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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.

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der ihn KS,rM nennt. Bald aber werden die pyrotechuischeu Eigenschaften
des neuen chinesischen Medikamentes bekannt. Der "Traktat vom Reiter¬
kampfe und den Kriegsmaschinen", den Nedjm-Eddin-Hassan-Alrammah um
das Jahr 1290 und zwar "nach Anleitung seines Vaters, seines Großvaters
und anderer berühmter Meister" schrieb, enthält eine vollständige Abhandlung
über Feuerwerkerei, in welcher der Salpeter bereits die Hauptrolle spielt. So
setzt der Autor z. B. ein Feuer, welches er "Jasminblüthe" nennt, aus
10 Theilen Salpeter, 2 Theilen Schwefel, 3 Theilen Kohle und 5 Theilen
Eisenfeilspänen zusammen. Als Kriegsmittel empfiehlt Hassan-Alrammah in
erster Reihe Glashütte, die mit explosiblen Kompositionen gefüllt und mit
einem ckriKK genannten Zünder versehen sind. Die kleinste Form solcher
Bälle kommt unter dem Namen der "Kichererbsen" vor; die größte stellte man
statt aus Glas auch wohl aus Baumrinde oder Papyrus her; sie hießen Kdss-
ro,Alla,t. Neben diesen Wurfgeschossen, welche durchaus den von Leo VI.
empfohlenen Feuerballen zu entsprechen scheinen, bedienten sich die Araber wie
die Griechen der ^ Feuerlanzen, und zwar befestigten sie an der Spitze der
Lanze kleine Glasgefäße mit pyrophoren Mischungen, die oft wie eine Blüthen¬
krone angeordnet wurden. Dies sind die sogenannten " Blumenlanzen".
Aehnlich statteten sie Armbrustpfeile und Wurfspieße aus, wobei zuweilen
mehrere Pfeile oder Spieße durch Querhölzer verbunden wurden. Nicht selten
kommen sogar Spieße vor, die fast ihrer ganzen Länge nach mit Explosions¬
hülsen besetzt find. Auch Streitkolben wurden mit explosiblen Substanzen
gefüllt, und sehr häufig hängen die zerbrechlichen Gefäße, welche den Brandsatz
bergen, sogar an einer Kette gleich der Stachelkugel eines Morgensternes. Ein
solches Instrument heißt dortb.-z.ki. Alle diese Instrumente sind also lediglich
Aptirungen schon vorhandener Waffen zur Feuerwerkerei. Hassan-Alrammah
spricht aber auch schon von einer eigentlichen Feuerwaffe, nämlich von dem
"Madfaa", einem gestielten hölzernen Handmörser.*) Es ist dies wohl die
älteste Nachricht von der Benutzung der Triebkraft des Pulvers zur Forttrei¬
bung eines Projektils. Das Schießpulver, welches in den Madfaa eingeführt
werden soll, beschreibt der arabische Autor folgendermaßen:


"Nimm 10 Drachmen Salpeter, 2 Drachmen Kohle, 1^/z Drachmen Schwefel.
Diese mache zu feinem Pulver und fülle damit ein Drittel des Madfaa; mehr nimm
nicht, weil er sonst zerspringen könnte. Dazu lasse einen zweiten Madfaa nach der
Mündungsweite des ersten drechseln und treibe ihn mit kräftigem Stoße hinein,
lege entweder einen Bolzen oder eine Kugel (bonävl:) darauf und zünde das Brand-


*) Madfaa (in<Mg.g.) heißt so viel Wie xroxulsoriuni, xrojvotorium. In späterer
Zeit bedeutet es "Kanone". , ,

der ihn KS,rM nennt. Bald aber werden die pyrotechuischeu Eigenschaften
des neuen chinesischen Medikamentes bekannt. Der „Traktat vom Reiter¬
kampfe und den Kriegsmaschinen", den Nedjm-Eddin-Hassan-Alrammah um
das Jahr 1290 und zwar „nach Anleitung seines Vaters, seines Großvaters
und anderer berühmter Meister" schrieb, enthält eine vollständige Abhandlung
über Feuerwerkerei, in welcher der Salpeter bereits die Hauptrolle spielt. So
setzt der Autor z. B. ein Feuer, welches er „Jasminblüthe" nennt, aus
10 Theilen Salpeter, 2 Theilen Schwefel, 3 Theilen Kohle und 5 Theilen
Eisenfeilspänen zusammen. Als Kriegsmittel empfiehlt Hassan-Alrammah in
erster Reihe Glashütte, die mit explosiblen Kompositionen gefüllt und mit
einem ckriKK genannten Zünder versehen sind. Die kleinste Form solcher
Bälle kommt unter dem Namen der „Kichererbsen" vor; die größte stellte man
statt aus Glas auch wohl aus Baumrinde oder Papyrus her; sie hießen Kdss-
ro,Alla,t. Neben diesen Wurfgeschossen, welche durchaus den von Leo VI.
empfohlenen Feuerballen zu entsprechen scheinen, bedienten sich die Araber wie
die Griechen der ^ Feuerlanzen, und zwar befestigten sie an der Spitze der
Lanze kleine Glasgefäße mit pyrophoren Mischungen, die oft wie eine Blüthen¬
krone angeordnet wurden. Dies sind die sogenannten „ Blumenlanzen".
Aehnlich statteten sie Armbrustpfeile und Wurfspieße aus, wobei zuweilen
mehrere Pfeile oder Spieße durch Querhölzer verbunden wurden. Nicht selten
kommen sogar Spieße vor, die fast ihrer ganzen Länge nach mit Explosions¬
hülsen besetzt find. Auch Streitkolben wurden mit explosiblen Substanzen
gefüllt, und sehr häufig hängen die zerbrechlichen Gefäße, welche den Brandsatz
bergen, sogar an einer Kette gleich der Stachelkugel eines Morgensternes. Ein
solches Instrument heißt dortb.-z.ki. Alle diese Instrumente sind also lediglich
Aptirungen schon vorhandener Waffen zur Feuerwerkerei. Hassan-Alrammah
spricht aber auch schon von einer eigentlichen Feuerwaffe, nämlich von dem
„Madfaa", einem gestielten hölzernen Handmörser.*) Es ist dies wohl die
älteste Nachricht von der Benutzung der Triebkraft des Pulvers zur Forttrei¬
bung eines Projektils. Das Schießpulver, welches in den Madfaa eingeführt
werden soll, beschreibt der arabische Autor folgendermaßen:


„Nimm 10 Drachmen Salpeter, 2 Drachmen Kohle, 1^/z Drachmen Schwefel.
Diese mache zu feinem Pulver und fülle damit ein Drittel des Madfaa; mehr nimm
nicht, weil er sonst zerspringen könnte. Dazu lasse einen zweiten Madfaa nach der
Mündungsweite des ersten drechseln und treibe ihn mit kräftigem Stoße hinein,
lege entweder einen Bolzen oder eine Kugel (bonävl:) darauf und zünde das Brand-


*) Madfaa (in<Mg.g.) heißt so viel Wie xroxulsoriuni, xrojvotorium. In späterer
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[0354] der ihn KS,rM nennt. Bald aber werden die pyrotechuischeu Eigenschaften des neuen chinesischen Medikamentes bekannt. Der „Traktat vom Reiter¬ kampfe und den Kriegsmaschinen", den Nedjm-Eddin-Hassan-Alrammah um das Jahr 1290 und zwar „nach Anleitung seines Vaters, seines Großvaters und anderer berühmter Meister" schrieb, enthält eine vollständige Abhandlung über Feuerwerkerei, in welcher der Salpeter bereits die Hauptrolle spielt. So setzt der Autor z. B. ein Feuer, welches er „Jasminblüthe" nennt, aus 10 Theilen Salpeter, 2 Theilen Schwefel, 3 Theilen Kohle und 5 Theilen Eisenfeilspänen zusammen. Als Kriegsmittel empfiehlt Hassan-Alrammah in erster Reihe Glashütte, die mit explosiblen Kompositionen gefüllt und mit einem ckriKK genannten Zünder versehen sind. Die kleinste Form solcher Bälle kommt unter dem Namen der „Kichererbsen" vor; die größte stellte man statt aus Glas auch wohl aus Baumrinde oder Papyrus her; sie hießen Kdss- ro,Alla,t. Neben diesen Wurfgeschossen, welche durchaus den von Leo VI. empfohlenen Feuerballen zu entsprechen scheinen, bedienten sich die Araber wie die Griechen der ^ Feuerlanzen, und zwar befestigten sie an der Spitze der Lanze kleine Glasgefäße mit pyrophoren Mischungen, die oft wie eine Blüthen¬ krone angeordnet wurden. Dies sind die sogenannten „ Blumenlanzen". Aehnlich statteten sie Armbrustpfeile und Wurfspieße aus, wobei zuweilen mehrere Pfeile oder Spieße durch Querhölzer verbunden wurden. Nicht selten kommen sogar Spieße vor, die fast ihrer ganzen Länge nach mit Explosions¬ hülsen besetzt find. Auch Streitkolben wurden mit explosiblen Substanzen gefüllt, und sehr häufig hängen die zerbrechlichen Gefäße, welche den Brandsatz bergen, sogar an einer Kette gleich der Stachelkugel eines Morgensternes. Ein solches Instrument heißt dortb.-z.ki. Alle diese Instrumente sind also lediglich Aptirungen schon vorhandener Waffen zur Feuerwerkerei. Hassan-Alrammah spricht aber auch schon von einer eigentlichen Feuerwaffe, nämlich von dem „Madfaa", einem gestielten hölzernen Handmörser.*) Es ist dies wohl die älteste Nachricht von der Benutzung der Triebkraft des Pulvers zur Forttrei¬ bung eines Projektils. Das Schießpulver, welches in den Madfaa eingeführt werden soll, beschreibt der arabische Autor folgendermaßen: „Nimm 10 Drachmen Salpeter, 2 Drachmen Kohle, 1^/z Drachmen Schwefel. Diese mache zu feinem Pulver und fülle damit ein Drittel des Madfaa; mehr nimm nicht, weil er sonst zerspringen könnte. Dazu lasse einen zweiten Madfaa nach der Mündungsweite des ersten drechseln und treibe ihn mit kräftigem Stoße hinein, lege entweder einen Bolzen oder eine Kugel (bonävl:) darauf und zünde das Brand- *) Madfaa (in<Mg.g.) heißt so viel Wie xroxulsoriuni, xrojvotorium. In späterer Zeit bedeutet es „Kanone". , ,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/354>, abgerufen am 29.12.2024.