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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.

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leitenden Grundsatze erhoben werden, dann kann sie nur zu einer unwidersteh¬
lichen und despotischen Gewalt des Repräsentantenhauses führen. Die bloße
Majorität dieses Hauses würde die Regierung ausmachen. Die Exekutive
würde nicht mehr das sein, was die Gründer der Bundesverfassung wollten,
daß sie sein sollte: ein gleichberechtigter und unabhängiger Zweig der Regierung
öHUtü g.Qä inäsxsnäsiit dranod ok tus Novernrakiit). Es ist offenbar
die konstitutionelle Pflicht des Präsidenten, sein diskretionüres Urtheil allen
ihm vorgelegten Gesetzesvorschlägen gegenüber anzuwenden, ohne Druck und
Zwang seitens eines andern Zweiges der Regierung. Die Behauptung, daß
die einfache Mehrheit eines Hauses oder beider Häuser des Kongresses die
Billigung einer Gesetzesvorlage erzwingen dürfe durch die Androhung der Ver¬
weigerung der nöthigen Geldmittel, ist gleichbedeutend mit einer Ableugnung des
der Exekutive durch die zweite Abtheilung des siebenten Artikels der Bundes¬
verfassung klar und deutlich gewährleisteten Urtheiles an der Gesetzgebung.
Eine solche Behauptung streicht aus der Konstitution die allerdings bedingte
negative Gewalt (das Veto) des Präsidenten aus. Man hat gesagt, dies müsse
geschehen, weil es die besondere Funktion des Repräsentantenhauses sei, deu
Volkswillen zum Ausdrucke zu bringen. Allein es hat kein einzelner Zweig
und kein einzelner Theil der Regierung die ausschließliche Autorität, im Namen
des amerikanischen Volkes zu sprechen. Die bestimmteste und feierlichste Er¬
klärung des Volkswillens ist in der Konstitution des amerikanischen Volkes
enthalten. Durch diese Konstitution ist eine Regierung angeordnet und einge¬
setzt, deren Gewalten zwischen koordinirten Zweigen gleich vertheilt sind, die,
soweit es mit einem harmonischen Zusammenwirken möglich und verträglich
ist, von einander unabhängig sind. Das Volk dieses Landes wünscht nicht,
daß die Oberhoheit (tds suxrsra^c!/) der Konstitution durch die Allgewalt
(omnixotkQvs) eines einzelnen Regierungszweiges aufgehoben werde. Wollte
man diese Bill wirklich zum Gesetze machen, so würde man einen Präzedenzfall
schaffen, der die gleichvertheilte Unabhängigkeit der einzelnen Zweige unseres
Regierungssystems zerstören müßte. Die Tendenz dieser Bill geht ja offenbar
dahin, nicht nur den Bundessenat, sondern auch die Exekutive und die richter¬
liche Gewalt unter die zwingende Botmäßigkeit (ed."z oosrvivs ÄiotAtion) des
Repräsentantenhauses zu stellen. Das Repräsentantenhaus des Kongresses
würde fortan der einzige Richter über etwaige Mißstünde in unserm staatlichen
Leben fein und allein für Abhilfe zu sorgen haben. Jetzt betrifft der an¬
gebliche Mißstand ein Kongreßgesetz, welches zum Schutze der nationalen
Wahlen erlassen wurde. Wenn aber der vorliegende Gesetzesvorschlag Gesetzes¬
kraft erhielte, so würde das Repräsentantenhaus auch über jeden andern
Kongreßakt die letzte Entscheidung beanspruchen, z. B. über einen vom Pra-


leitenden Grundsatze erhoben werden, dann kann sie nur zu einer unwidersteh¬
lichen und despotischen Gewalt des Repräsentantenhauses führen. Die bloße
Majorität dieses Hauses würde die Regierung ausmachen. Die Exekutive
würde nicht mehr das sein, was die Gründer der Bundesverfassung wollten,
daß sie sein sollte: ein gleichberechtigter und unabhängiger Zweig der Regierung
öHUtü g.Qä inäsxsnäsiit dranod ok tus Novernrakiit). Es ist offenbar
die konstitutionelle Pflicht des Präsidenten, sein diskretionüres Urtheil allen
ihm vorgelegten Gesetzesvorschlägen gegenüber anzuwenden, ohne Druck und
Zwang seitens eines andern Zweiges der Regierung. Die Behauptung, daß
die einfache Mehrheit eines Hauses oder beider Häuser des Kongresses die
Billigung einer Gesetzesvorlage erzwingen dürfe durch die Androhung der Ver¬
weigerung der nöthigen Geldmittel, ist gleichbedeutend mit einer Ableugnung des
der Exekutive durch die zweite Abtheilung des siebenten Artikels der Bundes¬
verfassung klar und deutlich gewährleisteten Urtheiles an der Gesetzgebung.
Eine solche Behauptung streicht aus der Konstitution die allerdings bedingte
negative Gewalt (das Veto) des Präsidenten aus. Man hat gesagt, dies müsse
geschehen, weil es die besondere Funktion des Repräsentantenhauses sei, deu
Volkswillen zum Ausdrucke zu bringen. Allein es hat kein einzelner Zweig
und kein einzelner Theil der Regierung die ausschließliche Autorität, im Namen
des amerikanischen Volkes zu sprechen. Die bestimmteste und feierlichste Er¬
klärung des Volkswillens ist in der Konstitution des amerikanischen Volkes
enthalten. Durch diese Konstitution ist eine Regierung angeordnet und einge¬
setzt, deren Gewalten zwischen koordinirten Zweigen gleich vertheilt sind, die,
soweit es mit einem harmonischen Zusammenwirken möglich und verträglich
ist, von einander unabhängig sind. Das Volk dieses Landes wünscht nicht,
daß die Oberhoheit (tds suxrsra^c!/) der Konstitution durch die Allgewalt
(omnixotkQvs) eines einzelnen Regierungszweiges aufgehoben werde. Wollte
man diese Bill wirklich zum Gesetze machen, so würde man einen Präzedenzfall
schaffen, der die gleichvertheilte Unabhängigkeit der einzelnen Zweige unseres
Regierungssystems zerstören müßte. Die Tendenz dieser Bill geht ja offenbar
dahin, nicht nur den Bundessenat, sondern auch die Exekutive und die richter¬
liche Gewalt unter die zwingende Botmäßigkeit (ed.«z oosrvivs ÄiotAtion) des
Repräsentantenhauses zu stellen. Das Repräsentantenhaus des Kongresses
würde fortan der einzige Richter über etwaige Mißstünde in unserm staatlichen
Leben fein und allein für Abhilfe zu sorgen haben. Jetzt betrifft der an¬
gebliche Mißstand ein Kongreßgesetz, welches zum Schutze der nationalen
Wahlen erlassen wurde. Wenn aber der vorliegende Gesetzesvorschlag Gesetzes¬
kraft erhielte, so würde das Repräsentantenhaus auch über jeden andern
Kongreßakt die letzte Entscheidung beanspruchen, z. B. über einen vom Pra-


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[0374] leitenden Grundsatze erhoben werden, dann kann sie nur zu einer unwidersteh¬ lichen und despotischen Gewalt des Repräsentantenhauses führen. Die bloße Majorität dieses Hauses würde die Regierung ausmachen. Die Exekutive würde nicht mehr das sein, was die Gründer der Bundesverfassung wollten, daß sie sein sollte: ein gleichberechtigter und unabhängiger Zweig der Regierung öHUtü g.Qä inäsxsnäsiit dranod ok tus Novernrakiit). Es ist offenbar die konstitutionelle Pflicht des Präsidenten, sein diskretionüres Urtheil allen ihm vorgelegten Gesetzesvorschlägen gegenüber anzuwenden, ohne Druck und Zwang seitens eines andern Zweiges der Regierung. Die Behauptung, daß die einfache Mehrheit eines Hauses oder beider Häuser des Kongresses die Billigung einer Gesetzesvorlage erzwingen dürfe durch die Androhung der Ver¬ weigerung der nöthigen Geldmittel, ist gleichbedeutend mit einer Ableugnung des der Exekutive durch die zweite Abtheilung des siebenten Artikels der Bundes¬ verfassung klar und deutlich gewährleisteten Urtheiles an der Gesetzgebung. Eine solche Behauptung streicht aus der Konstitution die allerdings bedingte negative Gewalt (das Veto) des Präsidenten aus. Man hat gesagt, dies müsse geschehen, weil es die besondere Funktion des Repräsentantenhauses sei, deu Volkswillen zum Ausdrucke zu bringen. Allein es hat kein einzelner Zweig und kein einzelner Theil der Regierung die ausschließliche Autorität, im Namen des amerikanischen Volkes zu sprechen. Die bestimmteste und feierlichste Er¬ klärung des Volkswillens ist in der Konstitution des amerikanischen Volkes enthalten. Durch diese Konstitution ist eine Regierung angeordnet und einge¬ setzt, deren Gewalten zwischen koordinirten Zweigen gleich vertheilt sind, die, soweit es mit einem harmonischen Zusammenwirken möglich und verträglich ist, von einander unabhängig sind. Das Volk dieses Landes wünscht nicht, daß die Oberhoheit (tds suxrsra^c!/) der Konstitution durch die Allgewalt (omnixotkQvs) eines einzelnen Regierungszweiges aufgehoben werde. Wollte man diese Bill wirklich zum Gesetze machen, so würde man einen Präzedenzfall schaffen, der die gleichvertheilte Unabhängigkeit der einzelnen Zweige unseres Regierungssystems zerstören müßte. Die Tendenz dieser Bill geht ja offenbar dahin, nicht nur den Bundessenat, sondern auch die Exekutive und die richter¬ liche Gewalt unter die zwingende Botmäßigkeit (ed.«z oosrvivs ÄiotAtion) des Repräsentantenhauses zu stellen. Das Repräsentantenhaus des Kongresses würde fortan der einzige Richter über etwaige Mißstünde in unserm staatlichen Leben fein und allein für Abhilfe zu sorgen haben. Jetzt betrifft der an¬ gebliche Mißstand ein Kongreßgesetz, welches zum Schutze der nationalen Wahlen erlassen wurde. Wenn aber der vorliegende Gesetzesvorschlag Gesetzes¬ kraft erhielte, so würde das Repräsentantenhaus auch über jeden andern Kongreßakt die letzte Entscheidung beanspruchen, z. B. über einen vom Pra-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/374>, abgerufen am 29.12.2024.