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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.

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1606 in einem Alter von 56 Jahren nochmals von Maier die Nativität stellen.
Der letztere hatte dabei natürlich die leichtere Aufgabe, aber die Regeln und
Kombinationen beider stimmten in der Hauptsache überein.

Der Unstätigkeit des äußeren Lebensganges setzte erst das Jahr 1595 ein
Ziel. Erst von da an kam Geizkofler mehr zur Ruhe und nahm nun seinen
ständigen Aufenthalt in Augsburg. Sein Leben wird nun geordneter, innerlich
thätiger, er beginnt zu sammeln, sein Haus zu bestellen und den Wohlstand
seiner Familie zu gründen. Aus den Papieren, die er gesammelt, läßt sich
erkennen, daß er auch einen Anlauf zum Schriftsteller genommen. Als junger
Mann, nachdem er 1576 wegen der Pest aus Padua geflohen war, schrieb er
in Sterzing eine Abhandlung "Von den Leiden der Studenten" und beschrieb
darin all' das Ungemach, das einen Studirenden in der Fremde treffen kann:
die öffentliche Gefahr, das Geldborgen, die Verführung durch Frauen, Schlä¬
gereien u. a. Als sein Sohn Hans später auf Reisen ging, übergab er ihm
die Schrift. Auch zur "Poeterei" hatte er in seinen jungen Jahren Lust und
hatte von Freunden und Lehrern eine gute Anleitung dazu erhalten. Später
versuchte er sich in der lateinischen Dichtung, ohne sich jedoch hierin über die
Mittelmäßigkeit zu erheben. Besser sind die deutschen Sinnsprüche, welche er
1596 auf seinem prachtvollen Grabmal zu Se. Anna neben allegorischen Figuren,
Reliefbildern und Gemälden anbringen ließ. Am liebsten aber kehrte er immer
wieder zu geschichtlichen Studien zurück. Nachdem er den Inhalt seiner Tage¬
bücher in der vorliegenden umfangreichen Selbstbiographie niedergelegt, fing
er, obwohl schon in vorgerückten Jahren, ein geschichtlich-geographisches Werk
über Tyrol zu schreiben an. Mehrere Abhandlungen dazu sind noch vorhanden,
so ein kurzer Auszug der Geschichte Tyrol's.

Das eine bleibt bei seiner Vielschreiberei zu bedauern, daß er uns so gut
wie nichts über das innere Leben seiner zweiten Heimat Augsburg mittheilt.
Wie dankbar könnten wir ihm sein, wenn er uns, statt der mageren Tyroler
Studien, eine Schilderung des Augsburger Stadtlebens, seiner Verfassung,
seiner wissenschaftlichen und künstlerischen Schöpfungen hinterlassen hätte!
Nimmt doch unter den deutschen Städten, welche als Kultur- und Kunststätten
vergangener Jahrhunderte gerühmt werden, Augsburg einen der ersten Plätze
ein! Augsburg vornehmlich ist die Stadt der deutschen Renaissance. Noch
stellt sich uns bei einem Gange durch die Straßen in der Bauart der Hauser,
in den Resten der Wandmalereien, in Brunnen und Thürmen das Augsburg
des sechzehnten Jahrhunderts in seinem vollen Glänze dar. Seit dem späteren
Mittelalter war es die bedeutendste Handelsstadt und der eigentliche Stapel¬
platz für das südliche Deutschland. Und neben dem Handel ein reiches, stetig
entwickeltes Gewerbewesen, welches der Stadt noch über die Zeit des dreißig-


1606 in einem Alter von 56 Jahren nochmals von Maier die Nativität stellen.
Der letztere hatte dabei natürlich die leichtere Aufgabe, aber die Regeln und
Kombinationen beider stimmten in der Hauptsache überein.

Der Unstätigkeit des äußeren Lebensganges setzte erst das Jahr 1595 ein
Ziel. Erst von da an kam Geizkofler mehr zur Ruhe und nahm nun seinen
ständigen Aufenthalt in Augsburg. Sein Leben wird nun geordneter, innerlich
thätiger, er beginnt zu sammeln, sein Haus zu bestellen und den Wohlstand
seiner Familie zu gründen. Aus den Papieren, die er gesammelt, läßt sich
erkennen, daß er auch einen Anlauf zum Schriftsteller genommen. Als junger
Mann, nachdem er 1576 wegen der Pest aus Padua geflohen war, schrieb er
in Sterzing eine Abhandlung „Von den Leiden der Studenten" und beschrieb
darin all' das Ungemach, das einen Studirenden in der Fremde treffen kann:
die öffentliche Gefahr, das Geldborgen, die Verführung durch Frauen, Schlä¬
gereien u. a. Als sein Sohn Hans später auf Reisen ging, übergab er ihm
die Schrift. Auch zur „Poeterei" hatte er in seinen jungen Jahren Lust und
hatte von Freunden und Lehrern eine gute Anleitung dazu erhalten. Später
versuchte er sich in der lateinischen Dichtung, ohne sich jedoch hierin über die
Mittelmäßigkeit zu erheben. Besser sind die deutschen Sinnsprüche, welche er
1596 auf seinem prachtvollen Grabmal zu Se. Anna neben allegorischen Figuren,
Reliefbildern und Gemälden anbringen ließ. Am liebsten aber kehrte er immer
wieder zu geschichtlichen Studien zurück. Nachdem er den Inhalt seiner Tage¬
bücher in der vorliegenden umfangreichen Selbstbiographie niedergelegt, fing
er, obwohl schon in vorgerückten Jahren, ein geschichtlich-geographisches Werk
über Tyrol zu schreiben an. Mehrere Abhandlungen dazu sind noch vorhanden,
so ein kurzer Auszug der Geschichte Tyrol's.

Das eine bleibt bei seiner Vielschreiberei zu bedauern, daß er uns so gut
wie nichts über das innere Leben seiner zweiten Heimat Augsburg mittheilt.
Wie dankbar könnten wir ihm sein, wenn er uns, statt der mageren Tyroler
Studien, eine Schilderung des Augsburger Stadtlebens, seiner Verfassung,
seiner wissenschaftlichen und künstlerischen Schöpfungen hinterlassen hätte!
Nimmt doch unter den deutschen Städten, welche als Kultur- und Kunststätten
vergangener Jahrhunderte gerühmt werden, Augsburg einen der ersten Plätze
ein! Augsburg vornehmlich ist die Stadt der deutschen Renaissance. Noch
stellt sich uns bei einem Gange durch die Straßen in der Bauart der Hauser,
in den Resten der Wandmalereien, in Brunnen und Thürmen das Augsburg
des sechzehnten Jahrhunderts in seinem vollen Glänze dar. Seit dem späteren
Mittelalter war es die bedeutendste Handelsstadt und der eigentliche Stapel¬
platz für das südliche Deutschland. Und neben dem Handel ein reiches, stetig
entwickeltes Gewerbewesen, welches der Stadt noch über die Zeit des dreißig-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/199>, abgerufen am 28.12.2024.