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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.

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anfangs im hiesigen Hotel de Bysance sein Quartier, wurde aber bald danach
aufgefordert, ein Logis im Palais von Dolma Bagdsche zu beziehen, bis man
ihm endlich Zimmer in Tildis Kiosk, dem Residenzschlosfe des Sultans selber,
zur Verfügung stellte. Augenscheinlich war es die Hand Fournier's, die dies
alles arrangirt hatte. Es handelte sich darum, den französischen Ingenieur-
Offizier die Stelle eines militärischen Sekretärs des osmanischen Souve¬
räns und in dessen unmittelbarster Umgebung einnehmen zu lassen, wobei es
wiederum auf die Gewinnung von direktem Einfluß zu Gunsten und für die
Zwecke der französischen Botschaft auf die Person Abdul Hamid's abgesehen war.

Im Januar d. I. mochte die damit eingeleitete Wendung der Dinge auf
ihren Höhepunkt gediehen sein. Mit richtigem Blick hatte Fournier heraus
erkannt, daß er seinen damals mit Entschiedenheit bereits in den Vordergrund
getretenen und in gewissem Sinne herrschend oder doch mindestens vorwiegend
gewordenen Einfluß nur dann auf eine durchaus feste und Gewähr bietende
Grundlage werde stellen können, wenn es ihm gelingen würde, dem osmanischen
Reich über die seine Regierung am meisten bedrückenden inneren Verlegen¬
heiten, die finanziellen, hinweg zu helfen. Zu diesem Zwecke hatte er selber,
im November 1878, eine Reise nach Frankreich antreten wollen; allein dem
Plane waren damals unüberwindliche Hindernisse in den Weg getreten, und
schließlich begnügte sich der Vertreter der französischen Republik damit, die
bezüglichen Anknüpfungen auf dem Korrespondenzwege zu bewirken. So geschah
es denn, daß um Neujahr der Marquis de Tocqueville als Delegirter des
Pariser Comptoir d'Escompte in Konstantinopel erschien, mit Vorschlägen und
Versprechungen, denen allerdings die eigentliche Basis einer vollkommenen Ver¬
ständigung über ihre eventuelle spätere Ausführung mit den Auftraggebern
selbst noch fehlte, und denen in Folge davon ein ganz ähnliches Fiasko, wie es
England kurz zuvor mit seinen Reformvorschlägen erlebt hatte, mit unaus¬
weichlicher Nothwendigkeit nachfolgen mußte.

Dieser Fehlschlag mußte natürlich, auf die hiesige Stellung des fran¬
zösischen Botschafters um so nachtheiliger zurückwirken, als derselbe, durch
seine seitherigen Erfolge kühn gemacht und in gewissem Sinne verblendet, sich
an die ihm aus Frankreich durch den leitenden Minister Waddington übersendete
Instruktion nicht streng gebunden hatte und namentlich in Hinsicht auf die
Zur Bekämpfung des hiesigen britischen Einflusses unternommenen Schritte
weiter gegangen war, als es in Paris gutgeheißen werden konnte.

Fürst Bismarck hat vor Jahren den treffenden Ausspruch gethan, daß,
sobald ein diplomatischer Neuling als Chef einer großen politischen Mission
nach Konstantinopel komme, er starke Gefahr laufe, an seinem gesunden Menschen¬
verstand Schaden zu nehmen. Dieses schneidende Wort läßt sich auch auf den jetzigen


Grenzboten II. 1379. 33

anfangs im hiesigen Hotel de Bysance sein Quartier, wurde aber bald danach
aufgefordert, ein Logis im Palais von Dolma Bagdsche zu beziehen, bis man
ihm endlich Zimmer in Tildis Kiosk, dem Residenzschlosfe des Sultans selber,
zur Verfügung stellte. Augenscheinlich war es die Hand Fournier's, die dies
alles arrangirt hatte. Es handelte sich darum, den französischen Ingenieur-
Offizier die Stelle eines militärischen Sekretärs des osmanischen Souve¬
räns und in dessen unmittelbarster Umgebung einnehmen zu lassen, wobei es
wiederum auf die Gewinnung von direktem Einfluß zu Gunsten und für die
Zwecke der französischen Botschaft auf die Person Abdul Hamid's abgesehen war.

Im Januar d. I. mochte die damit eingeleitete Wendung der Dinge auf
ihren Höhepunkt gediehen sein. Mit richtigem Blick hatte Fournier heraus
erkannt, daß er seinen damals mit Entschiedenheit bereits in den Vordergrund
getretenen und in gewissem Sinne herrschend oder doch mindestens vorwiegend
gewordenen Einfluß nur dann auf eine durchaus feste und Gewähr bietende
Grundlage werde stellen können, wenn es ihm gelingen würde, dem osmanischen
Reich über die seine Regierung am meisten bedrückenden inneren Verlegen¬
heiten, die finanziellen, hinweg zu helfen. Zu diesem Zwecke hatte er selber,
im November 1878, eine Reise nach Frankreich antreten wollen; allein dem
Plane waren damals unüberwindliche Hindernisse in den Weg getreten, und
schließlich begnügte sich der Vertreter der französischen Republik damit, die
bezüglichen Anknüpfungen auf dem Korrespondenzwege zu bewirken. So geschah
es denn, daß um Neujahr der Marquis de Tocqueville als Delegirter des
Pariser Comptoir d'Escompte in Konstantinopel erschien, mit Vorschlägen und
Versprechungen, denen allerdings die eigentliche Basis einer vollkommenen Ver¬
ständigung über ihre eventuelle spätere Ausführung mit den Auftraggebern
selbst noch fehlte, und denen in Folge davon ein ganz ähnliches Fiasko, wie es
England kurz zuvor mit seinen Reformvorschlägen erlebt hatte, mit unaus¬
weichlicher Nothwendigkeit nachfolgen mußte.

Dieser Fehlschlag mußte natürlich, auf die hiesige Stellung des fran¬
zösischen Botschafters um so nachtheiliger zurückwirken, als derselbe, durch
seine seitherigen Erfolge kühn gemacht und in gewissem Sinne verblendet, sich
an die ihm aus Frankreich durch den leitenden Minister Waddington übersendete
Instruktion nicht streng gebunden hatte und namentlich in Hinsicht auf die
Zur Bekämpfung des hiesigen britischen Einflusses unternommenen Schritte
weiter gegangen war, als es in Paris gutgeheißen werden konnte.

Fürst Bismarck hat vor Jahren den treffenden Ausspruch gethan, daß,
sobald ein diplomatischer Neuling als Chef einer großen politischen Mission
nach Konstantinopel komme, er starke Gefahr laufe, an seinem gesunden Menschen¬
verstand Schaden zu nehmen. Dieses schneidende Wort läßt sich auch auf den jetzigen


Grenzboten II. 1379. 33
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[0297] anfangs im hiesigen Hotel de Bysance sein Quartier, wurde aber bald danach aufgefordert, ein Logis im Palais von Dolma Bagdsche zu beziehen, bis man ihm endlich Zimmer in Tildis Kiosk, dem Residenzschlosfe des Sultans selber, zur Verfügung stellte. Augenscheinlich war es die Hand Fournier's, die dies alles arrangirt hatte. Es handelte sich darum, den französischen Ingenieur- Offizier die Stelle eines militärischen Sekretärs des osmanischen Souve¬ räns und in dessen unmittelbarster Umgebung einnehmen zu lassen, wobei es wiederum auf die Gewinnung von direktem Einfluß zu Gunsten und für die Zwecke der französischen Botschaft auf die Person Abdul Hamid's abgesehen war. Im Januar d. I. mochte die damit eingeleitete Wendung der Dinge auf ihren Höhepunkt gediehen sein. Mit richtigem Blick hatte Fournier heraus erkannt, daß er seinen damals mit Entschiedenheit bereits in den Vordergrund getretenen und in gewissem Sinne herrschend oder doch mindestens vorwiegend gewordenen Einfluß nur dann auf eine durchaus feste und Gewähr bietende Grundlage werde stellen können, wenn es ihm gelingen würde, dem osmanischen Reich über die seine Regierung am meisten bedrückenden inneren Verlegen¬ heiten, die finanziellen, hinweg zu helfen. Zu diesem Zwecke hatte er selber, im November 1878, eine Reise nach Frankreich antreten wollen; allein dem Plane waren damals unüberwindliche Hindernisse in den Weg getreten, und schließlich begnügte sich der Vertreter der französischen Republik damit, die bezüglichen Anknüpfungen auf dem Korrespondenzwege zu bewirken. So geschah es denn, daß um Neujahr der Marquis de Tocqueville als Delegirter des Pariser Comptoir d'Escompte in Konstantinopel erschien, mit Vorschlägen und Versprechungen, denen allerdings die eigentliche Basis einer vollkommenen Ver¬ ständigung über ihre eventuelle spätere Ausführung mit den Auftraggebern selbst noch fehlte, und denen in Folge davon ein ganz ähnliches Fiasko, wie es England kurz zuvor mit seinen Reformvorschlägen erlebt hatte, mit unaus¬ weichlicher Nothwendigkeit nachfolgen mußte. Dieser Fehlschlag mußte natürlich, auf die hiesige Stellung des fran¬ zösischen Botschafters um so nachtheiliger zurückwirken, als derselbe, durch seine seitherigen Erfolge kühn gemacht und in gewissem Sinne verblendet, sich an die ihm aus Frankreich durch den leitenden Minister Waddington übersendete Instruktion nicht streng gebunden hatte und namentlich in Hinsicht auf die Zur Bekämpfung des hiesigen britischen Einflusses unternommenen Schritte weiter gegangen war, als es in Paris gutgeheißen werden konnte. Fürst Bismarck hat vor Jahren den treffenden Ausspruch gethan, daß, sobald ein diplomatischer Neuling als Chef einer großen politischen Mission nach Konstantinopel komme, er starke Gefahr laufe, an seinem gesunden Menschen¬ verstand Schaden zu nehmen. Dieses schneidende Wort läßt sich auch auf den jetzigen Grenzboten II. 1379. 33

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/297>, abgerufen am 20.10.2024.