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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.

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er besaß. Nachdem der Erbprinz Eberhard Ludwig's unheilbar zu siechen
begonnen, setzte sich der Prinz Karl Alexander wieder mit Württemberg in
Verbindung und bildete sich mit Hilfe des Regierungs- und Hofrathes neuster,
der großen Einfluß auf die Ausschüsse der Landschaft hatte, dort eine Partei,
um nach dem Tode des Erbprinzen als Thronfolger auftreten zu können, zu
welchem Zwecke er brieflich für den Fall, daß er zur Regierung käme, Achtung
der Religion und der Freiheiten des Landes gelobte. Nun war aber Württem¬
berg damals stockprotestantisch, ein'katholischer Fürst und ein Despot galten in
der Vorstellung des Volkes als ein und dasselbe, und die Gebildeteren wußten,
daß die damaligen politischen Grundsätze Oesterreich's und aller katholischen
Mächte zu den ständischen Vertretungen nicht stimmten, vielmehr zur Lähmung
und Beseitigung derselben führen mußten. Die "guten Familien" in Württem¬
berg endlich, deren Mitglieder die besten Stellen im Lande innehalten oder
nach ihnen strebten, fürchteten von Karl Alexander, der in Serbien gezeigt
hatte, daß er Beschränkung seines Willens nicht litt, Verlust ihres Einflusses
und Schädigung ihrer Interessen. So setzten sie sich mit dem jüngeren Bruder
Karl Alexander's, dem willensschwachen und den Staatsgeschäften fremden
Prinzen Heinrich Friedrich, in's Einvernehmen, um diesem den Thron zuzu¬
wenden. Karl Alexander erfuhr davon -- vermuthlich dnrch neuster --, schrieb
an ihn und bewog ihn, die Unterhandlungen mit den Herren von der Land¬
schaft und den Räthen, die den Plan erdacht, abzubrechen, und so war letzterer
gescheitert. Der Herzog aber trug den Urhebern dieser Kabale ihr damaliges
Verfahren allezeit nach, und wenn er neuster und den Präsidenten des
Geheimraths v. Forstner, welche die Säulen seiner Partei gewesen, eine Zeit
lang werthhielt und bevorzugte, so war er doch auch gegen sie nicht ohne Groll
und Mißtrauen, indem er glaubte, dieselben hätten ihm bei Unterschrift der
Huldigungsreversalien. die nichts besagten, als daß der Herzog die Freiheiten
und die Religion des Landes aufrechterhalten wolle, einen Bogen unterge¬
schoben und ihn also mehr unterschreiben lassen, als er nöthig gehabt. Dieser
Argwohn war unbegründet, aber erklärlich. Der Herzog hatte seit seinem
elften Jahre lediglich das Kriegshandwerk betrieben, und zwar außer Landes.
Er kannte die Verfassung nicht, er kam mit Plänen, die in dieser auf Hinder¬
nisse stoßen mußten, und die Berührung, in die er mit den Wächtern der
Landesfreiheiten bald nach seinem Regierungsantritt gerieth, enttäuschte ihn
bezüglich der Vorstellungen, die er sich von der herzoglichen Gewalt gebildet
hatte. Karl Alexander war in erster Linie eben Kriegsmann und als solcher
an unbedingten Gehorsam gewöhnt und auf Eroberungen bedacht. Als der
Krieg mit Frankreich wieder ausbrechen wollte, hoffte er die Grafschaft Möm-
Pelgard, die seinem Hause einst gehört, wieder zu gewinnen und Anderes jeu-


er besaß. Nachdem der Erbprinz Eberhard Ludwig's unheilbar zu siechen
begonnen, setzte sich der Prinz Karl Alexander wieder mit Württemberg in
Verbindung und bildete sich mit Hilfe des Regierungs- und Hofrathes neuster,
der großen Einfluß auf die Ausschüsse der Landschaft hatte, dort eine Partei,
um nach dem Tode des Erbprinzen als Thronfolger auftreten zu können, zu
welchem Zwecke er brieflich für den Fall, daß er zur Regierung käme, Achtung
der Religion und der Freiheiten des Landes gelobte. Nun war aber Württem¬
berg damals stockprotestantisch, ein'katholischer Fürst und ein Despot galten in
der Vorstellung des Volkes als ein und dasselbe, und die Gebildeteren wußten,
daß die damaligen politischen Grundsätze Oesterreich's und aller katholischen
Mächte zu den ständischen Vertretungen nicht stimmten, vielmehr zur Lähmung
und Beseitigung derselben führen mußten. Die „guten Familien" in Württem¬
berg endlich, deren Mitglieder die besten Stellen im Lande innehalten oder
nach ihnen strebten, fürchteten von Karl Alexander, der in Serbien gezeigt
hatte, daß er Beschränkung seines Willens nicht litt, Verlust ihres Einflusses
und Schädigung ihrer Interessen. So setzten sie sich mit dem jüngeren Bruder
Karl Alexander's, dem willensschwachen und den Staatsgeschäften fremden
Prinzen Heinrich Friedrich, in's Einvernehmen, um diesem den Thron zuzu¬
wenden. Karl Alexander erfuhr davon — vermuthlich dnrch neuster —, schrieb
an ihn und bewog ihn, die Unterhandlungen mit den Herren von der Land¬
schaft und den Räthen, die den Plan erdacht, abzubrechen, und so war letzterer
gescheitert. Der Herzog aber trug den Urhebern dieser Kabale ihr damaliges
Verfahren allezeit nach, und wenn er neuster und den Präsidenten des
Geheimraths v. Forstner, welche die Säulen seiner Partei gewesen, eine Zeit
lang werthhielt und bevorzugte, so war er doch auch gegen sie nicht ohne Groll
und Mißtrauen, indem er glaubte, dieselben hätten ihm bei Unterschrift der
Huldigungsreversalien. die nichts besagten, als daß der Herzog die Freiheiten
und die Religion des Landes aufrechterhalten wolle, einen Bogen unterge¬
schoben und ihn also mehr unterschreiben lassen, als er nöthig gehabt. Dieser
Argwohn war unbegründet, aber erklärlich. Der Herzog hatte seit seinem
elften Jahre lediglich das Kriegshandwerk betrieben, und zwar außer Landes.
Er kannte die Verfassung nicht, er kam mit Plänen, die in dieser auf Hinder¬
nisse stoßen mußten, und die Berührung, in die er mit den Wächtern der
Landesfreiheiten bald nach seinem Regierungsantritt gerieth, enttäuschte ihn
bezüglich der Vorstellungen, die er sich von der herzoglichen Gewalt gebildet
hatte. Karl Alexander war in erster Linie eben Kriegsmann und als solcher
an unbedingten Gehorsam gewöhnt und auf Eroberungen bedacht. Als der
Krieg mit Frankreich wieder ausbrechen wollte, hoffte er die Grafschaft Möm-
Pelgard, die seinem Hause einst gehört, wieder zu gewinnen und Anderes jeu-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/391>, abgerufen am 27.09.2024.