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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.

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vbachten für gut finden, das sind Regeln." -- Auch der freie Rhythmus der
neuesten Oden fand den Beifall des Kritikers.

In Klopstock's Leben war kurz zuvor ein Riß geschehen: seine Meta
war am 28. Novbr. 1758 bei der Entbindung, erst 30 Jahre alt, in Hamburg
gestorben. Beide hatten ganz mit einander gelebt. "Wir sind immer in dem¬
selben Zimmer," schrieb sie einmal an Richardson, "ich still bei meiner
kleinen Arbeit, sehe nur manchmal das liebliche Gesicht meines Mannes, welches
so ehrwürdig ist in Thränen der Andacht bei dem Erhabnen seines Gegenstandes."

Die Briefe, die er während ihrer Krankheit aus Kopenhagen an sie schrieb,
sind merkwürdig wegen der Reflexion, mit der er noch immer seine Empfin¬
dungen zersetzte. "Völlige Unterwerfung unter den Willen unsers Gottes ist
eine der schwersten und zugleich ruhmvollsten Pflichten des Christenthums. Die
Tage unsrer Trennung sollen uns aufmerksam machen, daß wir geprüft werden.
Auch die unschuldigste und pflichtmäßigste Liebe soll der Liebe zu unserm Gott
unterworfen werden. Ich habe meinen Gesang von der Allgegenwart des An¬
betungswürdigen von Neuem durchgelesen; wenn mir Gott die Gnade giebt,
mich diesen Vorstellungen zu überlassen, bin ich gar nicht weit von Dir. Meine
Seele ist jetzt in einer sanften Ruhe, mit etwas Wehmuth vermischt."

Von ^ ihrem Tode schreibt er: "Wenn ich das Unglück hätte, kein Geist zu
sein, so würde ich es jetzt werden! Das ungefähr sagte ich ihr in einer starken
Bewegung der Freude. Sei mein Schutzengel, wenn es unser Gott zuläßt!
-- Du. bist der meinige gewesen, sagte sie. -- Sei mein Schutzengel! wieder¬
holte ich. -- Wer wollte das nicht sein? sagte sie. -- Ich ging auf meine
Stube und betete. Ganz kann ich mich des Weinens nicht enthalten, und das
fordert auch mein Gott nicht von mir."

"War das der Tod? O sanfte schnelle Trennung, wie soll ich dich nennen?
Tod nicht! es heiße Tod dein Name nicht mehr! Und du, du selbst, der Ver¬
wesung fürchterlicher Gedanke, wie schnell bist du Freude geworden! Schlummre
denn, mein Gefährte des ersten Lebens! verwese, Saat von Gott gesäet, dem
Tage der Garben zu reifen!" -- Die letzte Stelle aus dem "Messias" hatte
Meta zur Inschrift ihres Sarges gewählt.

"Doch mir sinket die Hand, die Geschichte der Wehmuth zu enden. Späte
Thräne, die heute noch floß, zerrinn' mit den andern, die ich noch weinte! Du
aber, Gesang von dem Mittler! bleib' und Ströme die Klüfte vorbei, wo sich
viele verlieren! Sieger der Zeiten, Gesang, unsterblich durch deinen Inhalt,
eile vorbei und zeuch in deinem fliegenden Strome diesen Kranz, den ich dort
an dem Grabe von der Cypresse thränend wand, in die hellen Gefilde der
künftigen Zeit fort!"

Die neuen Oden Klopstock's gehen fast durchweg darauf aus, die Un-


vbachten für gut finden, das sind Regeln." — Auch der freie Rhythmus der
neuesten Oden fand den Beifall des Kritikers.

In Klopstock's Leben war kurz zuvor ein Riß geschehen: seine Meta
war am 28. Novbr. 1758 bei der Entbindung, erst 30 Jahre alt, in Hamburg
gestorben. Beide hatten ganz mit einander gelebt. „Wir sind immer in dem¬
selben Zimmer," schrieb sie einmal an Richardson, „ich still bei meiner
kleinen Arbeit, sehe nur manchmal das liebliche Gesicht meines Mannes, welches
so ehrwürdig ist in Thränen der Andacht bei dem Erhabnen seines Gegenstandes."

Die Briefe, die er während ihrer Krankheit aus Kopenhagen an sie schrieb,
sind merkwürdig wegen der Reflexion, mit der er noch immer seine Empfin¬
dungen zersetzte. „Völlige Unterwerfung unter den Willen unsers Gottes ist
eine der schwersten und zugleich ruhmvollsten Pflichten des Christenthums. Die
Tage unsrer Trennung sollen uns aufmerksam machen, daß wir geprüft werden.
Auch die unschuldigste und pflichtmäßigste Liebe soll der Liebe zu unserm Gott
unterworfen werden. Ich habe meinen Gesang von der Allgegenwart des An¬
betungswürdigen von Neuem durchgelesen; wenn mir Gott die Gnade giebt,
mich diesen Vorstellungen zu überlassen, bin ich gar nicht weit von Dir. Meine
Seele ist jetzt in einer sanften Ruhe, mit etwas Wehmuth vermischt."

Von ^ ihrem Tode schreibt er: „Wenn ich das Unglück hätte, kein Geist zu
sein, so würde ich es jetzt werden! Das ungefähr sagte ich ihr in einer starken
Bewegung der Freude. Sei mein Schutzengel, wenn es unser Gott zuläßt!
— Du. bist der meinige gewesen, sagte sie. — Sei mein Schutzengel! wieder¬
holte ich. — Wer wollte das nicht sein? sagte sie. — Ich ging auf meine
Stube und betete. Ganz kann ich mich des Weinens nicht enthalten, und das
fordert auch mein Gott nicht von mir."

„War das der Tod? O sanfte schnelle Trennung, wie soll ich dich nennen?
Tod nicht! es heiße Tod dein Name nicht mehr! Und du, du selbst, der Ver¬
wesung fürchterlicher Gedanke, wie schnell bist du Freude geworden! Schlummre
denn, mein Gefährte des ersten Lebens! verwese, Saat von Gott gesäet, dem
Tage der Garben zu reifen!" — Die letzte Stelle aus dem „Messias" hatte
Meta zur Inschrift ihres Sarges gewählt.

„Doch mir sinket die Hand, die Geschichte der Wehmuth zu enden. Späte
Thräne, die heute noch floß, zerrinn' mit den andern, die ich noch weinte! Du
aber, Gesang von dem Mittler! bleib' und Ströme die Klüfte vorbei, wo sich
viele verlieren! Sieger der Zeiten, Gesang, unsterblich durch deinen Inhalt,
eile vorbei und zeuch in deinem fliegenden Strome diesen Kranz, den ich dort
an dem Grabe von der Cypresse thränend wand, in die hellen Gefilde der
künftigen Zeit fort!"

Die neuen Oden Klopstock's gehen fast durchweg darauf aus, die Un-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/309>, abgerufen am 27.09.2024.