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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.

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urtheil und Ungeduld jeder Neuerung den Weg versperren. Mit großem Rechte
sagt Napoleon III. in seinen Mu6hö sur 1s pass^ se 1'avsnir as l'^rtiUsris:
"I^hö iuvsutions trox an-ässsus as Isurs sxsc^usf rsstsnt iuutilss Mön^usf
an luomsut oÄ 1s iiivsau ass oonnaissü-uchs Aöiisralss sse xarvsuu a Iss
attsiuärs."


Max Jähns.


Der neue Uagnetismus-Schwindel.

Vor kurzem wurden die größeren Städte Deutschland's von einem speku¬
lativen Dänen besucht -- mit Namen Hansen und seines Zeichens "Magne-
tiseur" --, um von neuem auf die Größe ihres Fluidums für magnetische und
mystische Schwindeleien untersucht zu werden und das Kleeblatt der Wunder
wieder vollzumachen. Marienerscheinungen, spiritistische Geisterthaten und die
Kraft des thierischen Magnetismus, die alten guten Freunde, die sich schon zur
Zeit der Hochfluth der Wunder, zu Anfang der fünfziger Jahre, eintrüchtiglich
Zusammenfanden oder einander ablösten, sie sind auch jetzt wieder zusammen
erschienen. Glücklicherweise haben sie die gesunde Vernunft des Publikums
diesmal nicht so zu betäuben vermocht wie das erste Mal. Damals gab es
kaum ein Dorf, das nicht seinen wahrsagenden Dreifuß oder seinen verrückten
Tisch, gehabt hätte. So weit wird es diesmal nicht kommen. Auch der Mar-
pinger Prozeß, so Skandalöses er zu Tage gefördert hat, reicht lange nicht an
den Königsberger Spiritisten-Prozeß heran, der den Abschluß der vorigen
Wunderperiode bildete. Aber kommen wir zu unserm Helden.

Wie nach der gegenwärtigen Sitte alle großen Künstler und Virtuosen
ihren Ruhmeslauf durch Deutschland in der Reichshauptstadt beginnen, so ver¬
suchte auch unser Prestidigitateur sein Glück zuerst in Berlin. Aber die Berliner
haben für die Wunder wenig Sinn; Hansen fiel durch. Seine Vorstellungen
wurden nur benutzt, um schnöde Redensarten an den Mann zu bringen, und
was Berlin nur immer an moquanteu Witzen augenblicklich auf dem Markte
hatte, wurde herbeigeholt, den Wunderbaren zu foppen. Redensarten wie
"fauler Kopp" schwirrten fluidumgleich durch die Luft und ließen das Han-
sen'sche Fluidum nicht zur Entwickelung gelangen. Vollends mißlich lief die
Vorstellung ab, zu welcher Aerzte und Vertreter der Presse eingeladen waren.
Diese Gattung von Berlinern schien ganz und gar keine Fluidummheit zu
besitzen.


urtheil und Ungeduld jeder Neuerung den Weg versperren. Mit großem Rechte
sagt Napoleon III. in seinen Mu6hö sur 1s pass^ se 1'avsnir as l'^rtiUsris:
„I^hö iuvsutions trox an-ässsus as Isurs sxsc^usf rsstsnt iuutilss Mön^usf
an luomsut oÄ 1s iiivsau ass oonnaissü-uchs Aöiisralss sse xarvsuu a Iss
attsiuärs."


Max Jähns.


Der neue Uagnetismus-Schwindel.

Vor kurzem wurden die größeren Städte Deutschland's von einem speku¬
lativen Dänen besucht — mit Namen Hansen und seines Zeichens „Magne-
tiseur" —, um von neuem auf die Größe ihres Fluidums für magnetische und
mystische Schwindeleien untersucht zu werden und das Kleeblatt der Wunder
wieder vollzumachen. Marienerscheinungen, spiritistische Geisterthaten und die
Kraft des thierischen Magnetismus, die alten guten Freunde, die sich schon zur
Zeit der Hochfluth der Wunder, zu Anfang der fünfziger Jahre, eintrüchtiglich
Zusammenfanden oder einander ablösten, sie sind auch jetzt wieder zusammen
erschienen. Glücklicherweise haben sie die gesunde Vernunft des Publikums
diesmal nicht so zu betäuben vermocht wie das erste Mal. Damals gab es
kaum ein Dorf, das nicht seinen wahrsagenden Dreifuß oder seinen verrückten
Tisch, gehabt hätte. So weit wird es diesmal nicht kommen. Auch der Mar-
pinger Prozeß, so Skandalöses er zu Tage gefördert hat, reicht lange nicht an
den Königsberger Spiritisten-Prozeß heran, der den Abschluß der vorigen
Wunderperiode bildete. Aber kommen wir zu unserm Helden.

Wie nach der gegenwärtigen Sitte alle großen Künstler und Virtuosen
ihren Ruhmeslauf durch Deutschland in der Reichshauptstadt beginnen, so ver¬
suchte auch unser Prestidigitateur sein Glück zuerst in Berlin. Aber die Berliner
haben für die Wunder wenig Sinn; Hansen fiel durch. Seine Vorstellungen
wurden nur benutzt, um schnöde Redensarten an den Mann zu bringen, und
was Berlin nur immer an moquanteu Witzen augenblicklich auf dem Markte
hatte, wurde herbeigeholt, den Wunderbaren zu foppen. Redensarten wie
»fauler Kopp" schwirrten fluidumgleich durch die Luft und ließen das Han-
sen'sche Fluidum nicht zur Entwickelung gelangen. Vollends mißlich lief die
Vorstellung ab, zu welcher Aerzte und Vertreter der Presse eingeladen waren.
Diese Gattung von Berlinern schien ganz und gar keine Fluidummheit zu
besitzen.


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[0359] urtheil und Ungeduld jeder Neuerung den Weg versperren. Mit großem Rechte sagt Napoleon III. in seinen Mu6hö sur 1s pass^ se 1'avsnir as l'^rtiUsris: „I^hö iuvsutions trox an-ässsus as Isurs sxsc^usf rsstsnt iuutilss Mön^usf an luomsut oÄ 1s iiivsau ass oonnaissü-uchs Aöiisralss sse xarvsuu a Iss attsiuärs." Max Jähns. Der neue Uagnetismus-Schwindel. Vor kurzem wurden die größeren Städte Deutschland's von einem speku¬ lativen Dänen besucht — mit Namen Hansen und seines Zeichens „Magne- tiseur" —, um von neuem auf die Größe ihres Fluidums für magnetische und mystische Schwindeleien untersucht zu werden und das Kleeblatt der Wunder wieder vollzumachen. Marienerscheinungen, spiritistische Geisterthaten und die Kraft des thierischen Magnetismus, die alten guten Freunde, die sich schon zur Zeit der Hochfluth der Wunder, zu Anfang der fünfziger Jahre, eintrüchtiglich Zusammenfanden oder einander ablösten, sie sind auch jetzt wieder zusammen erschienen. Glücklicherweise haben sie die gesunde Vernunft des Publikums diesmal nicht so zu betäuben vermocht wie das erste Mal. Damals gab es kaum ein Dorf, das nicht seinen wahrsagenden Dreifuß oder seinen verrückten Tisch, gehabt hätte. So weit wird es diesmal nicht kommen. Auch der Mar- pinger Prozeß, so Skandalöses er zu Tage gefördert hat, reicht lange nicht an den Königsberger Spiritisten-Prozeß heran, der den Abschluß der vorigen Wunderperiode bildete. Aber kommen wir zu unserm Helden. Wie nach der gegenwärtigen Sitte alle großen Künstler und Virtuosen ihren Ruhmeslauf durch Deutschland in der Reichshauptstadt beginnen, so ver¬ suchte auch unser Prestidigitateur sein Glück zuerst in Berlin. Aber die Berliner haben für die Wunder wenig Sinn; Hansen fiel durch. Seine Vorstellungen wurden nur benutzt, um schnöde Redensarten an den Mann zu bringen, und was Berlin nur immer an moquanteu Witzen augenblicklich auf dem Markte hatte, wurde herbeigeholt, den Wunderbaren zu foppen. Redensarten wie »fauler Kopp" schwirrten fluidumgleich durch die Luft und ließen das Han- sen'sche Fluidum nicht zur Entwickelung gelangen. Vollends mißlich lief die Vorstellung ab, zu welcher Aerzte und Vertreter der Presse eingeladen waren. Diese Gattung von Berlinern schien ganz und gar keine Fluidummheit zu besitzen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/359>, abgerufen am 29.12.2024.