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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.

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Manchem Vorgänger Hansen's war es übrigens vor zwanzig und mehr
Jahren in Berlin nicht besser ergangen. So stellte sich damals ein Franzose
dort ein, um sein Fluidum leuchten und Geschäfte machen zu lassen. Als
Medium diente ihm seine Frau. Um sich einzuführen, lud er Aerzte und Ver¬
treter der Zeitungen zu einer Probevorlesung ein, und hier verdarb ihm die
Tücke eines Arztes sofort das ganze Geschäft. Die Dame wurde in gewohnter
Weise von den Händen des Magnetiseurs bestrichen und verfiel programm¬
mäßig in einen tiefen Schlaf. Sie wurde mit Nadeln gestochen und ertrug
es ohne Zucken. Dann befahl ihr der Wundermann, aufzustehen und ihm zu
folgen. Sie gehorchte mechanisch und ging in scheinbar somnambulen Zustande.
Wenige Schritte hatte sie gemacht, als ein Herr in der ersten Reihe ihr auf
französisch zurief: < "Madame, fallen Sie nicht, es kommt eine Stufe." Das
Medium macht halt, öffnet die Augen und sieht nach den Füßen. Gleich
darauf nimmt sie ihren somnambulen Zustand wieder an, aber -- zu spät.
Die Zuschauer brachen in ein schallendes Gelächter aus. Die Prozedur war
zu Ende. Der Prestidigitateur nahm seine Frau am Arme und verließ mit
wüthenden Blicken den Saal. In Berlin war seine Rolle ausgespielt.

Nicht ganz so trostlos erging es Hansen, aber doch trostlos genng; denn
ohne langen Aufenthalt wandte er der ungläubigen Stadt den Rücken und
setzte seine Wanderung fort, um in Kleinparis sein Heil zu versuchen. Und
siehe da: dort ging es ihm schon besser. Ueber eine Woche lang sammelten
sich alle Abends Schau- und Wunderlustige um den'"Magnetiseur".

Von Leipzig ging die Reise nach Elbflorenz. Hier fand die geheimniß-
volle Kraft des Zauberers volle Anerkennung, hier feierte er Triumphe. Ganz
Dresden war verzückt. Ueberall bildeten die Wunder des Meisters das stehende
Tagesgespräch, und am Abend war der "Viktoriasalon" zu klein, um alle die
Bezauberten zu fassen. Das hatten mit ihrer Reklame die "Dresdner Zei¬
tung" und die "Dresdner Nachrichten" gethan und die -- Empfänglichkeit des
Publikums. "Die phänomenalen Leistungen dieses zweiten Mesmer haben
unsere Stadt in eine fieberhafte Aufregung versetzt," schrieb die Dresdner Zei¬
tung. "Wir haben es keineswegs mit spiritistischen Humbug, Tischrücken und
dergleichen zu thun, da sich alles vor unseren Augen vollzieht, und jede Täu¬
schung vollständig ausgeschlossen sein muß; nein, hier gelangen wir zu der
Ueberzeugung, daß dem Menschen geheime Kräfte innewohnen, die, wenn er sie
zu wecken versteht, auf andere menschliche Wesen mit unheimlicher Macht ein¬
wirken." Noch ärger hatten sich die "Nachrichten" magnetisch an der Nase
herumführen lassen. Der Zauberer war in die Redaktion gekommen und hatte
sich erboten" auf der Stelle eine Probe seiner Leistungen abzulegen. Redakteur,
Setzer und Postbote bildeten ofort eine improvistrte Sitzung, und alles gelang


Manchem Vorgänger Hansen's war es übrigens vor zwanzig und mehr
Jahren in Berlin nicht besser ergangen. So stellte sich damals ein Franzose
dort ein, um sein Fluidum leuchten und Geschäfte machen zu lassen. Als
Medium diente ihm seine Frau. Um sich einzuführen, lud er Aerzte und Ver¬
treter der Zeitungen zu einer Probevorlesung ein, und hier verdarb ihm die
Tücke eines Arztes sofort das ganze Geschäft. Die Dame wurde in gewohnter
Weise von den Händen des Magnetiseurs bestrichen und verfiel programm¬
mäßig in einen tiefen Schlaf. Sie wurde mit Nadeln gestochen und ertrug
es ohne Zucken. Dann befahl ihr der Wundermann, aufzustehen und ihm zu
folgen. Sie gehorchte mechanisch und ging in scheinbar somnambulen Zustande.
Wenige Schritte hatte sie gemacht, als ein Herr in der ersten Reihe ihr auf
französisch zurief: < „Madame, fallen Sie nicht, es kommt eine Stufe." Das
Medium macht halt, öffnet die Augen und sieht nach den Füßen. Gleich
darauf nimmt sie ihren somnambulen Zustand wieder an, aber — zu spät.
Die Zuschauer brachen in ein schallendes Gelächter aus. Die Prozedur war
zu Ende. Der Prestidigitateur nahm seine Frau am Arme und verließ mit
wüthenden Blicken den Saal. In Berlin war seine Rolle ausgespielt.

Nicht ganz so trostlos erging es Hansen, aber doch trostlos genng; denn
ohne langen Aufenthalt wandte er der ungläubigen Stadt den Rücken und
setzte seine Wanderung fort, um in Kleinparis sein Heil zu versuchen. Und
siehe da: dort ging es ihm schon besser. Ueber eine Woche lang sammelten
sich alle Abends Schau- und Wunderlustige um den'„Magnetiseur".

Von Leipzig ging die Reise nach Elbflorenz. Hier fand die geheimniß-
volle Kraft des Zauberers volle Anerkennung, hier feierte er Triumphe. Ganz
Dresden war verzückt. Ueberall bildeten die Wunder des Meisters das stehende
Tagesgespräch, und am Abend war der „Viktoriasalon" zu klein, um alle die
Bezauberten zu fassen. Das hatten mit ihrer Reklame die „Dresdner Zei¬
tung" und die „Dresdner Nachrichten" gethan und die — Empfänglichkeit des
Publikums. „Die phänomenalen Leistungen dieses zweiten Mesmer haben
unsere Stadt in eine fieberhafte Aufregung versetzt," schrieb die Dresdner Zei¬
tung. „Wir haben es keineswegs mit spiritistischen Humbug, Tischrücken und
dergleichen zu thun, da sich alles vor unseren Augen vollzieht, und jede Täu¬
schung vollständig ausgeschlossen sein muß; nein, hier gelangen wir zu der
Ueberzeugung, daß dem Menschen geheime Kräfte innewohnen, die, wenn er sie
zu wecken versteht, auf andere menschliche Wesen mit unheimlicher Macht ein¬
wirken." Noch ärger hatten sich die „Nachrichten" magnetisch an der Nase
herumführen lassen. Der Zauberer war in die Redaktion gekommen und hatte
sich erboten» auf der Stelle eine Probe seiner Leistungen abzulegen. Redakteur,
Setzer und Postbote bildeten ofort eine improvistrte Sitzung, und alles gelang


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/360>, abgerufen am 29.12.2024.