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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.

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licher, bürgerlicher und Kriegsdienste durch Minister, Räthe, Amtleute, Bürger¬
meister und Schultheißen, ja sogar durch Sekretäre, Garderobebediente und
Lakaien ausgeübt worden. Er fordere alle, welche in geistlichen, bürgerlichen
und militärischen Diensten ständen, ernstlich auf, wenn Einer in den letzten
zwanzig Jahren, um zu seinem Dienste zu kommen, Geld, Gold oder Silber,
Gemälde, Naturalien oder andere Geschenke habe geben müssen, umständlich zu
Papiere zu bringen, was und wem er es gegeben habe, und dieses Papier
binnen acht Tagen verschlossen ihm, dem Herzog, zu eigenen Händen kommen
zu lassen und bei schwerer Ahndung nichts zu verschweigen, aber auch keinen
unschuldig anzugeben.

Danach verfuhr der Herzog, und er kam hinter viele "Geheimnisse der
Bosheit, viel Heillosigkeit und auch nicht wenige silberne Esel", wie die un¬
tüchtigen Beamten genannt wurden, die ihre Stellen gekauft hatten. Den Be¬
schwerden wurde abgeholfen, so weit es möglich war. Die Leute, welche der
Grävenitz bei Aufsaugung des Landes geholfen, wurden zur Untersuchung
gezogen und, falls sie sich nicht selbst aus dem Staube machten, aus den
Grenzen verwiesen oder auf die Festung geschickt. Die bösen Gewissen in
Uniform zitterten, das Volk blickte zu seinem Fürsten mit Ehrfurcht und Liebe
auf, unter den Bauern hieß es: "Der treibt's unsern Treibern wieder ein."

Diese glückliche Verhältniß währte geraume Zeit fort, und wer nicht hinter
den Vorhang sehen konnte, war zufrieden. Da rief den Herzog als Reichs-
feldmarschall der wieder ausgebrochene Krieg mit den Franzosen von dieser
ersprießlichen Thätigkeit hinweg, und er hatte wenig Zeit mehr, den Dingen
und Menschen im Lande auf den Grund zu sehen. Unglücklicherweise traute
er selbst denjenigen von den alten Räthen nicht, die es wohlmeinten, und
grollte dem landschaftlichen Ausschusse, der ihm vor seinem Regierungsantritte
verschiedene Kränkungen zugefügt hatte und jetzt seinen Lieblingsplänen ent¬
gegentrat.

Als der Herzog noch als kaiserlicher General in Ungarn weilte, war er,
der nicht hauszuhalten verstand, in Geldverlegenheit gerathen. Er hatte sich
an den Ausschuß uM Vorausbezahlung seiner Apanage gewendet und war,
obwohl dieser die reichsten Mittel in der Hand und das verfassungsmäßige
Recht hatte, die Bitte zu gewähren, in unhöflicher Form abschläglich beschieden
worden. Zornig hatte er diese Antwort mit dem Ausrufe: "Gemeines Volk!"
auf den Tisch geworfen. Um diese Zeit hatten sich die Jesuiten an ihn gemacht,
und es war ihnen allmählich gelungen, ihn zum Uebertritte zum katholischen
Glauben geneigt zu machen. Er folgte indeß dabei nicht seiner Ueberzeugung,
sondern wurde katholisch, um die reiche Prinzessin von Thurn und Taxis
heirathen zu können und sich am Wiener Hofe mehr Gönner zu erwerben, als


licher, bürgerlicher und Kriegsdienste durch Minister, Räthe, Amtleute, Bürger¬
meister und Schultheißen, ja sogar durch Sekretäre, Garderobebediente und
Lakaien ausgeübt worden. Er fordere alle, welche in geistlichen, bürgerlichen
und militärischen Diensten ständen, ernstlich auf, wenn Einer in den letzten
zwanzig Jahren, um zu seinem Dienste zu kommen, Geld, Gold oder Silber,
Gemälde, Naturalien oder andere Geschenke habe geben müssen, umständlich zu
Papiere zu bringen, was und wem er es gegeben habe, und dieses Papier
binnen acht Tagen verschlossen ihm, dem Herzog, zu eigenen Händen kommen
zu lassen und bei schwerer Ahndung nichts zu verschweigen, aber auch keinen
unschuldig anzugeben.

Danach verfuhr der Herzog, und er kam hinter viele „Geheimnisse der
Bosheit, viel Heillosigkeit und auch nicht wenige silberne Esel", wie die un¬
tüchtigen Beamten genannt wurden, die ihre Stellen gekauft hatten. Den Be¬
schwerden wurde abgeholfen, so weit es möglich war. Die Leute, welche der
Grävenitz bei Aufsaugung des Landes geholfen, wurden zur Untersuchung
gezogen und, falls sie sich nicht selbst aus dem Staube machten, aus den
Grenzen verwiesen oder auf die Festung geschickt. Die bösen Gewissen in
Uniform zitterten, das Volk blickte zu seinem Fürsten mit Ehrfurcht und Liebe
auf, unter den Bauern hieß es: „Der treibt's unsern Treibern wieder ein."

Diese glückliche Verhältniß währte geraume Zeit fort, und wer nicht hinter
den Vorhang sehen konnte, war zufrieden. Da rief den Herzog als Reichs-
feldmarschall der wieder ausgebrochene Krieg mit den Franzosen von dieser
ersprießlichen Thätigkeit hinweg, und er hatte wenig Zeit mehr, den Dingen
und Menschen im Lande auf den Grund zu sehen. Unglücklicherweise traute
er selbst denjenigen von den alten Räthen nicht, die es wohlmeinten, und
grollte dem landschaftlichen Ausschusse, der ihm vor seinem Regierungsantritte
verschiedene Kränkungen zugefügt hatte und jetzt seinen Lieblingsplänen ent¬
gegentrat.

Als der Herzog noch als kaiserlicher General in Ungarn weilte, war er,
der nicht hauszuhalten verstand, in Geldverlegenheit gerathen. Er hatte sich
an den Ausschuß uM Vorausbezahlung seiner Apanage gewendet und war,
obwohl dieser die reichsten Mittel in der Hand und das verfassungsmäßige
Recht hatte, die Bitte zu gewähren, in unhöflicher Form abschläglich beschieden
worden. Zornig hatte er diese Antwort mit dem Ausrufe: „Gemeines Volk!"
auf den Tisch geworfen. Um diese Zeit hatten sich die Jesuiten an ihn gemacht,
und es war ihnen allmählich gelungen, ihn zum Uebertritte zum katholischen
Glauben geneigt zu machen. Er folgte indeß dabei nicht seiner Ueberzeugung,
sondern wurde katholisch, um die reiche Prinzessin von Thurn und Taxis
heirathen zu können und sich am Wiener Hofe mehr Gönner zu erwerben, als


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/390>, abgerufen am 29.12.2024.