen ge¬
wesen sein. Daß er bei diesen Fahrten nicht blos Abenteuer und Vergnü¬
gungen gesucht, sondern sich auch allerlei Kenntnisse verschafft, erwies sich später.
Münzwesen, Pachtungen, Lieferungen, Geldgeschäfte hatte er gründlich kennen
gelernt. Dennoch wollte es ihm geraume Zeit nicht glücken, sich hervorzuthun,
reich zu werden und eine Rolle zu spielen. Nachdem er mit seinen Ideen am
Taxis'schen Hofe zu Frankfurt keine Verwendung gefunden und dann in Mann¬
heim das Geschäft eines Winkelkonsulenten betrieben, machte er zuerst mit der
kurpfälzischen Regierung eine einträgliche Finanzoperation, indem er ihr das
Stempeln des Papiers vorschlug, die Lieferung des Stempelpapiers gegen ein
schönes Pachtgeld übernahm und diese dann um die Summe von 12000 Gulden
an einen Andern abtrat, um mit dem Gelde die Darmstädter Münze zu pachten.
Alle westdeutschen Höfe hatten sich damals auf das Ausprägen aller Sorten
schlechter Scheidemünze gelegt; Baden-Durlach, Ansbach, Waldeck, Fulda,
Hechingen, besonders aber Kurpfalz und Darmstadt arbeiteten in dieser Rich¬
tung mit aller Kraft, und Deutschland wurde schnell reich an geringwerthigem
Gelde und arm an Gold und Silber. Süß hatte sich eine vollkommene Kennt¬
niß aller Geheimnisse und Vortheile dieser Manöver erworben. Er verstand
nicht nur das Miinzwesen selbst, sondern auch den Einkauf von Edelmetallen
auf dem rechten Markte und was sonst Profit abwarf. Sein Talent hatte
zum zweiten Male Land gefunden, als er mit den Darmstädtern abschloß. Bald
gab er auch diesen Vertrag gegen einen Gewinn von 9000 Gulden in der
Hauptsache auf und behielt für sich nur das Ausmünzen von Kreuzern. Ob¬
gleich er dabei mehr Stücke per Mark, als bedungen waren, ausprägte, wurde
er, da ein Dekret des Landgrafen ihm diesen Profit gestattete, als er wegzog,
in Gnaden entlassen.

Von jetzt an hielt er sich eine Zeit lang vorzüglich in Mannheim und
Frankfurt auf, wo er sich durch Lieferungen und andere Geschäfte mit fürst¬
lichen und gräflichen Häusern ein ansehnliches Vermögen und die Titel eines


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[0393] wenig vom Juden verrieth und nur durch die Dreistigkeit, mit der er sich an hochgestellte Leute machte, an seine Herkunft erinnerte. Gewandt, mehrerer Sprachen kundig, in der Mathematik wohl zu Hause, aufgeweckt, verstand er es bald, sich beliebt zu machen. Im Besitz einiger Mittel besah er sich nach dem Tode seines Vaters zunächst Frankfurt, dann war er längere Zeit in Amsterdam und hierauf in Wien, wo er in den Bankiersfamilien der Oppen¬ heimer weitläufige Verwandte hatte, und wo er mit den ihm angeborenen Talenten vermuthlich bald zu Reichthum und Ansehen gelangt sein würde, wenn ihn sein Hang zu Lüderlichkeiten und losen Streichen nicht von da weggetrieben hätte. Als es mit seinen Geldmitteln zu Ende ging, ernährte er sich eine Zeit lang in Bayern als Barbiergesell. Dann soll er Student in Tübingen ge¬ wesen sein. Daß er bei diesen Fahrten nicht blos Abenteuer und Vergnü¬ gungen gesucht, sondern sich auch allerlei Kenntnisse verschafft, erwies sich später. Münzwesen, Pachtungen, Lieferungen, Geldgeschäfte hatte er gründlich kennen gelernt. Dennoch wollte es ihm geraume Zeit nicht glücken, sich hervorzuthun, reich zu werden und eine Rolle zu spielen. Nachdem er mit seinen Ideen am Taxis'schen Hofe zu Frankfurt keine Verwendung gefunden und dann in Mann¬ heim das Geschäft eines Winkelkonsulenten betrieben, machte er zuerst mit der kurpfälzischen Regierung eine einträgliche Finanzoperation, indem er ihr das Stempeln des Papiers vorschlug, die Lieferung des Stempelpapiers gegen ein schönes Pachtgeld übernahm und diese dann um die Summe von 12000 Gulden an einen Andern abtrat, um mit dem Gelde die Darmstädter Münze zu pachten. Alle westdeutschen Höfe hatten sich damals auf das Ausprägen aller Sorten schlechter Scheidemünze gelegt; Baden-Durlach, Ansbach, Waldeck, Fulda, Hechingen, besonders aber Kurpfalz und Darmstadt arbeiteten in dieser Rich¬ tung mit aller Kraft, und Deutschland wurde schnell reich an geringwerthigem Gelde und arm an Gold und Silber. Süß hatte sich eine vollkommene Kennt¬ niß aller Geheimnisse und Vortheile dieser Manöver erworben. Er verstand nicht nur das Miinzwesen selbst, sondern auch den Einkauf von Edelmetallen auf dem rechten Markte und was sonst Profit abwarf. Sein Talent hatte zum zweiten Male Land gefunden, als er mit den Darmstädtern abschloß. Bald gab er auch diesen Vertrag gegen einen Gewinn von 9000 Gulden in der Hauptsache auf und behielt für sich nur das Ausmünzen von Kreuzern. Ob¬ gleich er dabei mehr Stücke per Mark, als bedungen waren, ausprägte, wurde er, da ein Dekret des Landgrafen ihm diesen Profit gestattete, als er wegzog, in Gnaden entlassen. Von jetzt an hielt er sich eine Zeit lang vorzüglich in Mannheim und Frankfurt auf, wo er sich durch Lieferungen und andere Geschäfte mit fürst¬ lichen und gräflichen Häusern ein ansehnliches Vermögen und die Titel eines Grenzboten II. 1879. L0

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/393>, abgerufen am 27.09.2024.