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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.

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befremdlich, daß die Sarazenen sich dieses Kriegsmittels nicht selbst vor Kon¬
stantinopel und bei Kyzikos bedienten; und eben so unrecht wird eine andere
Angabe haben, welche das Geheimniß des griechischen Feuers endlich an die
Araber verrathen läßt, die nun, wesentlich auf dieses Streitmittel gestützt, den
Byzantinern unermeßlichen Schaden thun. Aber jene Sagen sind doch insofern
merkwürdig, als sie eben den Orient als die Quelle bezeichnen, von der aus
die Kenntniß der Pyrotechnik einst in's Abendland gedrungen, und als sie im
Oriente die folgenreichste Durcharbeitung und Weiterentwickelung der gewonnenen
Erkenntniß suchen. Die arabischen Sarazenen sind jedoch vermuthlich ebenso¬
wohl Empfangende und Genießende gewesen wie Griechen und Römer; Er¬
finder und Bildner waren wohl die Babylonier, Inder, Chinesen/)

Das Streben der Araber, sich militärisch zu unterrichten, war sehr groß.
Sie übersetzten griechische Kriegsschriftsteller in ihre Sprache, und bald entwickelte
sich eine eigene sarazenische Militärliteratur. Ein arabischer Autor, der in der
Mitte des 10. Jahrhunderts schrieb, erwähnt ein "Buch über das Feuer, die
Naphtha und den Gebrauch, den man im Kriege davon, macht". Dies Buch
selbst ist leider verloren; aber ein 300 Jahre jüngeres arabisches Manuskript
der Leydener Bibliothek, als dessen Verfasser ganz naiv Alexander der Große
genannt ist, scheint den wesentlichen Inhalt jenes alten Buches aufbewahrt zu
haben."*) ^Es lehrt in den zwei Kapiteln, welche von der Pyrotechnik handeln,
die Präparation der Naphtha, die Anfertigung von Feuerwerkskvrpern zu Glimpf
und Schimpf, die Kunst, brennbare Stoffe fortzuschleudern und sie so einzu¬
hüllen, daß die Verbrennung gesichert bleibt. Dabei ist es höchst bemerkens¬
werth, daß in diesem ältesten arabischen Feuerwerksbuche des Salpeters noch
gar nicht gedacht wird.


Die verschiedenen Arten von Naphtha und Petroleum sowie Schwefel erscheinen
als Hcmptingreoienzicn der Brandmischungcn, und hierzu kommen Theer, Harze, Oele,
Pflanzensäfte, Metalle und Fette verschiedenster Thiere: das des Seehundes, des
Haushundes, des Bären, des Wolfes u. s. w.

Erst im 13. Jahrhundert scheint der Salpeter den Arabern bekannt zu
werden. Der älteste arabische Schriftsteller, welcher ihn erwähnt, ist ein Arzt,




*) In den von den Pekinger Jesuiten veröffentlichten Nümoires sur Is, (Znwo II x. 492
heißt es: "I/g,n 969 as ^ösus-vwist, sevonäs Anruf an röMö as lÄi-rsou, tonästsnr
1s, et^nÄ"tie ach SovA, on xrosonts, Ä, es xrikvk uno eoiuxosition, Mi sUnm^it les
aüokW et isZ xortÄit kort low." Dies ist offenbar Pulver, welches eine Rakete treibt. --
Die Türken nehmen merkwürdiger Weise an, daß das Pulver i. I. 660 erfunden sei (in
dem 1326 zu Konstantinopel erschienenen Asihafer).
**) Das Manuskript führt den Titel- "Abhandlung über Kriegslisten, über Einnahme
der Städte, Vertheidigung der Püffe u, s. w."
Grenzboten II. 1879. ^

befremdlich, daß die Sarazenen sich dieses Kriegsmittels nicht selbst vor Kon¬
stantinopel und bei Kyzikos bedienten; und eben so unrecht wird eine andere
Angabe haben, welche das Geheimniß des griechischen Feuers endlich an die
Araber verrathen läßt, die nun, wesentlich auf dieses Streitmittel gestützt, den
Byzantinern unermeßlichen Schaden thun. Aber jene Sagen sind doch insofern
merkwürdig, als sie eben den Orient als die Quelle bezeichnen, von der aus
die Kenntniß der Pyrotechnik einst in's Abendland gedrungen, und als sie im
Oriente die folgenreichste Durcharbeitung und Weiterentwickelung der gewonnenen
Erkenntniß suchen. Die arabischen Sarazenen sind jedoch vermuthlich ebenso¬
wohl Empfangende und Genießende gewesen wie Griechen und Römer; Er¬
finder und Bildner waren wohl die Babylonier, Inder, Chinesen/)

Das Streben der Araber, sich militärisch zu unterrichten, war sehr groß.
Sie übersetzten griechische Kriegsschriftsteller in ihre Sprache, und bald entwickelte
sich eine eigene sarazenische Militärliteratur. Ein arabischer Autor, der in der
Mitte des 10. Jahrhunderts schrieb, erwähnt ein „Buch über das Feuer, die
Naphtha und den Gebrauch, den man im Kriege davon, macht". Dies Buch
selbst ist leider verloren; aber ein 300 Jahre jüngeres arabisches Manuskript
der Leydener Bibliothek, als dessen Verfasser ganz naiv Alexander der Große
genannt ist, scheint den wesentlichen Inhalt jenes alten Buches aufbewahrt zu
haben."*) ^Es lehrt in den zwei Kapiteln, welche von der Pyrotechnik handeln,
die Präparation der Naphtha, die Anfertigung von Feuerwerkskvrpern zu Glimpf
und Schimpf, die Kunst, brennbare Stoffe fortzuschleudern und sie so einzu¬
hüllen, daß die Verbrennung gesichert bleibt. Dabei ist es höchst bemerkens¬
werth, daß in diesem ältesten arabischen Feuerwerksbuche des Salpeters noch
gar nicht gedacht wird.


Die verschiedenen Arten von Naphtha und Petroleum sowie Schwefel erscheinen
als Hcmptingreoienzicn der Brandmischungcn, und hierzu kommen Theer, Harze, Oele,
Pflanzensäfte, Metalle und Fette verschiedenster Thiere: das des Seehundes, des
Haushundes, des Bären, des Wolfes u. s. w.

Erst im 13. Jahrhundert scheint der Salpeter den Arabern bekannt zu
werden. Der älteste arabische Schriftsteller, welcher ihn erwähnt, ist ein Arzt,




*) In den von den Pekinger Jesuiten veröffentlichten Nümoires sur Is, (Znwo II x. 492
heißt es: „I/g,n 969 as ^ösus-vwist, sevonäs Anruf an röMö as lÄi-rsou, tonästsnr
1s, et^nÄ«tie ach SovA, on xrosonts, Ä, es xrikvk uno eoiuxosition, Mi sUnm^it les
aüokW et isZ xortÄit kort low." Dies ist offenbar Pulver, welches eine Rakete treibt. —
Die Türken nehmen merkwürdiger Weise an, daß das Pulver i. I. 660 erfunden sei (in
dem 1326 zu Konstantinopel erschienenen Asihafer).
**) Das Manuskript führt den Titel- „Abhandlung über Kriegslisten, über Einnahme
der Städte, Vertheidigung der Püffe u, s. w."
Grenzboten II. 1879. ^
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[0353] befremdlich, daß die Sarazenen sich dieses Kriegsmittels nicht selbst vor Kon¬ stantinopel und bei Kyzikos bedienten; und eben so unrecht wird eine andere Angabe haben, welche das Geheimniß des griechischen Feuers endlich an die Araber verrathen läßt, die nun, wesentlich auf dieses Streitmittel gestützt, den Byzantinern unermeßlichen Schaden thun. Aber jene Sagen sind doch insofern merkwürdig, als sie eben den Orient als die Quelle bezeichnen, von der aus die Kenntniß der Pyrotechnik einst in's Abendland gedrungen, und als sie im Oriente die folgenreichste Durcharbeitung und Weiterentwickelung der gewonnenen Erkenntniß suchen. Die arabischen Sarazenen sind jedoch vermuthlich ebenso¬ wohl Empfangende und Genießende gewesen wie Griechen und Römer; Er¬ finder und Bildner waren wohl die Babylonier, Inder, Chinesen/) Das Streben der Araber, sich militärisch zu unterrichten, war sehr groß. Sie übersetzten griechische Kriegsschriftsteller in ihre Sprache, und bald entwickelte sich eine eigene sarazenische Militärliteratur. Ein arabischer Autor, der in der Mitte des 10. Jahrhunderts schrieb, erwähnt ein „Buch über das Feuer, die Naphtha und den Gebrauch, den man im Kriege davon, macht". Dies Buch selbst ist leider verloren; aber ein 300 Jahre jüngeres arabisches Manuskript der Leydener Bibliothek, als dessen Verfasser ganz naiv Alexander der Große genannt ist, scheint den wesentlichen Inhalt jenes alten Buches aufbewahrt zu haben."*) ^Es lehrt in den zwei Kapiteln, welche von der Pyrotechnik handeln, die Präparation der Naphtha, die Anfertigung von Feuerwerkskvrpern zu Glimpf und Schimpf, die Kunst, brennbare Stoffe fortzuschleudern und sie so einzu¬ hüllen, daß die Verbrennung gesichert bleibt. Dabei ist es höchst bemerkens¬ werth, daß in diesem ältesten arabischen Feuerwerksbuche des Salpeters noch gar nicht gedacht wird. Die verschiedenen Arten von Naphtha und Petroleum sowie Schwefel erscheinen als Hcmptingreoienzicn der Brandmischungcn, und hierzu kommen Theer, Harze, Oele, Pflanzensäfte, Metalle und Fette verschiedenster Thiere: das des Seehundes, des Haushundes, des Bären, des Wolfes u. s. w. Erst im 13. Jahrhundert scheint der Salpeter den Arabern bekannt zu werden. Der älteste arabische Schriftsteller, welcher ihn erwähnt, ist ein Arzt, *) In den von den Pekinger Jesuiten veröffentlichten Nümoires sur Is, (Znwo II x. 492 heißt es: „I/g,n 969 as ^ösus-vwist, sevonäs Anruf an röMö as lÄi-rsou, tonästsnr 1s, et^nÄ«tie ach SovA, on xrosonts, Ä, es xrikvk uno eoiuxosition, Mi sUnm^it les aüokW et isZ xortÄit kort low." Dies ist offenbar Pulver, welches eine Rakete treibt. — Die Türken nehmen merkwürdiger Weise an, daß das Pulver i. I. 660 erfunden sei (in dem 1326 zu Konstantinopel erschienenen Asihafer). **) Das Manuskript führt den Titel- „Abhandlung über Kriegslisten, über Einnahme der Städte, Vertheidigung der Püffe u, s. w." Grenzboten II. 1879. ^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/353>, abgerufen am 27.09.2024.