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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.

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1v Jahre alten Bruder. Wohnung und Verpflegung fand er in dem Hause
des obersten Schulmeisters bei Se. Anna, Mathias Schenck, wo neben ihm noch
mehrere Schüler untergebracht waren. Seine in Sterzing erworbenen Vor¬
kenntnisse scheinen nicht von Belang gewesen zu sein, da er nur in die vierte
Klasse aufgenommen wurde. Wie lange er in Augsburg blieb, läßt sich nicht
sagen; sein Aufenthalt mag ungefähr sechs Jahre gedauert haben, denn Lucas
erzählt, daß er noch das ^.uäiroriuin xrMiouw, des Hieronymus Wolf besucht
habe. Noch vor dem Jahre 1570 treffen wir ihn dann auf der Universität Stra߬
burg, um juristischen Studien obzuliegen. Wie er mittheilt, fand er hier
namentlich bei dem berühmten Pädagogen Johann Sturm, an den ihn Hiero¬
nymus Wolf mit empfehlenden Briefen gewiesen hatte, eine seinem Studium
förderliche Aufnahme.

Im Mai 1572 wandte er sich zur Fortsetzung seiner Studien mit 26
anderen Genossen nach Paris. Ueber diese Zeit seines Aufenthaltes in der
französischen Hauptstadt geben seine Memoiren eine Reihe der wichtigsten Auf¬
schlüsse; insbesondere berichtet er über Veranlassung und Verlauf des großen
Hugenottenmordes in der Bartholomäusnacht aus eigener Anschauung in aus¬
führlicher und völlig objektiver Weise. Die öffentliche Unsicherheit aber, welche
der Bartholomäusnacht gefolgt war, verleidete Geizkofler den Aufenthalt in
Paris. Ende des Jahres 1572 reiste er mit mehreren Augsburgern über Troyes
und Besauyon nach Dole, wo er längere Zeit studirte.

Von Dole ging Geizkofler nach Straßburg, wo er in eine gefährliche
Krankheit verfiel: doch half ihm sein junges, gesundes Blut bald wieder heraus,
und nach seiner Genesung machte er sich zur Rückkehr nach Augsburg auf.
Unterwegs kehrte er in dem schon damals vielbesuchten Badeorte Baden im
Wirthshause zum goldenen Engel ein, dessen Besitzer er durch die wenige
Tage vorher erfolgte Verbrennung seiner Frau, die in dem Gerüche der
Hexerei gestanden hatte, aufs tiefste niedergedrückt fand. Von da stieg
er über den Schwarzwald in's Wildbad herunter, "so sonderlich den poda-
grcnschen und schwachen gliedern guet und nüzlich sein soll". Die warmen
Quellen, erzählt er, entspringen in der Stadt Wildbad selbst, welche nur aus
zwölf, jedoch sehr geräumig, gut und bequem gebauten Häusern besteht. In
diesen wohnen die Gastwirthe, welche mit Fischen und anderen Speisen wohl
versehen sind, so daß sie die Badegäste bei mäßigen Preisen vortrefflich zu
bewirthen im Stande sind und es anch zu thun pflegen, denn der Fürst von
Württemberg und die Obrigkeit jener Stadt setzte den Wirthen den Preis der
einzelnen Gerichte fest, welcher für die Gäste, die des Badens halber zu kommen
pflegen, ganz erträglich ist. Deshalb geschieht es auch, daß sehr viele zu diesen
Heilquellen reisen, eines Theils weil sie ungemein heilkräftig sind und in einer


1v Jahre alten Bruder. Wohnung und Verpflegung fand er in dem Hause
des obersten Schulmeisters bei Se. Anna, Mathias Schenck, wo neben ihm noch
mehrere Schüler untergebracht waren. Seine in Sterzing erworbenen Vor¬
kenntnisse scheinen nicht von Belang gewesen zu sein, da er nur in die vierte
Klasse aufgenommen wurde. Wie lange er in Augsburg blieb, läßt sich nicht
sagen; sein Aufenthalt mag ungefähr sechs Jahre gedauert haben, denn Lucas
erzählt, daß er noch das ^.uäiroriuin xrMiouw, des Hieronymus Wolf besucht
habe. Noch vor dem Jahre 1570 treffen wir ihn dann auf der Universität Stra߬
burg, um juristischen Studien obzuliegen. Wie er mittheilt, fand er hier
namentlich bei dem berühmten Pädagogen Johann Sturm, an den ihn Hiero¬
nymus Wolf mit empfehlenden Briefen gewiesen hatte, eine seinem Studium
förderliche Aufnahme.

Im Mai 1572 wandte er sich zur Fortsetzung seiner Studien mit 26
anderen Genossen nach Paris. Ueber diese Zeit seines Aufenthaltes in der
französischen Hauptstadt geben seine Memoiren eine Reihe der wichtigsten Auf¬
schlüsse; insbesondere berichtet er über Veranlassung und Verlauf des großen
Hugenottenmordes in der Bartholomäusnacht aus eigener Anschauung in aus¬
führlicher und völlig objektiver Weise. Die öffentliche Unsicherheit aber, welche
der Bartholomäusnacht gefolgt war, verleidete Geizkofler den Aufenthalt in
Paris. Ende des Jahres 1572 reiste er mit mehreren Augsburgern über Troyes
und Besauyon nach Dole, wo er längere Zeit studirte.

Von Dole ging Geizkofler nach Straßburg, wo er in eine gefährliche
Krankheit verfiel: doch half ihm sein junges, gesundes Blut bald wieder heraus,
und nach seiner Genesung machte er sich zur Rückkehr nach Augsburg auf.
Unterwegs kehrte er in dem schon damals vielbesuchten Badeorte Baden im
Wirthshause zum goldenen Engel ein, dessen Besitzer er durch die wenige
Tage vorher erfolgte Verbrennung seiner Frau, die in dem Gerüche der
Hexerei gestanden hatte, aufs tiefste niedergedrückt fand. Von da stieg
er über den Schwarzwald in's Wildbad herunter, „so sonderlich den poda-
grcnschen und schwachen gliedern guet und nüzlich sein soll". Die warmen
Quellen, erzählt er, entspringen in der Stadt Wildbad selbst, welche nur aus
zwölf, jedoch sehr geräumig, gut und bequem gebauten Häusern besteht. In
diesen wohnen die Gastwirthe, welche mit Fischen und anderen Speisen wohl
versehen sind, so daß sie die Badegäste bei mäßigen Preisen vortrefflich zu
bewirthen im Stande sind und es anch zu thun pflegen, denn der Fürst von
Württemberg und die Obrigkeit jener Stadt setzte den Wirthen den Preis der
einzelnen Gerichte fest, welcher für die Gäste, die des Badens halber zu kommen
pflegen, ganz erträglich ist. Deshalb geschieht es auch, daß sehr viele zu diesen
Heilquellen reisen, eines Theils weil sie ungemein heilkräftig sind und in einer


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/194>, abgerufen am 28.12.2024.