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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.

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an ihre Mühen in einem großen Kessel die Eier und das Schmalz, das von
dem Hochzeitsessen übriggeblieben war, und so gab es denn Veranlassung zu
einem nachessen. Das erste Gericht dabei war immer ein "Eierschmalz", von
dem die Neuvermählten zuerst kosten mußten. Auch der Armen wurde im
Hochzeitsjubel nicht vergessen. Geizkofler ließ im Spital und Waisenhaus, im
Pilger- und Blatternhaus 100 Gulden austheilen. Er verzeichnet ferner die
Geldspenden an einen Prädikanten, der ihm ein gedrucktes Hochzeitslied ver¬
ehrte, und an einen deutschen Schulmeister, welcher sein und seiner Frau
Wappen malte und Verse auf die Hochzeit hinzufügte. Die Gesammtkosten
der Heirath beliefen sich auf die stattliche Summe von 6200 si. 16 kr.

Zur Charakteristik der Ehe selbst, die wie fast alle Ehen jener Zeit weniger
auf leidenschaftlicher Liebe als auf gegenseitiger Achtung der Gatten beruhte,
dient ein prächtiger Brief, auf dessen Mittheilung wir leider hier verzichten
müssen, aus dem uns aber der ganze Charakter des Schreibenden mit über¬
zeugender Treue entgegentritt. Der Grundzug seines Wesens bildet jene ge¬
müthvolle Hingabe an das Göttliche, die unsern Vätern als ein Erbstück aus
den Tagen des großen Glaubenskampfes geblieben war. Auch sonst tritt dieser
fromme Sinn noch mehrfach hervor. Schon während der ersten Jahre ihres
Ehestandes z. B. hatten sich die Gatten vier Begräbnißstätten auf dem neuen
Friedhof bei Se. Anna gekauft und ein Grabmal herrichten lassen. Dabei ist
es merkwürdig, wie trotz der geläuterten Gottesanschauung, welche die Refor¬
mation ihren Anhängern gebracht hatte, dieselben doch vielfach noch im alten,
überlieferten Aberglauben stecken blieben. Wie Geizkofler als Student in Paris
die Meinung vertheidigte, daß es wirklich Gespenster gebe, nur über gottes-
fürchtige Personen hätten sie keine Gewalt, oder wie er darüber stritt, daß der
Teufel zwar nicht den menschlichen Körper, wohl aber die Gestalt eines Engels
oder eines Poltergeistes annehmen könne, so glaubte er noch in späteren Jahren
an Ahnungen, Vorbedeutungen, an Alchimie und Astrologie. Daß Mond und
Sterne die Schicksale der Menschen im Großen wie im Kleinen bestimmen, und
sich dafür bestimmte Regeln aufstellen lassen, gilt ihm für ausgemacht. In den
Geschlechtsregistern finden wir mit ängstlicher Sorgfalt aufgezeichnet, in welchem
Zeichen des Thierkreises, ob bei zu- oder abnehmendem Monde ein Kind ge¬
boren sei. Freilich hatte damals jeder kleine deutsche Hof, jede Reichsstadt
ihren besonderen Astrologen, und kein angesehener Mann unterließ es, sich von
ihnen die Nativität stellen zu lassen oder für ein wichtigeres Unternehmen be¬
stimmte Weisungen einzuholen. In Augsburg wirkte um 1560 als Astrolog
der schon genannte Philologe Hieronymus Wolf und am Anfange des sieb¬
zehnten Jahrhunderts ein Dr. Johann Maier. Geizkofler ließ sich 1569
als neunzehnjähriger junger Mann von seinem ehemaligen Lehrer Wolf und


an ihre Mühen in einem großen Kessel die Eier und das Schmalz, das von
dem Hochzeitsessen übriggeblieben war, und so gab es denn Veranlassung zu
einem nachessen. Das erste Gericht dabei war immer ein „Eierschmalz", von
dem die Neuvermählten zuerst kosten mußten. Auch der Armen wurde im
Hochzeitsjubel nicht vergessen. Geizkofler ließ im Spital und Waisenhaus, im
Pilger- und Blatternhaus 100 Gulden austheilen. Er verzeichnet ferner die
Geldspenden an einen Prädikanten, der ihm ein gedrucktes Hochzeitslied ver¬
ehrte, und an einen deutschen Schulmeister, welcher sein und seiner Frau
Wappen malte und Verse auf die Hochzeit hinzufügte. Die Gesammtkosten
der Heirath beliefen sich auf die stattliche Summe von 6200 si. 16 kr.

Zur Charakteristik der Ehe selbst, die wie fast alle Ehen jener Zeit weniger
auf leidenschaftlicher Liebe als auf gegenseitiger Achtung der Gatten beruhte,
dient ein prächtiger Brief, auf dessen Mittheilung wir leider hier verzichten
müssen, aus dem uns aber der ganze Charakter des Schreibenden mit über¬
zeugender Treue entgegentritt. Der Grundzug seines Wesens bildet jene ge¬
müthvolle Hingabe an das Göttliche, die unsern Vätern als ein Erbstück aus
den Tagen des großen Glaubenskampfes geblieben war. Auch sonst tritt dieser
fromme Sinn noch mehrfach hervor. Schon während der ersten Jahre ihres
Ehestandes z. B. hatten sich die Gatten vier Begräbnißstätten auf dem neuen
Friedhof bei Se. Anna gekauft und ein Grabmal herrichten lassen. Dabei ist
es merkwürdig, wie trotz der geläuterten Gottesanschauung, welche die Refor¬
mation ihren Anhängern gebracht hatte, dieselben doch vielfach noch im alten,
überlieferten Aberglauben stecken blieben. Wie Geizkofler als Student in Paris
die Meinung vertheidigte, daß es wirklich Gespenster gebe, nur über gottes-
fürchtige Personen hätten sie keine Gewalt, oder wie er darüber stritt, daß der
Teufel zwar nicht den menschlichen Körper, wohl aber die Gestalt eines Engels
oder eines Poltergeistes annehmen könne, so glaubte er noch in späteren Jahren
an Ahnungen, Vorbedeutungen, an Alchimie und Astrologie. Daß Mond und
Sterne die Schicksale der Menschen im Großen wie im Kleinen bestimmen, und
sich dafür bestimmte Regeln aufstellen lassen, gilt ihm für ausgemacht. In den
Geschlechtsregistern finden wir mit ängstlicher Sorgfalt aufgezeichnet, in welchem
Zeichen des Thierkreises, ob bei zu- oder abnehmendem Monde ein Kind ge¬
boren sei. Freilich hatte damals jeder kleine deutsche Hof, jede Reichsstadt
ihren besonderen Astrologen, und kein angesehener Mann unterließ es, sich von
ihnen die Nativität stellen zu lassen oder für ein wichtigeres Unternehmen be¬
stimmte Weisungen einzuholen. In Augsburg wirkte um 1560 als Astrolog
der schon genannte Philologe Hieronymus Wolf und am Anfange des sieb¬
zehnten Jahrhunderts ein Dr. Johann Maier. Geizkofler ließ sich 1569
als neunzehnjähriger junger Mann von seinem ehemaligen Lehrer Wolf und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/198>, abgerufen am 27.09.2024.