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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.

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jungen Leute aus den besten Familien herbei; die Universität Halle hörte auf,
denn die Studenten strömten in hellen Hansen zu den alten geliebten Fahnen.
Und wer nicht selber eintreten konnte, der gab, was er hatte, zur Ausrüstung
der Unbemittelten her: Waffen, Pferde, Getreide, Leinwand, Tuch, Geld,
Silberwerth; Beamte verzichteten auf einen Theil ihres Einkommens; das kleine
Stolpe in Hinterpommern zahlte damals sofort 1090 Thaler, jeden folgenden
Monat 100 Thaler, Stargard hatte am 20. März über 6000 Thaler und
1170 Loth Silbers gesammelt; Kinder schütteten ihre Sparbüchsen aus; in
Menge wurden die goldenen Trauringe geopfert und eiserne dafür eingetauscht
mit dem Bildniß der Königin Luise und der Aufschrift: Gold gab ich für
Eisen 1813. Ein junges armes Edelfräulein, Ferdinande v. Schmettau, schenkte
ihren einzigen Schmuck, ihr reiches goldenes Haar. Ja, es war ein armes
Volk, das sich da erhob in beispiellosem Opfermuth, und was das Größte in
dieser unvergleichlichen Bewegung war -- das Alles that es so still und ge¬
faßt, als thue es nur das Alltägliche, des sittlich allein Mögliche. Ein ener¬
gischer, tiefer Haß lebte in allen, und doch, keine Ausschreitung, keine Rohheit
schändete die reinste Erhebung aller Zeiten.

Nach Breslau strömte Alles, was Waffen tragen konnte; dort arbeiteten
unermüdlich Scharnhorst und Hake. Und als der König, der vor kaum drei
Jahren sein Liebstes, seine Gemahlin verloren, der seitdem oft in düsterer
Resignation sich als zum Unglück geboren betrachtete, vom Fenster seines
Schlosses aus die endlosen Wagenzüge sah, welche die Berliner Freiwilligen
brachten, und den ^ tausendfachen, jauchzenden Zuruf hörte von allen Straßen,
und als nun Scharnhorst ihn fragte, ob er jetzt glaube an sein Volk, da
stürzten dem Monarchen die Thränen aus den Augen; er hatte den Glauben
an seine Preußen wiedergefunden. Gestützt auf das Volk wagte der König die
letzten Schritte. Schon war Knesebeck auf dem Wege zum Czaren, um das
Bündniß abzuschließen; eine Ordre vom 12. Februar hatte Hort zum Befehls¬
haber der Truppen in Pommern und Preußen ernannt; jetzt wies ihn eine
zweite an, mit den Russen gegen die Oder vorzugehen. Nach Paris aber ging
das Ultimatum Preußen's (13. Februar). Fürst Hcchfeld forderte sofortige
Zahlung von 47 Millionen Fras. auf die preußischen Vorschüsse, die Räumung
Danzig's, Pillau's und der Oderfestungen. Nach der Antwort des Kaisers
werde die Regierung des Königs ihre weiteren Schritte bemessen. Als Harden-
berg dies Alles Se. Marsan mittheilte, und dieser erregt bemerkte, das sei der
erste Schritt zum Bruche des Bündnisses, Preußen möge sich hüten, den
Kaiser zu reizen, da fand der Staatskanzler den Muth zu der Entgegnung:
wenn Napoleon die Absicht habe, Preußen zu vernichten, so werde er ein zweites


jungen Leute aus den besten Familien herbei; die Universität Halle hörte auf,
denn die Studenten strömten in hellen Hansen zu den alten geliebten Fahnen.
Und wer nicht selber eintreten konnte, der gab, was er hatte, zur Ausrüstung
der Unbemittelten her: Waffen, Pferde, Getreide, Leinwand, Tuch, Geld,
Silberwerth; Beamte verzichteten auf einen Theil ihres Einkommens; das kleine
Stolpe in Hinterpommern zahlte damals sofort 1090 Thaler, jeden folgenden
Monat 100 Thaler, Stargard hatte am 20. März über 6000 Thaler und
1170 Loth Silbers gesammelt; Kinder schütteten ihre Sparbüchsen aus; in
Menge wurden die goldenen Trauringe geopfert und eiserne dafür eingetauscht
mit dem Bildniß der Königin Luise und der Aufschrift: Gold gab ich für
Eisen 1813. Ein junges armes Edelfräulein, Ferdinande v. Schmettau, schenkte
ihren einzigen Schmuck, ihr reiches goldenes Haar. Ja, es war ein armes
Volk, das sich da erhob in beispiellosem Opfermuth, und was das Größte in
dieser unvergleichlichen Bewegung war — das Alles that es so still und ge¬
faßt, als thue es nur das Alltägliche, des sittlich allein Mögliche. Ein ener¬
gischer, tiefer Haß lebte in allen, und doch, keine Ausschreitung, keine Rohheit
schändete die reinste Erhebung aller Zeiten.

Nach Breslau strömte Alles, was Waffen tragen konnte; dort arbeiteten
unermüdlich Scharnhorst und Hake. Und als der König, der vor kaum drei
Jahren sein Liebstes, seine Gemahlin verloren, der seitdem oft in düsterer
Resignation sich als zum Unglück geboren betrachtete, vom Fenster seines
Schlosses aus die endlosen Wagenzüge sah, welche die Berliner Freiwilligen
brachten, und den ^ tausendfachen, jauchzenden Zuruf hörte von allen Straßen,
und als nun Scharnhorst ihn fragte, ob er jetzt glaube an sein Volk, da
stürzten dem Monarchen die Thränen aus den Augen; er hatte den Glauben
an seine Preußen wiedergefunden. Gestützt auf das Volk wagte der König die
letzten Schritte. Schon war Knesebeck auf dem Wege zum Czaren, um das
Bündniß abzuschließen; eine Ordre vom 12. Februar hatte Hort zum Befehls¬
haber der Truppen in Pommern und Preußen ernannt; jetzt wies ihn eine
zweite an, mit den Russen gegen die Oder vorzugehen. Nach Paris aber ging
das Ultimatum Preußen's (13. Februar). Fürst Hcchfeld forderte sofortige
Zahlung von 47 Millionen Fras. auf die preußischen Vorschüsse, die Räumung
Danzig's, Pillau's und der Oderfestungen. Nach der Antwort des Kaisers
werde die Regierung des Königs ihre weiteren Schritte bemessen. Als Harden-
berg dies Alles Se. Marsan mittheilte, und dieser erregt bemerkte, das sei der
erste Schritt zum Bruche des Bündnisses, Preußen möge sich hüten, den
Kaiser zu reizen, da fand der Staatskanzler den Muth zu der Entgegnung:
wenn Napoleon die Absicht habe, Preußen zu vernichten, so werde er ein zweites


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/228>, abgerufen am 28.12.2024.