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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.

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der Sache stehe damit in Widerspruch. Und nun schildert der Präsident, ge¬
stützt auf unleugbare Thatsachen, wie das in seiner Mehrheit demokratisch
gesinnte Repräsentantenhaus des 45. Kongresses die Abänderung der Bundes¬
wahlgesetze unter allen Umständen durchzusetzen bemüht gewesen sei. Man
habe sehr wohl gewußt, daß der damals in der Mehrheit aus Republikanern
bestehende Senat niemals einer, jene Abänderung bezweckenden selbständigen
Bill beigestimmt haben würde, und sei doch oder vielmehr gerade deshalb zu
dem Entschlüsse gekommen, die aus Parteirücksichten so heiß ersehnte Abände¬
rungsbill der Armeebill als Klausel anzuhängen; zugleich habe man gedroht,
daß, falls der Senat diese Klausel nicht annähme, das Repräsentantenhaus das
Armeebudget nicht bewilligen würde. Diese Drohung sei denn auch in Er¬
füllung gegangen, und so sei die gegenwärtige Extra-Sitzung des 46. Kongresses
nothwendig geworden. Beide Häuser dieses Kongresses seien in der Mehrheit
demokratisch und hätten sofort die alte Klausel-Gesetzgebung wieder in Angriff
genommen. Diese Gesetzgebungsart, an sich schon verwerflich, beruhe im vor¬
liegenden Falle aber auf dem durch und durch falschen Prinzip, daß dem
Repräsentantenhause allein das Recht zustehe, zuerst Geldbewilligungen ent¬
haltende Gesetzesvorschläge in Anregung zu bringen, und daß jenes Haus des¬
halb auch berechtigt sei, die zur Fortführung der Regierungsgeschäfte noth¬
wendigen Geldmittel zu verweigern, wenn nicht der Senat und der Präsident
dem vom Repräsentantenhause vorgeschlagenen Gesetzgebungsmodus beistimmten.

"Die Aufstellung dieses Prinzips," sagt Hayes, "involvirt eine radikale,
gefährliche und unkonstitutionelle Aenderung unserer Verfassung. Die Bundes¬
verfassung und die auf ihr ruhenden Gesetze weisen den verschiedenen Zweigen
der Regierung und der Bundesarmee ihre Stellung an. Die Rechte und
Pflichten der Regierung und, der Armee sind genau definirt, und ihre Erhaltung
hat das Gesetz sorgfältig vorgesehen. Die für sie jetzt nothwendigen Geldmittel
sind vom Volke beschafft, sie liegen im Staatsschatze zur Auszahlung bereit,
sobald die Geldbewilligungs- oder Appropriations-Bill angenommen ist. Diese
Bill mag nun angenommen werden oder nicht -- die Einfordernng der Steuern
wird weiter vor sich gehen, und das Geld wird sich im Staatsschatze anhäufen.
Es lag nicht in der Absicht der Gründer unserer Verfassung, einem einzelnen
Theile der Regierung die Gewalt zu verleihen, die Bedingungen vorzuschreiben,
unter denen dieser Schatz für die Zwecke, für welche er angesammelt wurde,
Verwendung finden soll. Eine solche Absicht müßte, wenn sie bestanden Hütte,
doch irgendwo in der Verfassung ihren klaren Ausdruck gefunden haben. Dies
ist aber nicht der Fall. Daß die Mehrheit des Senates jetzt die Ansprüche
des Repräsentantenhauses unterstützt, erhöht nur den Ernst der Lage, ändert
aber die eigentliche Streitfrage durchaus nicht. Sollte die neue Lehre zum


der Sache stehe damit in Widerspruch. Und nun schildert der Präsident, ge¬
stützt auf unleugbare Thatsachen, wie das in seiner Mehrheit demokratisch
gesinnte Repräsentantenhaus des 45. Kongresses die Abänderung der Bundes¬
wahlgesetze unter allen Umständen durchzusetzen bemüht gewesen sei. Man
habe sehr wohl gewußt, daß der damals in der Mehrheit aus Republikanern
bestehende Senat niemals einer, jene Abänderung bezweckenden selbständigen
Bill beigestimmt haben würde, und sei doch oder vielmehr gerade deshalb zu
dem Entschlüsse gekommen, die aus Parteirücksichten so heiß ersehnte Abände¬
rungsbill der Armeebill als Klausel anzuhängen; zugleich habe man gedroht,
daß, falls der Senat diese Klausel nicht annähme, das Repräsentantenhaus das
Armeebudget nicht bewilligen würde. Diese Drohung sei denn auch in Er¬
füllung gegangen, und so sei die gegenwärtige Extra-Sitzung des 46. Kongresses
nothwendig geworden. Beide Häuser dieses Kongresses seien in der Mehrheit
demokratisch und hätten sofort die alte Klausel-Gesetzgebung wieder in Angriff
genommen. Diese Gesetzgebungsart, an sich schon verwerflich, beruhe im vor¬
liegenden Falle aber auf dem durch und durch falschen Prinzip, daß dem
Repräsentantenhause allein das Recht zustehe, zuerst Geldbewilligungen ent¬
haltende Gesetzesvorschläge in Anregung zu bringen, und daß jenes Haus des¬
halb auch berechtigt sei, die zur Fortführung der Regierungsgeschäfte noth¬
wendigen Geldmittel zu verweigern, wenn nicht der Senat und der Präsident
dem vom Repräsentantenhause vorgeschlagenen Gesetzgebungsmodus beistimmten.

„Die Aufstellung dieses Prinzips," sagt Hayes, „involvirt eine radikale,
gefährliche und unkonstitutionelle Aenderung unserer Verfassung. Die Bundes¬
verfassung und die auf ihr ruhenden Gesetze weisen den verschiedenen Zweigen
der Regierung und der Bundesarmee ihre Stellung an. Die Rechte und
Pflichten der Regierung und, der Armee sind genau definirt, und ihre Erhaltung
hat das Gesetz sorgfältig vorgesehen. Die für sie jetzt nothwendigen Geldmittel
sind vom Volke beschafft, sie liegen im Staatsschatze zur Auszahlung bereit,
sobald die Geldbewilligungs- oder Appropriations-Bill angenommen ist. Diese
Bill mag nun angenommen werden oder nicht — die Einfordernng der Steuern
wird weiter vor sich gehen, und das Geld wird sich im Staatsschatze anhäufen.
Es lag nicht in der Absicht der Gründer unserer Verfassung, einem einzelnen
Theile der Regierung die Gewalt zu verleihen, die Bedingungen vorzuschreiben,
unter denen dieser Schatz für die Zwecke, für welche er angesammelt wurde,
Verwendung finden soll. Eine solche Absicht müßte, wenn sie bestanden Hütte,
doch irgendwo in der Verfassung ihren klaren Ausdruck gefunden haben. Dies
ist aber nicht der Fall. Daß die Mehrheit des Senates jetzt die Ansprüche
des Repräsentantenhauses unterstützt, erhöht nur den Ernst der Lage, ändert
aber die eigentliche Streitfrage durchaus nicht. Sollte die neue Lehre zum


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[0373] der Sache stehe damit in Widerspruch. Und nun schildert der Präsident, ge¬ stützt auf unleugbare Thatsachen, wie das in seiner Mehrheit demokratisch gesinnte Repräsentantenhaus des 45. Kongresses die Abänderung der Bundes¬ wahlgesetze unter allen Umständen durchzusetzen bemüht gewesen sei. Man habe sehr wohl gewußt, daß der damals in der Mehrheit aus Republikanern bestehende Senat niemals einer, jene Abänderung bezweckenden selbständigen Bill beigestimmt haben würde, und sei doch oder vielmehr gerade deshalb zu dem Entschlüsse gekommen, die aus Parteirücksichten so heiß ersehnte Abände¬ rungsbill der Armeebill als Klausel anzuhängen; zugleich habe man gedroht, daß, falls der Senat diese Klausel nicht annähme, das Repräsentantenhaus das Armeebudget nicht bewilligen würde. Diese Drohung sei denn auch in Er¬ füllung gegangen, und so sei die gegenwärtige Extra-Sitzung des 46. Kongresses nothwendig geworden. Beide Häuser dieses Kongresses seien in der Mehrheit demokratisch und hätten sofort die alte Klausel-Gesetzgebung wieder in Angriff genommen. Diese Gesetzgebungsart, an sich schon verwerflich, beruhe im vor¬ liegenden Falle aber auf dem durch und durch falschen Prinzip, daß dem Repräsentantenhause allein das Recht zustehe, zuerst Geldbewilligungen ent¬ haltende Gesetzesvorschläge in Anregung zu bringen, und daß jenes Haus des¬ halb auch berechtigt sei, die zur Fortführung der Regierungsgeschäfte noth¬ wendigen Geldmittel zu verweigern, wenn nicht der Senat und der Präsident dem vom Repräsentantenhause vorgeschlagenen Gesetzgebungsmodus beistimmten. „Die Aufstellung dieses Prinzips," sagt Hayes, „involvirt eine radikale, gefährliche und unkonstitutionelle Aenderung unserer Verfassung. Die Bundes¬ verfassung und die auf ihr ruhenden Gesetze weisen den verschiedenen Zweigen der Regierung und der Bundesarmee ihre Stellung an. Die Rechte und Pflichten der Regierung und, der Armee sind genau definirt, und ihre Erhaltung hat das Gesetz sorgfältig vorgesehen. Die für sie jetzt nothwendigen Geldmittel sind vom Volke beschafft, sie liegen im Staatsschatze zur Auszahlung bereit, sobald die Geldbewilligungs- oder Appropriations-Bill angenommen ist. Diese Bill mag nun angenommen werden oder nicht — die Einfordernng der Steuern wird weiter vor sich gehen, und das Geld wird sich im Staatsschatze anhäufen. Es lag nicht in der Absicht der Gründer unserer Verfassung, einem einzelnen Theile der Regierung die Gewalt zu verleihen, die Bedingungen vorzuschreiben, unter denen dieser Schatz für die Zwecke, für welche er angesammelt wurde, Verwendung finden soll. Eine solche Absicht müßte, wenn sie bestanden Hütte, doch irgendwo in der Verfassung ihren klaren Ausdruck gefunden haben. Dies ist aber nicht der Fall. Daß die Mehrheit des Senates jetzt die Ansprüche des Repräsentantenhauses unterstützt, erhöht nur den Ernst der Lage, ändert aber die eigentliche Streitfrage durchaus nicht. Sollte die neue Lehre zum

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/373>, abgerufen am 27.09.2024.