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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.

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Operationen neue Einkvinmenquellen zu erschließen. Daun, als einige der alten
Räthe auf das Schädliche und Landesverderbliche dieser Projekte aufmerksam
machten, ging er daran, diese Beamten durch Verleumdungen zu stürzen und
deren Stellen mit ihm ergebenen Menschen zu besetzen, was ihm beim Herzog
nur zu rasch gelang. Das größte Hinderniß für seine Absichten war die Land¬
schaft, welche die ihm und seinem fürstlichen Gebieter im Frieden nöthige
Militärmacht nicht bewilligen wollte. Er schlug daher vor, nicht einen ordent¬
lichen Landtag in das Ständehaus zu Stuttgart zu berufen, sondern im Lud¬
wigsburger Schlosse, unter den Augen des Herzogs selbst, einen Rumpflandtag
zu versammeln, der aus den obenerwähnten Ausschüssen und denjenigen Abge¬
ordneten bestehen sollte, welche nicht zu der Opposition gegen die Vermehrung
des Militärs gehört hatten. Die Aemter, aus denen man Abgeordnete einbe¬
rufen wollte, wurden durch herzogliche Kommissarien mit Begleitung von
Soldaten gewalthaberisch bewogen, denselben Aufträge und Vollmachten zu
ertheilen, die dem Willen des Herzogs entsprachen, und so kam es am 31. Mai
1736 zu der Bewilligung von 13000 Mann zu Fuß und zu Pferde und zur
Genehmigung einer doppelten Jahressteuer, sowie des Dreißigster von allen
Früchten, "so lange die bedenklichen Zeiten dauern und das Land es vermag".
Das gemeine Volk wurde durch die bei dem Mangel an Kasernen bei Bürgern
und Bauern einquartierten Soldaten, deren Offiziere fast ausnahmelos Nicht-
württemberger und Katholiken waren, leicht eingeschreckt; hatten sich doch die
gebildeten und rechtskundigen Männer des Landtags so in Angst jagen lassen,
daß sie vergessen hatten, im Landtagsabschiede bestimmen zu lassen, wer darüber
zu entscheiden habe, wie lange das Land diese ungeheuren Lasten zu tragen
vermöge.

Nach Ersetzung der alten redlichen Räthe des Herzogs durch Kreaturen
des Juden setzte dieser ohne Mühe Alles durch, was er projektirte. Nicht er
selbst war Minister, sondern sein Regiment ruhte auf dem unbedingten Ver¬
trauen, das der Herzog in seine Rathschläge setzte, und auf der Willfährigkeit
der neuen Räthe, seine Manöver auszuführen. Diese Leute, unter denen der
gewissenlose Expeditionsrath Hallwachs, der Hofkanzler Scheffer, der Geheim¬
rath Pfau und die Räthe Lanz, Bühler, Metz, Thill und Lampprechts die
Hauptrolle spielten, waren dem Günstling Karl Alexander's knechtisch ergeben
und fürchteten ihn mehr als den Herzog. Er aber behandelte sie mit dem
größten Uebermuth und drohte beim leisesten Widerspruch mit Kassation, Landes¬
verweisung, Festungshaft, Auspeitschen, ja mit Köpfen und Hängen. Aus dem
Landschaftsausschusse berichtete ihm der Prälat Weißensee alle Geheimnisse,
indem er sich des Nachts zu ihm schlich. Den Herzog schloß er möglichst ab;
alles, was von ihm oder zu ihm ging, mußte durch seine Hände laufen. Paßte


Operationen neue Einkvinmenquellen zu erschließen. Daun, als einige der alten
Räthe auf das Schädliche und Landesverderbliche dieser Projekte aufmerksam
machten, ging er daran, diese Beamten durch Verleumdungen zu stürzen und
deren Stellen mit ihm ergebenen Menschen zu besetzen, was ihm beim Herzog
nur zu rasch gelang. Das größte Hinderniß für seine Absichten war die Land¬
schaft, welche die ihm und seinem fürstlichen Gebieter im Frieden nöthige
Militärmacht nicht bewilligen wollte. Er schlug daher vor, nicht einen ordent¬
lichen Landtag in das Ständehaus zu Stuttgart zu berufen, sondern im Lud¬
wigsburger Schlosse, unter den Augen des Herzogs selbst, einen Rumpflandtag
zu versammeln, der aus den obenerwähnten Ausschüssen und denjenigen Abge¬
ordneten bestehen sollte, welche nicht zu der Opposition gegen die Vermehrung
des Militärs gehört hatten. Die Aemter, aus denen man Abgeordnete einbe¬
rufen wollte, wurden durch herzogliche Kommissarien mit Begleitung von
Soldaten gewalthaberisch bewogen, denselben Aufträge und Vollmachten zu
ertheilen, die dem Willen des Herzogs entsprachen, und so kam es am 31. Mai
1736 zu der Bewilligung von 13000 Mann zu Fuß und zu Pferde und zur
Genehmigung einer doppelten Jahressteuer, sowie des Dreißigster von allen
Früchten, „so lange die bedenklichen Zeiten dauern und das Land es vermag".
Das gemeine Volk wurde durch die bei dem Mangel an Kasernen bei Bürgern
und Bauern einquartierten Soldaten, deren Offiziere fast ausnahmelos Nicht-
württemberger und Katholiken waren, leicht eingeschreckt; hatten sich doch die
gebildeten und rechtskundigen Männer des Landtags so in Angst jagen lassen,
daß sie vergessen hatten, im Landtagsabschiede bestimmen zu lassen, wer darüber
zu entscheiden habe, wie lange das Land diese ungeheuren Lasten zu tragen
vermöge.

Nach Ersetzung der alten redlichen Räthe des Herzogs durch Kreaturen
des Juden setzte dieser ohne Mühe Alles durch, was er projektirte. Nicht er
selbst war Minister, sondern sein Regiment ruhte auf dem unbedingten Ver¬
trauen, das der Herzog in seine Rathschläge setzte, und auf der Willfährigkeit
der neuen Räthe, seine Manöver auszuführen. Diese Leute, unter denen der
gewissenlose Expeditionsrath Hallwachs, der Hofkanzler Scheffer, der Geheim¬
rath Pfau und die Räthe Lanz, Bühler, Metz, Thill und Lampprechts die
Hauptrolle spielten, waren dem Günstling Karl Alexander's knechtisch ergeben
und fürchteten ihn mehr als den Herzog. Er aber behandelte sie mit dem
größten Uebermuth und drohte beim leisesten Widerspruch mit Kassation, Landes¬
verweisung, Festungshaft, Auspeitschen, ja mit Köpfen und Hängen. Aus dem
Landschaftsausschusse berichtete ihm der Prälat Weißensee alle Geheimnisse,
indem er sich des Nachts zu ihm schlich. Den Herzog schloß er möglichst ab;
alles, was von ihm oder zu ihm ging, mußte durch seine Hände laufen. Paßte


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[0395] Operationen neue Einkvinmenquellen zu erschließen. Daun, als einige der alten Räthe auf das Schädliche und Landesverderbliche dieser Projekte aufmerksam machten, ging er daran, diese Beamten durch Verleumdungen zu stürzen und deren Stellen mit ihm ergebenen Menschen zu besetzen, was ihm beim Herzog nur zu rasch gelang. Das größte Hinderniß für seine Absichten war die Land¬ schaft, welche die ihm und seinem fürstlichen Gebieter im Frieden nöthige Militärmacht nicht bewilligen wollte. Er schlug daher vor, nicht einen ordent¬ lichen Landtag in das Ständehaus zu Stuttgart zu berufen, sondern im Lud¬ wigsburger Schlosse, unter den Augen des Herzogs selbst, einen Rumpflandtag zu versammeln, der aus den obenerwähnten Ausschüssen und denjenigen Abge¬ ordneten bestehen sollte, welche nicht zu der Opposition gegen die Vermehrung des Militärs gehört hatten. Die Aemter, aus denen man Abgeordnete einbe¬ rufen wollte, wurden durch herzogliche Kommissarien mit Begleitung von Soldaten gewalthaberisch bewogen, denselben Aufträge und Vollmachten zu ertheilen, die dem Willen des Herzogs entsprachen, und so kam es am 31. Mai 1736 zu der Bewilligung von 13000 Mann zu Fuß und zu Pferde und zur Genehmigung einer doppelten Jahressteuer, sowie des Dreißigster von allen Früchten, „so lange die bedenklichen Zeiten dauern und das Land es vermag". Das gemeine Volk wurde durch die bei dem Mangel an Kasernen bei Bürgern und Bauern einquartierten Soldaten, deren Offiziere fast ausnahmelos Nicht- württemberger und Katholiken waren, leicht eingeschreckt; hatten sich doch die gebildeten und rechtskundigen Männer des Landtags so in Angst jagen lassen, daß sie vergessen hatten, im Landtagsabschiede bestimmen zu lassen, wer darüber zu entscheiden habe, wie lange das Land diese ungeheuren Lasten zu tragen vermöge. Nach Ersetzung der alten redlichen Räthe des Herzogs durch Kreaturen des Juden setzte dieser ohne Mühe Alles durch, was er projektirte. Nicht er selbst war Minister, sondern sein Regiment ruhte auf dem unbedingten Ver¬ trauen, das der Herzog in seine Rathschläge setzte, und auf der Willfährigkeit der neuen Räthe, seine Manöver auszuführen. Diese Leute, unter denen der gewissenlose Expeditionsrath Hallwachs, der Hofkanzler Scheffer, der Geheim¬ rath Pfau und die Räthe Lanz, Bühler, Metz, Thill und Lampprechts die Hauptrolle spielten, waren dem Günstling Karl Alexander's knechtisch ergeben und fürchteten ihn mehr als den Herzog. Er aber behandelte sie mit dem größten Uebermuth und drohte beim leisesten Widerspruch mit Kassation, Landes¬ verweisung, Festungshaft, Auspeitschen, ja mit Köpfen und Hängen. Aus dem Landschaftsausschusse berichtete ihm der Prälat Weißensee alle Geheimnisse, indem er sich des Nachts zu ihm schlich. Den Herzog schloß er möglichst ab; alles, was von ihm oder zu ihm ging, mußte durch seine Hände laufen. Paßte

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/395>, abgerufen am 27.09.2024.