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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.

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seits des Rheines dazu, und wahrscheinlich waren ihm vom Wiener Hofe statt
der Gelder für die Hilfstruppen, die er dem Kaiser zuführte, die Anwartschaft
auf solche Eroberungen und zugleich die Einverleibung der in Württemberg
liegenden oder daran grenzenden Reichsstädte Reutlingen, Ulm, Heilbronn,
Gmünd und Weil zugesagt.

Anfangs stieß der Herzog mit den Maßregeln, die er zur Vorbereitung
dieser geheimgehaltenen Pläne vorschlug, bei den Ständen auf keinen Wider¬
stand ; denn es handelte sich ja um einen Vertheidigungskrieg. Aber das Volk
jammerte und fluchte, als man eine große Anzahl von jungen Leuten aufgriff
und in die Montur steckte, und als man den Bauern die besten Pferde ohne
Bezahlung wegnahm, um sie zum Kriegsdienste zu verwenden. Die Steuer¬
rückstände wurden streng eingefordert, und ein Erlaß verkündete die Todes¬
strafe für jeden Widerstand, ja für jede "Unmuthsüußerung". Die Liebe zum
Herzoge erstarb in weiten Kreisen, und es belebte sie nicht wieder, daß er sich
in diesem Kriege Verdienste um Land und Volk erwarb.

Karl Alexander wollte aber nicht blos erobern, er wollte die Verfassung
auch umstürzen, um den Jesuiten sein Wort halten zu können, das Versprechen
nämlich, zunächst den katholischen Glauben zu gleicher Berechtigung im Lande
mit dem evangelischen zu erheben und dann das Volk, wie es einige Jahr¬
zehnte vorher im Neuburgischen geschehen, katholisch zu machen; ein Vorhaben,
wozu er eines starken stehenden Heeres bedürfte. Zur Vorbereitung dieses
Staatsstreichs dienten ihm der Fürstbischof von Würzburg und Bamberg
Friedrich Karl v. Schönborn, ein hervorragendes Mitglied des Jesuitenordens,
der ihm mit seinen Soldaten an die Hand zu gehen versprach, ferner Franz
Josef v. Remchingen, ein kaiserlicher General, der, nachdem er in die Dienste
des Herzogs getreten, Präsident des Kriegsraths und Höchstkommandirender
in Württemberg wurde und in dieser Eigenschaft alle Offiziers- und Unter¬
offiziersstellen mit Katholiken besetzte, endlich Josef Süß Oppenheimer, der
die Herbeischaffung der zur Ausführung des Planes erforderlichen Geldmittel
übernahm. ,

Süß gehörte dem Volke an, das sich von Josefs aegyptischen Getreide¬
wucher-Operationen bis anf unsere Gründerzeit immer vortrefflich auf die
finanzielle Ausbeutung derer, unter denen es lebte, verstanden hat. Er war
1692 zu Heidelberg geboren und der Sohn des Rabbi Jsaschar Sllßkind
Oppenheimer und der schönen, aber leichtfertigen Michaels Selmele, deren
Vater ebenfalls Rabbi und als Vorbeter unter seinen Leuten berühmt war.
Frühzeitig trennte sich Süß von seinen Eltern und ging in die weite Welt,
um mit seinen Gaben ein vornehmer Mann zu werden. Er war ein schmucker
und gescheidter junger Mensch, der in seinem Aeußern und in seiner Haltung


seits des Rheines dazu, und wahrscheinlich waren ihm vom Wiener Hofe statt
der Gelder für die Hilfstruppen, die er dem Kaiser zuführte, die Anwartschaft
auf solche Eroberungen und zugleich die Einverleibung der in Württemberg
liegenden oder daran grenzenden Reichsstädte Reutlingen, Ulm, Heilbronn,
Gmünd und Weil zugesagt.

Anfangs stieß der Herzog mit den Maßregeln, die er zur Vorbereitung
dieser geheimgehaltenen Pläne vorschlug, bei den Ständen auf keinen Wider¬
stand ; denn es handelte sich ja um einen Vertheidigungskrieg. Aber das Volk
jammerte und fluchte, als man eine große Anzahl von jungen Leuten aufgriff
und in die Montur steckte, und als man den Bauern die besten Pferde ohne
Bezahlung wegnahm, um sie zum Kriegsdienste zu verwenden. Die Steuer¬
rückstände wurden streng eingefordert, und ein Erlaß verkündete die Todes¬
strafe für jeden Widerstand, ja für jede „Unmuthsüußerung". Die Liebe zum
Herzoge erstarb in weiten Kreisen, und es belebte sie nicht wieder, daß er sich
in diesem Kriege Verdienste um Land und Volk erwarb.

Karl Alexander wollte aber nicht blos erobern, er wollte die Verfassung
auch umstürzen, um den Jesuiten sein Wort halten zu können, das Versprechen
nämlich, zunächst den katholischen Glauben zu gleicher Berechtigung im Lande
mit dem evangelischen zu erheben und dann das Volk, wie es einige Jahr¬
zehnte vorher im Neuburgischen geschehen, katholisch zu machen; ein Vorhaben,
wozu er eines starken stehenden Heeres bedürfte. Zur Vorbereitung dieses
Staatsstreichs dienten ihm der Fürstbischof von Würzburg und Bamberg
Friedrich Karl v. Schönborn, ein hervorragendes Mitglied des Jesuitenordens,
der ihm mit seinen Soldaten an die Hand zu gehen versprach, ferner Franz
Josef v. Remchingen, ein kaiserlicher General, der, nachdem er in die Dienste
des Herzogs getreten, Präsident des Kriegsraths und Höchstkommandirender
in Württemberg wurde und in dieser Eigenschaft alle Offiziers- und Unter¬
offiziersstellen mit Katholiken besetzte, endlich Josef Süß Oppenheimer, der
die Herbeischaffung der zur Ausführung des Planes erforderlichen Geldmittel
übernahm. ,

Süß gehörte dem Volke an, das sich von Josefs aegyptischen Getreide¬
wucher-Operationen bis anf unsere Gründerzeit immer vortrefflich auf die
finanzielle Ausbeutung derer, unter denen es lebte, verstanden hat. Er war
1692 zu Heidelberg geboren und der Sohn des Rabbi Jsaschar Sllßkind
Oppenheimer und der schönen, aber leichtfertigen Michaels Selmele, deren
Vater ebenfalls Rabbi und als Vorbeter unter seinen Leuten berühmt war.
Frühzeitig trennte sich Süß von seinen Eltern und ging in die weite Welt,
um mit seinen Gaben ein vornehmer Mann zu werden. Er war ein schmucker
und gescheidter junger Mensch, der in seinem Aeußern und in seiner Haltung


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[0392] seits des Rheines dazu, und wahrscheinlich waren ihm vom Wiener Hofe statt der Gelder für die Hilfstruppen, die er dem Kaiser zuführte, die Anwartschaft auf solche Eroberungen und zugleich die Einverleibung der in Württemberg liegenden oder daran grenzenden Reichsstädte Reutlingen, Ulm, Heilbronn, Gmünd und Weil zugesagt. Anfangs stieß der Herzog mit den Maßregeln, die er zur Vorbereitung dieser geheimgehaltenen Pläne vorschlug, bei den Ständen auf keinen Wider¬ stand ; denn es handelte sich ja um einen Vertheidigungskrieg. Aber das Volk jammerte und fluchte, als man eine große Anzahl von jungen Leuten aufgriff und in die Montur steckte, und als man den Bauern die besten Pferde ohne Bezahlung wegnahm, um sie zum Kriegsdienste zu verwenden. Die Steuer¬ rückstände wurden streng eingefordert, und ein Erlaß verkündete die Todes¬ strafe für jeden Widerstand, ja für jede „Unmuthsüußerung". Die Liebe zum Herzoge erstarb in weiten Kreisen, und es belebte sie nicht wieder, daß er sich in diesem Kriege Verdienste um Land und Volk erwarb. Karl Alexander wollte aber nicht blos erobern, er wollte die Verfassung auch umstürzen, um den Jesuiten sein Wort halten zu können, das Versprechen nämlich, zunächst den katholischen Glauben zu gleicher Berechtigung im Lande mit dem evangelischen zu erheben und dann das Volk, wie es einige Jahr¬ zehnte vorher im Neuburgischen geschehen, katholisch zu machen; ein Vorhaben, wozu er eines starken stehenden Heeres bedürfte. Zur Vorbereitung dieses Staatsstreichs dienten ihm der Fürstbischof von Würzburg und Bamberg Friedrich Karl v. Schönborn, ein hervorragendes Mitglied des Jesuitenordens, der ihm mit seinen Soldaten an die Hand zu gehen versprach, ferner Franz Josef v. Remchingen, ein kaiserlicher General, der, nachdem er in die Dienste des Herzogs getreten, Präsident des Kriegsraths und Höchstkommandirender in Württemberg wurde und in dieser Eigenschaft alle Offiziers- und Unter¬ offiziersstellen mit Katholiken besetzte, endlich Josef Süß Oppenheimer, der die Herbeischaffung der zur Ausführung des Planes erforderlichen Geldmittel übernahm. , Süß gehörte dem Volke an, das sich von Josefs aegyptischen Getreide¬ wucher-Operationen bis anf unsere Gründerzeit immer vortrefflich auf die finanzielle Ausbeutung derer, unter denen es lebte, verstanden hat. Er war 1692 zu Heidelberg geboren und der Sohn des Rabbi Jsaschar Sllßkind Oppenheimer und der schönen, aber leichtfertigen Michaels Selmele, deren Vater ebenfalls Rabbi und als Vorbeter unter seinen Leuten berühmt war. Frühzeitig trennte sich Süß von seinen Eltern und ging in die weite Welt, um mit seinen Gaben ein vornehmer Mann zu werden. Er war ein schmucker und gescheidter junger Mensch, der in seinem Aeußern und in seiner Haltung

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/392>, abgerufen am 27.09.2024.