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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.

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Reinfal, 2 Maß Malvasier, 1 Faß guten Neckarweines und für die Dienstleute
ein Faß schlechteren Neckarweines.

Die Vorbereitungen zur Hochzeit dauerten monatelang. Geizkofler lud
inzwischen seine Braut und ihre Verwandten bei seinem Bruder zu Gaste und
speiste wiederum bei ihrem Bruder und anderen Verwandten. Zur Zeit des
Faschings fuhr er sie öfters mit ihrer Schwester im Schlitten aus; die Stadt¬
musikanten fuhren dabei in einem eigenen Schlitten Woraus und spielten lustige
Weisen auf. Dann mußte ihnen der Bräutigam noch außer der Bezahlung
einen Nachttrnnk auf der Bürgerstube geben, wobei sie die ganze Nacht zechten
und Reinfal tranken. Eine besondere Feier vor der Hochzeit war das "Bräutl-
bad" und das "Bräutigamsbad" -- eine uralte Augsburger Sitte, bei der
schon im Stadtbuche vom Jahre 1276 die einschränkende Bestimmung getroffen
ist, daß Braut und Bräutigam nicht mehr als je fünf Personen mit sich in's
Bad führen sollen. Während die Braut mit den Kranzeljungfern im Bade
war, ließ der Bräutigam außen Musik spielen; anch war es üblich, der Braut
die damals vorzugsweise gebrauchten wohlriechenden Wasser, Lavendel und
Rosenwasser, mitzugeben. Ueberdies erhielten die Frauen und Jungfrauen der
Verwandtschaft vom Bräutigam kostbare Kleiderstoffe geschenkt: die Braut ein
Stück Atlas zu einem Hochzeitsrock, ein Stück Kailasas zu einer "Kasacken"
und ein Stück Damast zu einem Nachhochzeitsrvck; die Schwägerin ein Stück
des besten Florentiner Atlas zu einem Rock, ihre Tochter ein Stück Scharlach¬
tuch; die Tochter des Bruders 17 Ellen veilchenbraunen Kailasas zu einem
Rock, und ähnliche Gaben die übrigen. Am 5. März 1590 fand endlich die
Vermählung statt. Das Hochzeitsessen wurde im Hause des Bruders der Braut
abgehalten. Nach der Aufzeichnung Geizkvfler's wurden dabei verzehrt: 355
Pfund Rindfleisch, 205 Pfund Kalbfleisch, 3 Pfund Karpfen, 345 Vögel,
7 Hasen, 20 Rebhühner und Haselhühner, 2 Fasanen, 7 Pfauen und 6 Jndiane;
an Getränken: 1 Faß Bier, 1 Faß Rothwein, 7 Faß gewöhnlicher Wein,
4 Läglein Reinfal und 14 Maß Malvasier. Bei dem Festessen spielten die
Stadtmusikanten auf, und die Stadtsoldaten hielten vor dem Hause Wache,
damit das "fremde Gesindel" nicht eindringe. Gegen Abend zog die Gesellschaft
in das Haus der Fugger, die ihren schönen Saal zum Tanz überlassen hatten
Auch hier stand die Scharwache vor dem Hanse, um Unordnung zu verhüten.
Um 8 Uhr zogen Gäste und Hochzeiter fröhlich heim. Am ersten Morgen
nach der Hochzeit verehrte Geizkofler seiner Frau zwei Mahlringe mit Rubinen
und Diamanten, einen Ring mit Safiren, ein goldenes Armband und ein paar
Armbänder mit "Gesundsteinen".

Eine Nachfeier zur Hochzeit bildete damals in ganz Süddeutschland der
"Eierschmalztag". Am dritten Tage brachten Koch und Köchin zur Erinnerung


Reinfal, 2 Maß Malvasier, 1 Faß guten Neckarweines und für die Dienstleute
ein Faß schlechteren Neckarweines.

Die Vorbereitungen zur Hochzeit dauerten monatelang. Geizkofler lud
inzwischen seine Braut und ihre Verwandten bei seinem Bruder zu Gaste und
speiste wiederum bei ihrem Bruder und anderen Verwandten. Zur Zeit des
Faschings fuhr er sie öfters mit ihrer Schwester im Schlitten aus; die Stadt¬
musikanten fuhren dabei in einem eigenen Schlitten Woraus und spielten lustige
Weisen auf. Dann mußte ihnen der Bräutigam noch außer der Bezahlung
einen Nachttrnnk auf der Bürgerstube geben, wobei sie die ganze Nacht zechten
und Reinfal tranken. Eine besondere Feier vor der Hochzeit war das „Bräutl-
bad" und das „Bräutigamsbad" — eine uralte Augsburger Sitte, bei der
schon im Stadtbuche vom Jahre 1276 die einschränkende Bestimmung getroffen
ist, daß Braut und Bräutigam nicht mehr als je fünf Personen mit sich in's
Bad führen sollen. Während die Braut mit den Kranzeljungfern im Bade
war, ließ der Bräutigam außen Musik spielen; anch war es üblich, der Braut
die damals vorzugsweise gebrauchten wohlriechenden Wasser, Lavendel und
Rosenwasser, mitzugeben. Ueberdies erhielten die Frauen und Jungfrauen der
Verwandtschaft vom Bräutigam kostbare Kleiderstoffe geschenkt: die Braut ein
Stück Atlas zu einem Hochzeitsrock, ein Stück Kailasas zu einer „Kasacken"
und ein Stück Damast zu einem Nachhochzeitsrvck; die Schwägerin ein Stück
des besten Florentiner Atlas zu einem Rock, ihre Tochter ein Stück Scharlach¬
tuch; die Tochter des Bruders 17 Ellen veilchenbraunen Kailasas zu einem
Rock, und ähnliche Gaben die übrigen. Am 5. März 1590 fand endlich die
Vermählung statt. Das Hochzeitsessen wurde im Hause des Bruders der Braut
abgehalten. Nach der Aufzeichnung Geizkvfler's wurden dabei verzehrt: 355
Pfund Rindfleisch, 205 Pfund Kalbfleisch, 3 Pfund Karpfen, 345 Vögel,
7 Hasen, 20 Rebhühner und Haselhühner, 2 Fasanen, 7 Pfauen und 6 Jndiane;
an Getränken: 1 Faß Bier, 1 Faß Rothwein, 7 Faß gewöhnlicher Wein,
4 Läglein Reinfal und 14 Maß Malvasier. Bei dem Festessen spielten die
Stadtmusikanten auf, und die Stadtsoldaten hielten vor dem Hause Wache,
damit das „fremde Gesindel" nicht eindringe. Gegen Abend zog die Gesellschaft
in das Haus der Fugger, die ihren schönen Saal zum Tanz überlassen hatten
Auch hier stand die Scharwache vor dem Hanse, um Unordnung zu verhüten.
Um 8 Uhr zogen Gäste und Hochzeiter fröhlich heim. Am ersten Morgen
nach der Hochzeit verehrte Geizkofler seiner Frau zwei Mahlringe mit Rubinen
und Diamanten, einen Ring mit Safiren, ein goldenes Armband und ein paar
Armbänder mit „Gesundsteinen".

Eine Nachfeier zur Hochzeit bildete damals in ganz Süddeutschland der
„Eierschmalztag". Am dritten Tage brachten Koch und Köchin zur Erinnerung


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[0197] Reinfal, 2 Maß Malvasier, 1 Faß guten Neckarweines und für die Dienstleute ein Faß schlechteren Neckarweines. Die Vorbereitungen zur Hochzeit dauerten monatelang. Geizkofler lud inzwischen seine Braut und ihre Verwandten bei seinem Bruder zu Gaste und speiste wiederum bei ihrem Bruder und anderen Verwandten. Zur Zeit des Faschings fuhr er sie öfters mit ihrer Schwester im Schlitten aus; die Stadt¬ musikanten fuhren dabei in einem eigenen Schlitten Woraus und spielten lustige Weisen auf. Dann mußte ihnen der Bräutigam noch außer der Bezahlung einen Nachttrnnk auf der Bürgerstube geben, wobei sie die ganze Nacht zechten und Reinfal tranken. Eine besondere Feier vor der Hochzeit war das „Bräutl- bad" und das „Bräutigamsbad" — eine uralte Augsburger Sitte, bei der schon im Stadtbuche vom Jahre 1276 die einschränkende Bestimmung getroffen ist, daß Braut und Bräutigam nicht mehr als je fünf Personen mit sich in's Bad führen sollen. Während die Braut mit den Kranzeljungfern im Bade war, ließ der Bräutigam außen Musik spielen; anch war es üblich, der Braut die damals vorzugsweise gebrauchten wohlriechenden Wasser, Lavendel und Rosenwasser, mitzugeben. Ueberdies erhielten die Frauen und Jungfrauen der Verwandtschaft vom Bräutigam kostbare Kleiderstoffe geschenkt: die Braut ein Stück Atlas zu einem Hochzeitsrock, ein Stück Kailasas zu einer „Kasacken" und ein Stück Damast zu einem Nachhochzeitsrvck; die Schwägerin ein Stück des besten Florentiner Atlas zu einem Rock, ihre Tochter ein Stück Scharlach¬ tuch; die Tochter des Bruders 17 Ellen veilchenbraunen Kailasas zu einem Rock, und ähnliche Gaben die übrigen. Am 5. März 1590 fand endlich die Vermählung statt. Das Hochzeitsessen wurde im Hause des Bruders der Braut abgehalten. Nach der Aufzeichnung Geizkvfler's wurden dabei verzehrt: 355 Pfund Rindfleisch, 205 Pfund Kalbfleisch, 3 Pfund Karpfen, 345 Vögel, 7 Hasen, 20 Rebhühner und Haselhühner, 2 Fasanen, 7 Pfauen und 6 Jndiane; an Getränken: 1 Faß Bier, 1 Faß Rothwein, 7 Faß gewöhnlicher Wein, 4 Läglein Reinfal und 14 Maß Malvasier. Bei dem Festessen spielten die Stadtmusikanten auf, und die Stadtsoldaten hielten vor dem Hause Wache, damit das „fremde Gesindel" nicht eindringe. Gegen Abend zog die Gesellschaft in das Haus der Fugger, die ihren schönen Saal zum Tanz überlassen hatten Auch hier stand die Scharwache vor dem Hanse, um Unordnung zu verhüten. Um 8 Uhr zogen Gäste und Hochzeiter fröhlich heim. Am ersten Morgen nach der Hochzeit verehrte Geizkofler seiner Frau zwei Mahlringe mit Rubinen und Diamanten, einen Ring mit Safiren, ein goldenes Armband und ein paar Armbänder mit „Gesundsteinen". Eine Nachfeier zur Hochzeit bildete damals in ganz Süddeutschland der „Eierschmalztag". Am dritten Tage brachten Koch und Köchin zur Erinnerung

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/197>, abgerufen am 27.09.2024.